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In bester Lage. St. Agnes in Kreuzberg steht zum Verkauf.

© Harald Rossa

Kirchenverkauf: Alle Messen gesungen

Berliner Kirchen suchen immer öfter neue Nutzer.

Dieses Angebot klingt zumindest interessant: ein mehrgeschossiges Gebäude samt Parkplätzen in guter Kreuzberger Wohn- und Geschäftslage, in Nachbarschaft zu Museen und Galerien, für zwei Millionen Euro. Und dazu gibt es noch einen imposanten Turm obendrauf! Die St.-Agnes-Kirche der katholischen Bonifatiusgemeinde steht im Internet zum Verkauf.

Es ist nicht das erste Berliner Gotteshaus, in dem alle Messen gelesen sind. Seit 2003 wurden bereits neun katholische Kirchen aufgegeben, und auch bei der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) wird zunehmend mit spitzem Bleistift gerechnet und nach neuen Nutzungskonzepten für große Sakralbauten gesucht. Die eignen sich schließlich auch für Tagungen, Konzerte, Theater. Oder etwa zu Wohnzwecken.

Zum Beispiel im Umweltforum in Friedrichshain: Hinter dem mächtigen Turm und spätromanischen Außenmauern ragt ein Konferenzzentrum aus Stahl und Glas empor. Wo sich in den 80ern im notdürftig wiederaufgebauten Kirchenschiff die DDR-Opposition um Rainer Eppelmann und Bärbel Bohley traf, tagen heute Ministerien, Verbände und Unternehmen von Coca-Cola bis Sony.

„Wir unterscheiden uns nicht von anderen Veranstaltungszentren“, sagt Forumssprecherin Anke Stopperich. Bis auf ein Detail: Im großen Saal hängt noch ein Kreuz. An kirchlichen Feiertagen gibt es hier Gottesdienste, ansonsten reicht der Gemeinde die Kirche einer benachbarten Gemeinde, mit der sie vor Jahren fusionierte. Tagungen gibt es auch in der Kreuzberger Jerusalemkirche, einem Flachbau aus den 60er Jahren.

Wer Wert auf neugotisches Ambiente legt, kann auch die Heilig-Kreuz-Kirche buchen. Dort finden beispielsweise Modenschauen und Kunstauktionen statt. Kirchen, die eigentlich keine mehr sind, gibt es in Berlin schon lange, etwa die Nicolaikirche, die nach dem Wiederaufbau Museum wurde, oder die Friedrichswerdersche Kirche unweit der Museumsinsel.

„Wir sind bemüht, eine kirchliche Nutzung sicherzustellen“, sagt Volker Jastrzembski, Sprecher der EKBO. Weil die Gemeinden ein neues Rechnungswesen einführten, rechne er damit, dass viele künftig kreativer sein müssten, um ihre Kirchengebäude zu refinanzieren.

So haben Kirchengebäude in Berlin bereits heute die unterschiedlichsten Nutzer. Die Galiläa-Kirche in Friedrichshain, in der DDR Rückzugsort für verfolgte Jugendliche, beherbergt ein Jugendwiderstandsmuseum. In der Eliaskirche im Prenzlauer Berg toben Kinder durch ein „Mitmach-Museum“ vor Orgel und Jesus-Mosaik. Teile der Martin-Luther-Kirche in Neukölln wurden zu Wohnungen, ebenso in der Spandauer Lutherkirche.

Anders die frühere Krankenhauskapelle an der Neuköllner Blaschkoallee: Zwischen Engelsbildern geben sich dort Paare das weltliche Ja-Wort – die Kapelle ist das Trauzimmer des Standesamts.

Die Verheißungskirche auf dem Friedhof an der Boxhagener Straße ist dagegen seit fünf Jahren Theaterkapelle. Noch immer gibt es dort Trauerfeiern, aber wenn es auf dem Friedhof dunkel wird, geht es weniger getragen zu. Jazzmusik tönt aus der Kapelle und das Gotteshaus wird zur Bühne. dpa

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