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Mieter unter Druck. Gelegentlich versuchen schwarze Schafe Investoreninteressen mit Macht durchzusetzen – so scheint es. Modernisierungspläne, wie sie hier in Tiergarten durch eine Baustellenlampe signalisiert werden, sind indessen noch nicht ehrenrührig. Foto: dpa

© dpa

Immobilien: Kein Aufzug und die Fenster zugemauert

Rabiate Entmietungen sind nicht die Regel – aber die Ausnahmen erschrecken.

Undichte Dächer, bröckelnde Balkone - mit immer rabiateren Methoden setzen Investoren Mieter unter Druck.

„Seit zehn Jahren wechseln ständig die Eigentümer, steht das Haus immer wieder unter Zwangsverwaltung“, berichtet die Mieterin eines alten Jugendstilhauses unweit vom Berliner Kurfürstendamm. Jetzt soll das vierstöckige Gebäude für viel Geld renoviert werden. Die Mieter werden rausgedrängt. Mehr als die Hälfte habe angesichts der Schikanen schon aufgegeben, erzählt die Frau. „Und wenn ich bleibe, erhöht sich meine Miete nach der Luxussanierung fast um das doppelte. Das ist ein Irrsinn, was da gerade in Berlin abläuft.“ Auch die Mietervereine schlagen Alarm. Besonders in Großstädten mit verschärfter Wohnungssituation fielen solche „Entmietungs“-Praxen auf, berichtet Wibke Werner von der Berliner Mietervertretung. Der Grund: Bestandsmieten für langjährige Mieter dürfen nur eingeschränkt erhöht werden. Ziehen neue Leute in eine sanierte Wohnung, können die Vermieter mehr kassieren.

Ein besonders heftiger Fall wurde Anfang Juli bekannt. Um seine Modernisierungspläne durchzusetzen, ließ ein Gebäudeeigentümer den Fahrstuhl demontieren und Keller sperren. Auch von zugemauerten Fenstern wurde berichtet. Der Berliner Mieterverein sieht die Politik in der Pflicht: „Die mietrechtlichen Abwehrmöglichkeiten reichen gegen diese Vermieterwillkür am Ende nicht aus“, sagt Geschäftsführer Reiner Wild. Die Betroffenen benötigten Hilfe von Bezirksamt und Senat. Die zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung aber wiegelt ab: Sie könnten bei privaten Vermietern nicht eingreifen.

Auch der Deutsche Mieterbund betrachtet die Entwicklung mit Sorge. „Da entsteht ein enormer Druck auf die Mieter“, sagt Sprecher Ulrich Ropertz. Allein in Berlin bestehe jetzt schon eine Differenz von 20 bis 30 Prozent zwischen ortsüblicher Miete und der Miete, die bei einem neuen Mietvertrag erzielt werden kann. Nach Auszug von Altmietern und einer Renovierung kann sich der den Quadratmeterpreis in Berlin auf 11 Euro glatt verdoppeln. Gerade die Hauptstadt biete hier mit einer Mieterfluktuation von über 10 Prozent pro Jahr ideale Bedingungen, heißt es auch beim Immobilienverband Deutschland (IVD). Zugemauerte Fenster seien deutschlandweit aber eher Einzelfälle, sagt Ropertz. „Es geht auch viel subtiler.“ Aus Köln und Hamburg wird von absichtlich langgezogenen Modernisierungen berichtet, während der Wasser und Strom abgestellt werden. Oft bleibe auch ein Baugerüst einfach länger an der Fassade stehen und verdunkele die Zimmer. „Man versucht, den Mietern die Wohnung zu verleiden“, sagt Jörg Hense vom Kölner Mieterverein. Teils würden für die Zeit nach der Modernisierung unrealistisch heftige Mieterhöhungen angekündigt, die rechtlich überhaupt nicht durchzusetzen wären. Da zögen viele Mieter vorschnell die Notbremse.

Was sich derzeit in Berlin entwickelt, ist laut Ropertz in Städten wie Frankfurt/Main, Köln oder Düsseldorf schon länger zu beobachten. Da das Angebot an Häusern und Wohnungen überwiegend rückläufig ist, werden die Preise in Zukunft – wenn auch moderat – steigen. Die Immobilienexperten von LBS und Sparkassen prognostizieren bis zum Jahresende einen Preisanstieg von 2 bis 3,5 Prozent.

Nach einer aktuellen Studie des Pestel-Instituts fehlen in den großen Städten bundesweit derzeit etwa 100 000 Wohnungen, bis 2017 sollen es rund 400 000 Wohnungen sein. Der Wohnungsneubau in Deutschland bleibt für die Mehrheit der Forscher weiter hinter dem Bedarf zurück. Nach Angaben des aktuellen LBS-Ratgebers „Markt für Wohnimmobilien 2012“ sehen 59 Prozent der wohnungswirtschaftlichen Experten den tatsächlichen Neubaubedarf im Zeitraum bis 2020 in der Größenordnung von 225 000 bis 300 000 Wohnungen pro Jahr. Knappheiten mit steigenden Preisen und Mieten sowie Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche machen sich bereits vielfach in den Schwerpunkten der Wohnungsnachfrage bemerkbar.

Politiker und Verbände sprechen von einer neuen Wohnungsnot besonders in Großstädten, Ballungsgebieten und Universitätsstädten. In Hamburg seien Schikanen von Vermietern vor allem Anfang der 90er Jahre bekannt geworden, sagt Siegmund Chychla vom dortigen Mieterverein. Dagegen habe es in Berlin lange „paradiesische Zustände“ gegeben.

Die meisten Mieter haben nur wenig gegen die Schikane ihrer Vermieter in der Hand. „Der Eigentümer ist zu Instandsetzungen verpflichtet. Absichtliche Schikane lässt sich da nur schwer greifen“, sagt Werner. Während Ropertz Betroffenen rät, lange auszuharren und auf eine Abfindung der Investoren zu setzen, sehen andere Mieterberater das kritisch. „Richtig hohe Beträge bekommen da die wenigsten“, betont Hense. Allein durch die wahrscheinlich höhere Miete in der neuen Wohnung werde eine Abfindung schnell aufgefressen. dpa/Tsp

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