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Immobilien: Land unter am Baumarkt

Die Preise von Eigenheimen sinken seit Jahren, sagen Statistiker. Doch was Häuser und Bauleistungen tatsächlich kosten, verraten sie nicht

Für Bauherren gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute vorweg: In den vergangenen acht Jahren ging der Baupreisindex für Einfamilienhäuser um zehn Prozent zurück. Der Haken dabei: Was das nun in Heller und Pfennig bedeutet, kann niemand genau sagen. Das statistische Landesamt nicht. Der Verband privater Bauherren nicht. Und auch die Investitions Bank Berlin (IBB) nicht mehr: Weil das Land den Berlinern beim Immobilienerwerb nicht mehr finanziell unter die Arme greift, veröffentlicht die IBB auch keine aktuellen Baupreise mehr. Wer wissen will, was er Handwerkern und Baufirmen zahlen muss, muss sich selbst eine Schneise durch den Tarifdschungel schlagen.

Und auch wenn dies gelungen ist, von großem Nutzen für andere Bauherren sind die so ermittelten Kosten nicht. „Es ist unmöglich Vergleichspreise für Eigenheime zu nennen“, sagt Wolfgang Queißer. Der Chef des Verbandes Privater Bauherren in Berlin hat dafür eine gute Erklärung: Jede Handwerksfirma gibt bei jeder Anfrage ein individuelles Angebot ab. Dieses sei zugeschnitten auf eine ganz bestimmte Bauleistung auf einem ganzen bestimmten Grundstück unter Berücksichtigung ganz individueller Wünsche.

Sogar wenn verschiedene Firmen die selbe Anfrage erhalten und ähnlich lautende Angebote abgeben würden, wären auch diese nicht vergleichbar. Denn: „Eine Sanitärfirma bietet die Heizungsinstallation an und bohrt die Löcher für die Leitungen selbst, die zweite tut es nicht, die dritte bohrt, verspachtelt die Öffnung nach dem Verlegen der Leitungen aber nicht“, so Queißer. Diese Unterschiede seien den Angeboten nur selten zu entnehmen. Kurz: „Es gibt keine Kostengewissheit bei der Erteilung von Bauaufträgen.

Wer Preissicherheit suche, der müsse ein Haus schlüsselfertig kaufen. Solche Immobilien böten die Hersteller von Fertigbauten. Außerdem errichteten Bauträger schlüsselfertige Häuser, die oft zu Dutzenden mehr oder minder dicht beieinander auf einem großen Grundstück entstehen. „Hier bekommt der Kunde eine Leistungsbeschreibung“, sagt Queißer und aus dieser gehe hervor, was in dem Baupreis enthalten sei.

Allerdings sei auch bei schlüsselfertig angebotenen Häusern eine Überschreitung der Baukosten nicht ausgeschlossen, wenn der Kunde Sonderwünsche habe. Diese würden sich dann jedoch sofort sichtbar in der Gesamtrechnung niederschlagen. Dagegen sei diese Kostenkontrolle bei Architektenhäusern schwieriger: Wer eine Türklinke aus dem Katalog aussucht, ist eher versucht ein hübsches und oft auch teures Modell auszuwählen. Dies setze der Handwerker erst später auf die Rechnung. Weil in Häusern durchschnittlich 20 Türbeschläge montiert würden, entstünden allein dadurch rasch Zusatzkosten in Höhe von mehreren tausend Euro.

Dasselbe wiederhole sich dann bei der Auswahl der Einbauten in Bad und Küche, der Heizkörper, der Größe und Wärmedichte des Fensterglases sowie der Bauart der Rahmen. „Und diese Liste lässt sich fast endlos weiterführen“, sagt Bauingenieur Queißer, denn bei jedem der vier Gewerke (Erdarbeiten, Maurer- und Betonarbeiten, Zimmerarbeiten, Dachdecker- und Klempnerarbeiten) bis zur Fertigstellung eines Rohbaus sowie der weiteren neun Gewerke (Putzarbeiten, Estrich-Boden-Fliesenarbeiten, Schreiner und Glasarbeiten, Sanitärarbeiten, Elektroarbeiten, Heizungsmontage, Treppenbau, Maler- und Anstricharbeiten, Schlosser- und andere Arbeiten) während des Ausbaus des Eigenheimes seien jeweils zahlreiche individuelle, die Preise beeinflussende Austattungsentscheidungen zu treffen. Als Orientierung könnte allenfalls der Verrechnungssatz von Handwerkerlöhnen am Bau dienen. Dieser liegt laut Handwerkskammer zwischen 30 und 60 Euro je Stunde zuzüglich Material.

