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Immobilien: Licht und Luxus in Berliner Lofts

Die Baudenkmäler der Berliner Gründerzeit kommen nicht aus der Mode. Zunächst mieteten Künstler die verlassenen Werkshallen. Ihnen folgten Existenzgründer der New Economy. Heute ziehen wohlhabende Berliner ein – wenn die Ausstattung stimmt

Ein ausgestopfter Antilopenkopf mit imposantem Geweih wacht über knapp 100 Quadratmeter Wohnfläche. Unter ihm stößt edles Parkett auf die sandgestrahlte Ziegelwand. Locker gruppieren sich eine weiße Sofagarnitur und ein großer Esstisch in dem von bodentiefen Fenstern erhellten Raum. Besucher schlurfen auf Filzpantoffeln durch das Musterloft in der Kadiner Straße. Nach dem Vorbild dieses Lofts werden in Friedrichshain auch andere Räume der 1905 errichteten Wollgarnfabrik umgebaut.

Dem wohlbetuchten Käufer soll es in den von dem Architekten Carlos Zwick konzipierten Lofts an keiner Annehmlichkeit fehlen. Das Bad ist mit edlen Armaturen und Natursteinboden ausgestattet. Die Waschtische sind aus lackiertem Roststahl. Der Spiegel reicht von einer Wand zur anderen. Das serienmäßig installierte Instabus-System lässt auf Knopfdruck oder auch per Internet die Jalousien hochfahren oder schaltet Mikrowelle und Backofen ein. Der Luxus kostet: 360000 Euro für eine Loftwohnung von 145 Quadratmetern im vierten Stock, inklusive Tiefgaragenplatz. Im März 2004 sollen die ersten Besitzer einziehen.

Die Wollgarnfabrik ist nur eines von vielen Beispielen für die Umnutzung historischer Fabrikgebäude in Berlin. Viele von ihnen wurden zu Büros ausgebaut, andere als Wohnräume. Doch von der Rezession und der Krise am Berliner Immobilienmarkt blieben auch diese Projekte nicht verschont. Bauträger ohne reichlich Eigenkapital bekommen keinen Kredit für neue Projekte. Anbieter fertiggestellter Lofts klagen über die Zurückhaltung potenzieller Käufer. Dabei bieten die Bauträger Liebhabern historischer Gemäuer schon längst erschwinglichere Objekte an: Lofts mit 350 Quadratmetern sind die Ausnahme, meistens werden kleinere, preiswertere Einheiten angeboten.

Mehrstöckige Industriegebäude aus den Gründerjahren zwischen 1870 und 1900 mit ihren oft kunstvollen Ziegelfassaden und Torbögen sind bis heute einer der architektonischen Trümpfe der Hauptstadt. Fabrikgebäude, Lagerhallen, Kraft- und Umspannwerke, Schlachthöfe: Noch immer sind diese Zeugen der Blütezeit der Berliner Industriearchitektur auf dem Markt zu haben. Überall in bester Innenstadtlage, nicht selten mit eigenem Anschluss an das Berliner Wasserstraßennetz, rotten sie vor sich hin. Unter ihren maroden Dächern haben Tauben ihre Nester gebaut. Dabei ist die Bausubstanz oft gut erhalten: Die dicken Ziegelmauern hielten und halten manchem Sturm stand.

Der Charme des Unvollendeten

Ende der 70er Jahre, als der Senat die Hoffnung aufgab, dass sich noch einmal Industriebetriebe in den alten Bauten ansiedeln würden, wurden die Fabriken von Künstlern und Studenten entdeckt. 350, 500 oder gar 1000 Quadratmeter waren günstig zu haben, und mit Enthusiasmus wurden Wohnungen abgeteilt und Bäder eingebaut. Unverputztes Mauerwerk, gusseiserne Stützpfeiler, Betonböden, offen liegende Leitungen und Rohre prägten den rauen Charme der Loft-Szene der 80er Jahre. In den oft spartanisch eingerichteten Wohnungen mit ihren offenen Bädern und Küchen wohnten Individualisten, bei denen Arbeiten und Wohnen ineinander übergingen. In den 90er Jahren entdeckten im Boom der New Economy auch die Wohlbetuchten den Luxus der großen Räume. Die private Wohnung wurde zum Showroom für beruflichen Erfolg. Dieser Trend hält an.

Zwar ist auf dem darniederliegenden Berliner Wohnungsmarkt die Konkurrenz zu den Lofts groß: Dachgeschosswohnungen und freistehende Einfamilienhäuser locken mit Spottpreisen. Dennoch werden immer weitere Fabrikgebäude ausgebaut. Matthias Büttner, Vertriebsleiter der Epcon Immobilien, ist sicher: „Mikrostandorte, die ein besonderes Wohngefühl bieten, sind noch immer attraktiv.“ In der Drahtzaunfabrik in Friedrichshagen, die von seiner Firma vertrieben wird, wird heftig gebaut, das Gebäude ist mittlerweile völlig entkernt.

