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Berliner Bauboom? Obwohl man das Gefühl hat, in der Stadt liege eine Baustelle neben der anderen, sind im vergangenen Jahr nur 3499 neue Wohnungen fertiggestellt worden.

© dpa

Konzeptausschreibungen von Grundstücken: „Hohe Preise finanzieren niedrige Preise“

Wie die Bauwirtschaft in Berlin preiswerten Wohnraum neu schaffen will.

In Berlin steigen die Mieten immer weiter. Seit 2007 sind sie um 30 Prozent von rund 5,50 nettokalt pro Quadratmeter auf über 7,00 Euro gestiegen. Und der Trend wird sich laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung auch künftig fortsetzen. Demnach ist zu erwarten, dass Berlin auch 2013 neben Augsburg, Hamburg, München und Nürnberg in der Mietpreisentwicklung mit Anstiegen von bis zu zehn Prozent und mehr deutschlandweit an der Spitze liegen wird.

Zurückzuführen ist dieser rapide Anstieg auf den starken Zuzug und die zunehmende Wohnungsknappheit in den Innenstadtbereichen. Allein 2011 sind 41 000 vor allem junge Menschen nach Berlin gezogen. Bezahlbarer Wohnraum für die rund vierzig Prozent der Berliner Haushalte, die nur 1300 Euro oder weniger im Monat zur Verfügung haben, ist rar. Und so will jetzt der Berliner Senat mehr Wohnungen, in erster Linie bezahlbare, schaffen.

Dabei setzt Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) weder auf generelle Mietobergrenzen noch auf soziale Wohnraumförderung, sondern auf die städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Sie sollen im Rahmen des neuen Mietbündnisses, das im September unterzeichnet wurde, unter anderem individuelle, sozialverträgliche Miethöhen festlegen, die 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens nicht übersteigen. Wie berichtet, ist geplant, noch in dieser Legislaturperiode den städtischen Wohnungsbestand von derzeit 277 000 auf 300 000 Einheiten zu erhöhen.

Unterstützung bekommt Müller nun aus der Bauwirtschaft. In einem in dieser Woche vorgestellten Papier schlagen der Bauindustrieverband Berlin-Brandenburg und die Fachgemeinschaft Bau vor, die anhaltende Nachfrage nach hochwertigen Wohnungen zu nutzen, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Dabei ist es beiden Verbänden wichtig, in allen Bezirken eine soziale Durchmischung zu schaffen und so einer Ghettobildung vorzubeugen. Sie wollen eng mit dem Land Berlin und dem Liegenschaftsfonds zusammenarbeiten. Nach dem Motto „hohe Preise finanzieren niedrige Preise“ soll über Konzeptausschreibungen auf bestimmten Grundstücken bezahlbarer Wohnraum entstehen.

Im Einzelnen beinhaltet das Konzept, dass das Land beziehungsweise der Liegenschaftsfonds geeignete Grundstücke unter der Bedingung vergibt, dass in Teilbereichen eine Mietpreisbindung für bezahlbaren Wohnraum gilt. Die Planung und der Bau der Wohnungen erfolgt dann durch die Privatwirtschaft, die einen Teil der Wohnungen dann selbst als Wohneigentum vermarktet oder zu marktüblichen Nettokaltmieten vermietet, während der mietpreisgebundene Teil von einer öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft gekauft und vermarktet wird. Dabei sollen der Kaufpreis vorher festgelegt und der Ankauf der mietgebundenen Wohnungen über zinsgünstige Kredite der IBB finanziert werden.

Neubauwohnungen: Auch 2012 wird das Ziel verfehlt

„Durch die Querfinanzierung wird der Bau von bezahlbarem Wohnraum zu Preisen möglich, die die Wohnungsbaugesellschaften alleine nicht realisieren können“, sagt Reinhold Dellmann, Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau, „und durch den vorher festgelegten Kaufpreis, der nur so hoch ist, wie die Wohnungsbaugesellschaft über die Mieten refinanzieren kann, für alle kalkulierbar.“ Auch wenn er keine konkreten Zahlen nennen möchte, bestätigt Dellmann, dass der Kaufpreis für die Wohnungsbaugesellschaft so nur 65 bis 75 Prozent des sonst üblichen Baupreises betragen könnte.

Das Konzept sei auch anpassbar, meint Axel Wunschel, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Berlin-Brandenburg. „Man kann die Ausschreibungen nicht nur auf ein oder mehrere Grundstücke anwenden, sondern auch Bestandsimmobilien und ihre Sanierung einbeziehen. „Solange es eine Nachfrage im höherpreisigen Segment gibt, kann man so die Nachfrage im niedrigpreisigen Segment befriedigen.“ Außerdem ermögliche das Konzept, dass man dem Ziel des Senats, jährlich 6000 neue Wohnungen in Berlin zu schaffen, näherkommt. Ein Blick in die Zahlenwerke des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg verrät nämlich, dass das bislang eher ein frommer Wunsch ist. Denn obwohl man das Gefühl hat, dass in der Stadt eine Baustelle neben der anderen liegt, sind im vergangenen Jahr sage und schreibe 3499 neue Wohnungen fertiggestellt worden; 2010 waren es sogar nur 3374.

Auch 2012 wird das Ziel verfehlt. Zwar ist in den ersten neun Monaten die Zahl der Baugenehmigungen für neue Wohnungen auf 6708 angestiegen gegenüber 5634 im selben Vorjahreszeitraum. Aber auch das ist immer noch zu wenig, zumal viele nicht im so dringend benötigten niedrigpreisigen Segment angesiedelt sind. Hinzu kommt nach Berechnungen des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. (BBU), dass gut ein Fünftel der zwischen 2004 und 2011 genehmigten Neubauwohnungen gar nicht errichtet worden sind. Darüber hinaus ergab eine BBU-Auswertung, dass die neu gebauten Wohnungen in Berlin eher groß sind. Die durchschnittliche Wohnfläche der zwischen 2005 und 2011 fertiggestellten Wohnungen lag demnach bei gut 125 Quadratmetern, verteilt auf durchschnittlich gut vier Zimmer.

„Die Bauwirtschaft der Region hat die personellen und technischen Kapazitäten, um kurzfristig und in guter Qualität wesentlich mehr Wohnungen zu bauen“, so Wunschel. „Die aktuelle Auftragslage ist nicht schlecht, aber es sind immer noch Kapazitäten frei.“ Im Tiefbau habe man während des Sommers sogar zum Teil Kurzarbeit geleistet, ergänzt Dellmann. Engpässe bei der Beschaffung von Baumaterial oder von Gerüsten, von denen hin und wieder berichtet wird, seien nicht unbedingt auf den Berliner Bauboom zurückzuführen. Sollten der Senat und die Wohnungswirtschaft also dem Vorschlag der Bauindustrie folgen, könnten bald überall in der Stadt neue Wohnungen für alle Preislagen entstehen.

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