Wie viele Handwerkerstunden beim Hausbau zusammenkommen, hängt wiederum von der Ausstattung ab. Immerhin, die Investitions Bank Berlin (IBB) hatte ein wenig Transparenz in einem Ausschnitt dieses Marktes geschaffen. Doch die von der IBB veröffentlichten Durchschnittspreise sind bereits drei Jahre alt, denn seither sind die Förderungen mangels Haushaltsmitteln gestrichen. Zuletzt bezifferte die IBB für das Jahr 2000 die durchschnittlichen „Gesamtkosten“ der im Schnitt 108 Quadratmeter großen, geförderten Wohneinheiten mit 184009 Euro. Doch Achtung: In den Genuss der IBB-Förderungen kamen nur Haushalte mit recht geringen Einkommen. Außerdem bekam der Bauherr die Förderung nur dann, wenn er die Ausstattungsbestimmungen der IBB einhielt: Verboten waren beispielsweise Tropenhölzer. Deshalb sind die Durchschnittspreise der IBB nicht repräsentativ für den gesamten Baumarkt und auch nicht für die Kosten einzelner Gewerke.

Immerhin, einen klaren, den Markt prägenden Trend stellte auch die IBB fest: Die Baukosten sinken. Während subventionierte Häuslebauer 1996 für jeden Quadratmeter Haus im Schnitt 2968 Euro an Baufirmen zahlten, waren es fünf Jahre später nur noch 2497 Euro. Ein Preissturz von 20 Prozent.

Einen um die Hälfte geringeren Preisverfall ermittelte Sachbearbeiterin Kati Bleck vom Statistischen Landesamt mit ihrem „Preisindex für ein statistisches Haus“. Wer wissen will, wie viel dieses statistische Haus in Berlin kostet, wird enttäuscht: Eine absolute Summe nennt das Amt nicht, es ermittelt lediglich, ob die Baukosten steigen oder fallen. Zwischen 1995 und 2002 fielen die Preise um zehn Prozent. Die Ursache dafür, dass die IBB einen doppelt so hohen Preissturz in einem sogar noch kürzeren Zeitraum feststellte, dürfte in den unterschiedlichen Erhebungsmethoden liegen: Während die Förderbank den Durchschnitt der tatsächlich bezahlten Baupreise angibt, beziffert das Landesamt die von Firmen angegebenen Baupreise. Mit diesen verhält es sich ähnlich wie mit „unverbindlichen Preisempfehlungen“ im Handel: aufgrund des großen Wettbewerbs bezahlt die kaum noch jemand.

Baufirmen kämpfen um Aufträge

„Die finanzielle Lage der Handwerksbetriebe ist so schlecht, dass viele sogar Aufträge annehmen, die ihnen keinen Erlös einbringen“, sagt Fred Capella. Dem geschäftsführenden Gesellschafter der Baustofffirma zufolge „sterben die Firmen weg wie Fliegen“. Die meisten Unternehmen gingen an „unglaublich hohen Fixkosten wegen der starren Tarife“ zugrunde. Um dem zu entgehen, würden Baufirmen immer weniger Personal beschäftigen und Subunternehmen mit der Ausführung von Arbeiten beauftragen. Diese beschäftigten oft Arbeiter aus Polen oder anderen osteuropäischen Staaten. „Es prallen eben zwei wirtschaftliche Realitäten aufeinander: Der polnische Bauarbeiter mit einem Monatslohn von 250 Euro und der Westberliner Handwerker mit dem Vielfachen davon als Tariflohn“, sagt Capella.

