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Immobilien: Letzte Hilfe für das Zentrum Kreuzberg

Eigentlich wollte der Senat den sozialen Wohnungsbau nicht länger fördern. Doch gelegentlich springt die landeseigene Investitionsbank ein

Sollte das Zentrum Kreuzberg irgendwann doch einmal in die Pleite rutschen, dann hat es an einem sicher nicht gelegen: an zu wenig Hilfe. Auch wenn die Anschlussförderung für den Sozialen Wohnungsbau nach einem Beschluss des Senats ausläuft – das Zentrum Kreuzberg ist ein Beispiel dafür, dass es doch noch weiter gehen kann: mit Sanierungsvereinbarungen und gestundeten Zins- und Tilgungsraten.

Das Großprojekt am Kottbusser Tor mit rund 300 öffentlich geförderten Sozialwohnungen, Geschäften und Büros wurde Anfang der siebziger Jahre gebaut. Ein Fonds finanzierte das Steuersparmodell. Schon während der Bauzeit aber brauchte das Vorhaben fast doppelt so viel Geld, wie ursprünglich geplant: insgesamt knapp 50 Millionen Euro. Mit den Kosten stieg auch die staatliche Förderung.

Das reichte nicht, um das Haus profitabel zu machen. Immer wieder brauchte das Projekt Geld. Mal für Reparaturarbeiten, mal für die Sicherung der Eingänge, um das Objekt in einer der schwierigsten Wohnlagen Berlins überhaupt über Wasser zu halten. Pläne, den Koloss abzureißen und durch eine handlichere Bebauung zu ersetzen, scheiterten. Statt dessen wurde weiter gefördert.

Sanierungsvereinbarung geschlossen

Jetzt, nachdem die Förderung unwiderruflich aufhören soll, hat der frühere Anteilseigner und Geschäftsführer Peter Ackermann eine Sanierungsvereinbarung mit dem Land und der IBB unter Dach und Fach gebracht. Ein weiteres Mal, so ist der Plan, sollen das Land Berlin und die Investitionsbank Berlin (IBB) helfen: Das Land hat für das Geschäftsjahr 2003/2004 auf die vertragliche Kürzung von Zuschüssen verzichtet. Die IBB soll bis zum Jahr 2013 auf die Zinsen und die Rückzahlung von Krediten in Höhe von knapp 24 Millionen Euro verzichten. In gut zehn Jahren, so das Kalkül, ist das Zentrum Kreuzberg saniert und kann seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen.

Der Fall Zentrum Kreuzberg ist beispielhaft für die Probleme beim Ausstieg aus der öffentlichen Förderung des sozialen Wohnungsbaus. Die IBB hat bei vielen Wohnhäusern, die mit Hilfe öffentlicher Mittel errichtet wurden, so genannte „Aufwendungsdarlehen“ vergeben. Mit diesen billigen Darlehen subventioniert die Bank die hohen Baukosten, damit die Mieten nicht zu hoch sind. Nach 30 Jahren ist es damit üblicherweise aus, und die Eigentümer müssen dieses Geld zurückzahlen.

Doch in Notlagen wie im Fall vom Zentrum Kreuzberg kann die IBB durch die Stundung von Zinsen und Tilgung eine Insolvenz des Immobilienprojektes verhindern.

Ende dieses Jahres begeht das Zentrum Kreuzberg sein dreißigjähriges Jubiläum. Doch zu feiern gibt es wenig: Die Eigentümerin des Gebäudes, eine Fondsgesellschaft, wäre ohne das großzügige Entgegenkommen von Senat und IBB vermutlich insolvent. Das räumt auch Geschäftsführer Peter Ackermann ein: „Die Bank ist wegen der vielen Kredite ohnehin wirtschaftliche Eigentümerin des Zentrums.“ Ackermann ist optimistisch, „weil wir die Bank überzeugt haben, dass wir das Zentrum rentabel machen können“.

Zunächst verzichtet das Land auf die Kürzung seiner Zuschüsse. Dann übernimmt die IBB: Sie verzichtet auf Zins und Tilgung für das Aufwendungsdarlehen in Höhe von knapp 25 Millionen Euro bis zum Jahr 2013. Die Eigentümer des Zentrums, Fondszeichner, kommen komfortabel davon: Sie sind Kommanditisten und haften nicht für Verluste der Immobilie.

„Von Geschenk kann keine Rede sein“, sagt der Geschäftsführer. Es handele sich bei der Hilfe lediglich um eine Verlängerung der Rückzahlungsfrist. Dies ermögliche ihm, in die Immobilie zu investieren, damit diese anschließend besser vermietet werden kann.

„Das Gebäude hat einen enormen Instandhaltungsrückstau“, attestiert die Abgeordnete der Grünen, Barbara Oesterheld. Allerdings kritisiert sie, dass das Zentrum 30 Jahre nach seiner Fertigstellung immer noch so hoch verschuldet ist wie ehedem. Normalerweise müssten Immobilieneigentümer ihre Schulden in jährlichen Raten tilgen, damit eine Insolvenzgefahr wie beim Zentrum Kreuzberg gar nicht erst entstehe. Wegen dieser Ungereimtheiten bat das Abgeordnetenhaus den Berliner Rechnungshof, die Finanzierung des Zentrums zu überprüfen.