Luxuslofts sind heute gefragt

Ingo Damaschke, Geschäftsführer der Asset-Firmengruppe, die die Wollgarnfabrik in Friedrichshain umbauen will, beklagt dagegen eine allgemeine Lähmung auf dem Markt: „Zurzeit sind sogar die Gutverdienenden verunsichert und zögern mit der Investition, weil sie fürchten, in eine andere Stadt versetzt zu werden oder den Arbeitsplatz zu verlieren.“ Auch die Asset-Gruppe hat sich an den neuen Marktbedingungen orientiert und die Grundrisse der Lofts verkleinert. Deren Kaufinteressenten arbeiteten oft für internationale Konzerne, für Banken oder im IT- und Medienbereich. Doch: „Berlin ist nicht London oder New York. Es gibt hier viel weniger klassische Loftmenschen.“ Zu der Klientel zählen laut Damaschke auch Kapitalanleger, die nicht selbst einziehen und sich die höheren Steuervorteile zu nutze machen: zehn Prozent der von Denkmalpfleger anerkannten Wiederherstellungskosten können sie jährlich, zehn Jahre lang, vom zu versteuernden Einkommen abziehen. Sie bevorzugen kleine, leichter vermietbare Lofts.

Der Umbau zu kleineren Wohnungen bringt manche Probleme mit sich. Oft dringt das Licht trotz der riesigen Fenster nicht bis in die Tiefe der Hallen hinein. Deshalb werden dort gerne Küchenzeilen, fensterlose Bäder und Hauswirtschaftsräume eingerichtet. Auch sind die Hallen oft nur von einer Seite erschlossen, was Durchgangszimmer oder eben ungeteilte Wohnräume erforderlich macht. Der Anbau von Balkonen an den denkmalgeschützten Fassaden muss den Denkmalämtern oft mühselig abgerungen werden. Mit außen angebrachten Stahlkonstruktionen wurde jedoch mancher sinnvolle Kompromiss gefunden.

Nachteile wie diese stehen Vorteile gegenüber, sind doch die Lofts nicht nur im Innern attraktiv: Die Innenhöfe verfügen oft über schmucke Fassaden, wenn auch nur wenige mit einem ähnlichen Aufwand wie bei den Hackeschen Höfen in Mitte wiederhergestellt und durch Cafés und Galerien zu Publikumsmagneten werden. Die Bilder von Licht durchfluteten Lofts und unbürgerlichen Leben prägen jedoch zunehmend auch die Wohnwünsche ganz normaler Berliner Familien. Großzügig wollen heute alle leben.

Einer von denen, die sich gezielt an diese Kundengruppe wenden will, ist der Berliner Projektentwickler Matthias Roß. In der Kreuzberger Ritterstraße entdeckte er die unter Asbestplatten versteckte prachtvolle Fassade der ehemaligen Armaturenfabrik Butzke, Baujahr 1875. Zusammen mit den Architekten Barbara Mohren und Conrad Ufer entwickelte er ein Konzept für die Ritterhöfe: Neben klassischen Lofts mit bis zu 280 Quadratmetern sollten kleinere Wohneinheiten von 70 bis 120 Quadratmetern entstehen: Altersgerechtes und barrierefreies Wohnen hieß die Parole. Schließlich haben die Fabriketagen im Gegensatz zu manchem Dachgeschoss in der Regel bereits einen Fahrstuhl, viele sind mit ihren Rampen und ausladenden Türen von vornherein rollstuhlgerecht ausgelegt. Über außen angebrachte Laubengänge sollten die Wohnungen erschlossen werden.

Um sein 20-Millionen-Projekt zu stemmen, setzte Roß nach dem Muster der Selbsthilfeprojekte der 80er Jahre auf die Finanzierung vieler kleiner Einzelprojekte durch die späteren Loftbewohner selbst. Der Verzicht auf einen Bauträger sollte die Kosten um 25 Prozent senken – damit rückte das Loft auch für Normalverdiener in erschwingliche Nähe. Doch nach langen Verhandlungen zog sich der gegenwärtige Eigentümer zurück. Er hätte vor Fertigstellung der Wohnungen einen Teil der Kosten vorfinanzieren müssen. Das Risiko war ihm zu hoch. Derzeit finanziert jedoch keine Bank den Umbau von Fabrikgebäuden zu Loftwohnungen, wenn nicht ein Bauträger viel Eigenkapital mitbringt. Das ärgert Roß: „Wenn jemand keinen Kredit bekommt, nutzen ihm die niedrigen Zinsen gar nichts!“

Rita Gudermann

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