Nach Auffassung des Unternehmers versagt die Politik. Eine Besserung in der nahen Zukunft sei auch nicht zu erwarten: Ab Mai 2004 könnten polnische Unternehmen im Zuge der Liberalisierung europäischer Märkte hier zu Lande auch offiziell Aufträge annehmen. Deutsche Firmen könnten angesichts dieser Konkurrenz keine marktgerechte Arbeit mehr anbieten. Dieses Problem kennt der Baustofflieferant auch aus eigener Anschauung: Für gering qualifizierte Arbeiten wie die Reinigung der Lieferfahrzeuge könne er keine eigene Arbeitskräfte einstellen, weil diese für seine Firma zu teuer seien. Hier müsse er sich externer Dienstleister bedienen. Die Bilanz des Unternehmers: „Die Nebenkosten der Arbeit sind programmiert, Arbeitslosigkeit zu schaffen.“

Die bitteren persönlichen Erfahrungen des Unternehmers schlagen sich längst auch in den Statistiken nieder: Weil immer weniger Auftraggeber bereit oder in der Lage sind, die hohen Baukosten zu bezahlen und die Firmen nicht dauerhaft unter Tarif arbeiten können, kommt es immer häufiger zu illegaler Beschäftigung. Wie das Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg jüngst meldete, stieg die Zahl der aufgedeckten Fälle im Jahr 2002 erneut: Wegen illegaler Beschäftigung und Leistungsmissbrauch wurden im vergangenen Jahr Bußgelder in Höhe von 20,5 Millionen Euro verhängt. Das waren sage und schreibe 32 Prozent mehr als im vorangegangenen Jahr. Einer der Schwerpunkte der Schwarzarbeit ist der Bau. Dort hat sich aus Sicht der Experten die Schwarzarbeit längst zu einer „Schattenwirtschaft“ entwickelt, und diese trage „Züge der organisierten Kriminalität“ so das Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg.

EIN BERLINER AUS LONDON STEIGT DER HAUPTSTADT AUFS DACH

Michael Wendel, ein Berliner Dachdecker, hat es via London endlich geschafft. Nach mehreren frustrierenden Versuchen, in Deutschland eine eigene Firma zu gründen und der Erfahrung, dass hier zu Lande ohne Meisterbrief nichts läuft, eröffnete er eben in Großbritannien ein Geschäft. Jetzt steigt er den Berlinern – ganz legal – als sein eigener Angestellter aufs Dach. Die EURODACH Ltd. macht’s möglich.

Dieser Umweg bringt den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) ebenso von der Rolle wie auf die Palme. Allenfalls eine Modernisierung des Meisterbriefs könne in Frage kommen. Die jüngste Fassung des 94 Berufe umfassenden Regelwerks stammt aus dem Jahr 1953 – der Meisterbrief kann also 2003 Jubiläum feiern, wenngleich der Ursprung schon im Mittelalter lag. Doch nach Feiern ist den wenigsten zu Mute. Denn nach Ansicht von Karl Brenke, Vordenker im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), gehört der Meisterbrief schlicht abgeschafft. Die strengen Regeln, die es außer bei den Germanen europaweit nur noch in Luxemburg gibt, blockieren nach Brenke bis zu 500000 Neugründungen von Handwerksbetrieben.

Sogar für Professor Martin Hellwig, Vorsitzender der Monopolkommission, passen die alten Regeln nicht mehr in die Zeit. Denn die Berufsbilder haben sich geändert. Wie der 43jährige Dachdecker Wendel, der trotz 28 Jahren Berufserfahrung ohne den Umweg via London keine Firma gründen durfte, sieht auch Torsten Hannusch, der in Berlin mit der GIG eine eigene Firma für Gebäudemanagement betreibt, den Meisterbrief als Hemmschuh. „Weil die altmodische Regel besteht, muss ich Leute mit Meisterbrief einstellen, die mich bis zu 30 Prozent mehr kosten als ein voll ausgebildeter Elektriker, Klempner oder Installateur. Das geht zu Lasten der Jobs insgesamt“.

Beim traditionellen Jahresempfang des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) in Berlin beklagte Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement schon die mangelnde Flexibilität in der Arbeitswelt und stellte kleineren und mittelgroßen Firmen Erleichterungen in Aussicht. Doch Clement machte die Rechnung ohne den Wirt, sprich seine eigenen Parteigenossen und die Gewerkschaften. Klaus Brander, der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, sieht für flexiblere Regeln am Arbeitsmarkt keinen Grund. Und der DGB, der Deutsche Gewerkschaftsbund, schießt sofort gegen jede Veränderung. Dabei pfeifen inzwischen sogar die Spatzen von den ob mit oder ohne Meisterbrief gedeckten Dächern, dass die starren Regeln am deutschen Arbeitsmarkt jede Entwicklung neuer Jobs bremsen. Katharina Otzen

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