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Immobilien: Keine Kindersache

Unsere Baugruppe verhandelt mit den Eltern der benachbarten Kita und wünscht sich Familien im Haus

Kreuzberg, Möckernstraße: eine Baulücke. Hier will unsere Baugruppe ihren Neubau errichten. Das Bauschild steht schon. Es ist mit Absperrband an ein rotes Klettergerüst gebunden. Die Baulücke wird seit Jahrzehnten von einer Kita als Spielplatz genutzt, denn sie grenzt direkt an den Kita-eigenen Garten.

Schwierig: Im Sommer hat die Evangelische Jesus-Christus-Gemeinde Berlin-Kreuzberg – ihr gehören Baulücke und Kita – die Eltern darüber informiert, dass dort ein Haus gebaut werden soll. Seitdem laufen einige Eltern Sturm. Und wie. „Ich will diesen Bau verhindern!“, sagt Marion Pollmann. Sie ist die Mutter eines viereinhalbjährigen Mädchens, das die Kita besucht. „Es kann nicht darum gehen, ob hier überhaupt gebaut wird“, hält Pastorin Jutta Becker dagegen, „die meisten haben verstanden, dass es um das Wie geht und nicht um das Ob.“

Es gibt eine offizielle Eltern-Initiative, erzählt Pollmann, ein erklärtes Ziel hätten sie zwar nicht, aber immerhin: Fünf, sechs Mal hätten sich schon Eltern getroffen, immer 15 bis 30 Leute, um die Situation zu beratschlagen. Auch die Pastorin hat einen runden Tisch initiiert.

Es geht hoch her: „Auf die kleinste Kritik gegenüber dem Architekten ist der ziemlich unschön ausgerastet“, empört sich Pollmann. Der allerdings sieht das anders: „Ich wurde da eingeladen, das war wie ein Tribunal“, erzählt er, „da sagte eine Mutter, so eine Baustelle könne man ja immer stilllegen lassen durch eine Anzeige bei der Bauaufsicht.“

Pastorin Becker deckt den Mantel der Nächstenliebe über solche Einzelheiten. Sie wirbt lieber für die Position der Kirche: Kita und Garten gebe es schon seit über 70 Jahren. Die Brache gehöre zwar der Gemeinde, sei aber nie Kita-Gelände gewesen, erklärt die Geistliche. „Da stand ein Wohnhaus, das im Krieg zerstört wurde.“ Erst seitdem werde auch dieser Platz zum Spielen genutzt, vor allem von älteren Kindern, zu Zeiten, als die Kita auch Hort gewesen sei. Inzwischen werde auf dem zukünftigen Baugelände kaum noch gespielt.

Wirklich? „Wir nutzen das gesamte Gelände“, berichtet Kita-Leiterin Edeltraud Flindt, „die Vorschulkinder, die genießen das sehr, wenn sie da schon mal hinrasen können.“

Hilft nix: „Die Einnahmen durch Kirchensteuern gehen zurück und damit auch die Zuweisungen durch die Landeskirche“, klagt die Pastorin, „und die Landeskirche hält die Kirchen an, selbst etwas für die Einnahmen zu tun. Da können wir keine Baufläche mitten in der Stadt liegen lassen!“

„Die Gespräche am runden Tisch laufen gut“, sagt die Pastorin. Lärmschutzmaßnahmen sollen beraten werden, vielleicht könne man ja den Bauzaun erhöhen. Und: „Die Gemeinde hat sich bereit erklärt, Kosten für solche Gutachten zu übernehmen.“ Vor allem: Die Kirche will der Baugruppe weniger Gelände verpachten als ursprünglich vorgesehen: „Wir haben es noch nicht genau ausgemessen, da geht es um zwei Meter“, erklärt Becker: „So wie es im Grundbuch steht, finden wir es zu klein, wir möchten einen Teil des Baulandes noch zur Kita schlagen. Es gibt einen gewissen Spielraum, den möchten wir ausschöpfen.“

Derzeit beläuft sich das Kita-Gelände, also Haus, Garten und Brache, laut Architekt Alois Albert auf 2200 Quadratmeter. Davon soll die Baugruppe für Haus und Grundstück 800 Quadratmeter erhalten. Damit würde die Kita noch über 1400 Quadratmeter Fläche verfügen. Genaueres will Albert nicht sagen, er sitzt wohl auch zwischen den Stühlen. Alberts eigene Kinder haben diese Kita besucht, er kann verstehen, dass die Eltern den ganzen Platz behalten wollen.

Die Bauarbeiten dagegen hält er nicht für ein Problem. Das sagt auch die frühere Kita-Leiterin: „Als ich hier arbeitete, wurde gerade das Gebäude nebenan gebaut, die Möckernstraße 113. Die Kinder hatten sehr viel Spaß daran und der Baulärm wurde auch nicht als unangenehm empfunden“, erinnert sie sich.

Und die Mitglieder der Baugruppe? Kerstin Bark und Edgar Endrukaitis wollen ins Dachgeschoss einziehen. Beide sind Umweltexperten und arbeiten auch in der Entwicklungshilfe. „Jeder möchte gern behalten, was er hat“, sagt Bark, „da muss man Kompromisse schließen.“ Zumindest unter Gesichtspunkten des Umweltschutzes sei jedoch ein Neubau vorteilhaft, fügt ihr Partner hinzu: „Es ist ökologisch viel vernünftiger, Baulücken zu füllen als das Umland zu zersiedeln.“

Doch noch ist die Baugruppe nicht voll. Bark und Endrukaitis hoffen auf Familien mit Kindern. Bis jetzt gibt es aber bloß Paare mit erwachsenem Nachwuchs, wie sie selbst. Und einen Single – eine Kindergärtnerin.

Ulrike Heitmüller

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