Rettungsaktionen für das Zentrum haben gute Tradition. Anfang 1980 stand das Zentrum, noch nicht fertig gebaut, vor der Pleite. Ackermann war damals für einzelne Anleger als Rechtsanwalt tätig. Er wurde zum „Notgeschäftsführer“ benannt. Parallel dazu verhandelte eine Stuttgarter Anwaltskanzlei mit der IBB und bekam neue Darlehen zugesprochen, damit überhaupt zu Ende gebaut werden konnte. Die Gesellschafter beteiligten sich mit vier Millionen Euro an den zusätzlichen Kosten in Höhe von elf Millionen Euro. Im Jahr 2000, inzwischen hatte Ackermann die reguläre Geschäftsführung des Zentrums übernommen, bekam er rund 400000 Euro aus den Fördertöpfen des Landeshaushaltes, um das Umfeld des Baukomplexes zu verbessern. Im vergangenen Jahr folgte der dritte Streich: Das Land und die Investitionsbank verzichten auf Zinseinnahmen in Millionenhöhe, um die Sanierung zu ermöglichen.

Allerdings: Seitdem Ackermann die Leitung des Projekts übernahm, sanken die Erlöse aus der Bewirtschaftung des Hauses stetig. Trotz der Förderungen stehen viele Gewerbeflächen leer. Finden sich Mietinteressenten, dann platzen schon mal Verhandlungen wie im Fall des geplanten „Kaufhaus Kreuzberg“. Nach Angaben von Ackermann, weil die Kaufhaus-Betreiber Investitionen fordern, die sich das Zentrum nicht leisten kann. Die Betreiber sehen das anders: „Wir hätten selbst investiert, doch das Zentrum wollte uns keinen rechtssicheren Mietvertrag geben“, sagt Wolf Maack.

Ein Einzelfall

Hoffnungen, dass andere Projekte von der IBB ebenso großzügig unterstützt werden, sollte sich jedoch niemand machen: „Wenn die IBB am Ende der Förderung Zinsen und Tilgung erlässt, dann verzichtet sie auf Geld“, sagt Uwe Kämpf. Er ist Vorstand der Treucon, die spezialisiert ist auf die wirtschaftliche Sanierung von Fondsgesellschaften und hat es daher auch häufig mit der Investitionsbank zu tun. Der Rechtsanwalt und Steuerberater sagt: „Ein Rechtsanspruch auf einen solchen Verzicht besteht nicht. Das sind alles Einzelfallentscheidungen.“ In den Genuss einer solchen Kosteneinsparung kämen Fonds, wenn das Sanierungskonzept schlüssig sei. „Dabei müssen meistens alle auf etwas verzichten“, sagt Kämpf.

Doch dies ist im Fall vom Zentrum Kreuzberg nicht der Fall: Die Anleger werden nicht zur Kasse gebeten. Ein direkter Zugriff der Bank auf deren Privatvermögen ist nicht möglich, weil eine persönliche Haftung für Verluste des Zentrums nicht besteht. Nur im Falle einer Insolvenz müssten die Anleger einen Teil der Steuervorteile – 200 Prozent der Beteiligung – zurückzahlen.

Mit dieser Drohung könnten Banken bei Sanierungsvereinbarungen Druck ausüben, um Anleger zu einem Barnachschuss zu veranlassen. Das Geld wird dann zur Schuldentilgung eingesetzt, die Bank verzichtet ihrerseits auf einen Teil der Kredite, so dass ein Projekt wirtschaftlich durchstarten kann.

Das ist bei dem einseitigen Verzicht der IBB auf Zinsen und Tilgung bis 2013 für Fachmann Kämpf kaum der Fall: „Das verlegt das Problem nur in die Zukunft“, sagt er, „man hofft auf bessere Zeiten und höhere Mieteinnahmen. Die Schulden bleiben.“ Zu dem selben Ergebnis kommt eine Studie vom Stadtplaner Sergij Goryanoff. Er schreibt: „Das Risiko der Unterdeckung des Objektes ist ständig gegeben. Die damit verbundene Insolvenzgefahr ist nicht vom Tisch.“ Diese Gefahr droht aus zwei Richtungen. Neben der hohen Schuldenlast könne der „aktuelle Grundsanierungsbedarf“ das Zentrum ins wirtschaftliche Aus befördern: Das Dach, die Holzfenster, Elektro- und Wasserleitungen und die Heizungsanlage müssten erneuert werden. Und: Die Wohngegend rund um das Kottbusser Tor hat sich in den vergangenen Jahren trotz vielfältiger Bemühungen nicht verbessern lassen. Warum sich das in den nächsten Jahren ändern soll, vermögen auch die Experten nicht zu beantworten,

Trotz dieser Bedenken hat der „Bewilligungsausschuss“ der Investitionsbank den Zins- und Tilgungssubventionen für das Zentrum Kreuzberg zugestimmt. In dem Kontrollgremium stimmten Beamte aus dem Hause von Bausenator Peter Strieder sowie von Finanzsenator Thilo Sarrazin den Hilfen zu. Für Sarrazins Sprecher Matthias Kolbeck ändere dies nichts am grundsätzlichen Kurs des Senats, keine Anschlussförderungen mehr zu gewähren. Eine Sprecherin von Bausenator Strieder sagte, mit der Maßnahme habe man die Insolvenz verhindern wollen. Der vorläufige Verzicht auf Zinsen und Tilgung stehe unter dem Vorbehalt, dass überschüssige Einnahmen in die Sanierung des Zentrums Kreuzberg investiert werden müssen. Die IBB lehnte eine Stellungnahme ab und verwies auf das Bankgeheimnis.

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