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Immobilien: Mächtig Holz in der Hütte

In Prenzlauer Berg entsteht das wohl weltweit erste siebenstöckige Wohnhaus, das ganz aus dem Naturbaustoff besteht.

Sein Schwiegervater, ein Architekt, hatte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen: „Ihr zieht in ein Holzhaus? Mit sieben Etagen? Unmöglich.“ Heute ist die Skepsis des alten Herrn der Neugier gewichen – das erzählt Carsten Probst amüsiert. Der Kunstkritiker und seine Frau bilden eine von sieben Parteien der Baugruppe, die das Wagnis eingegangen sind. Bis März kommenden Jahres muss sich Probsts Schwiegervater noch gedulden. Dann soll das Mehrfamilienhaus an der Esmarchstraße 3 fertig sein – ein Holzhaus inmitten der frisch sanierten Stuckaltbauten Prenzlauer Bergs.

Mit dem Projekt wollen die Bauherren ihren Wunsch nach einem gesunden, energiesparenden und nachhaltigen Domizil umsetzen, das zudem attraktiv und bezahlbar ist. Zunächst nur zu dritt suchten die ersten Paare vor zwei Jahren ein passendes Grundstück. Die Idee des Baugruppenmodells schien ihnen genau die richtige zu sein: geringere Kosten als mit Investorenbeteiligung, mehr Mitsprache bei der Gestaltung, individuelle Grundrisse. Dazu noch Flächen, die man gemeinsam nutzt, wie Dachterrasse und Garten. Durch Mundpropaganda und Zettel, mit denen sie Prenzlauer Berg und Friedrichshain gespickt hatte, wurde die „Baugruppe e3“ schnell komplett. Wenn auch einige potenzielle Mitstreiter absprangen, weil ihnen schließlich Mut oder Zeit fehlten.

Mit Tom Kaden und Tom Klingbeil fand man auch die Experten, die man gesucht hatte. Das junge Architekten-Team hat Erfahrung im Holzbau und schon etliche Ein- und Mehrfamilienhäuser in Berlin und Brandenburg entworfen. Inzwischen sind sie selbst als Bauherren mit eingestiegen. Wenn jetzt in der Baulücke Esmarchstraße 3 die Handwerker anrücken, sind sie bei einem Pilotprojekt dabei. Der Entwurf ist wohl weltweit der erste für ein siebengeschossiges Holzhaus. Dafür mussten Kaden und Klingbeil einige Nüsse knacken.

Zwei der härtesten: Brandschutz und Statik. Fünfgeschosser aus Holz sind bislang gemäß Berliner Landesbauordnung schon erlaubt. Schließlich favorisieren immer mehr Architekten den nachwachsenden Rohstoff mit den guten Dämmeigenschaften. Für die geplanten sieben Etagen bedurfte es jedoch eines ausgeklügelten Konzeptes. Das entwickelte ein Ingenieurbüro und stimmte es mit der Feuerwehr ab. Es gibt Rauchmelder in jeder Wohnung, mit nichtbrennbaren Baustoffen verkapselte Wände und ein holzfreies Treppenhaus aus Stahlbeton.

Mit letzterem wird die Idee des Holzgebäudes jedoch nicht verwässert. Denn: das Treppenhaus steht mit einigem Abstand neben dem Gebäude. Über Stahlbetonbrücken sind beide miteinander verbunden. Das bietet nicht nur Vorteile beim Feuerschutz, sondern verschafft dem Gebäude noch eine dritte Fassade, durch die Licht in die 120 bis 150 Quadratmeter großen Wohnungen fällt. Auch die Vorderfront des Objektes bekommt durch die Unterbrechung eine luftige Anmutung. Dazu gibt es Einschnitte mit kleinen Gemeinschaftsterrassen. Der Fahrstuhl befindet sich auf der Rückseite des Hauses, ebenso wie die Balkone.

Trotz der Holzbauweise wird das Gebäude keine Blockhausromantik ausstrahlen. Die Fassade ist verputzt. Das Tragwerk des Hauses besteht komplett aus Brettschichtholz, ebenso wie Außenwände und Geschossdecken. Die so genannte Pfosten-Riegel-Konstruktion aus Holz spart Kosten und Zeit; denn Fassaden und Deckenelemente werden vorgefertigt, acht individuell angefertigte Stahlknoten verbinden die horizontalen Riegel und die vertikalen Pfosten. Nur die Medienschächte bestehen aus U-förmigen Betonfertigteilen. Um diese herum können in dem stützenfreien Innenraum die Grundrisse frei drapiert werden: eine kinderfreundliche Mehrzimmerwohnung oder ein wandloses Loft.

Zwischen 1 900 und 2 200 Euro je Quadratmeter für den kompletten Neubau, Grundstück und Nebenkosten inklusive, haben die Bauherren kalkuliert. Die geringen Betriebskosten werden ihnen langfristig Freude machen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau hat das Projekt als „KfW-40-Haus“ eingestuft, mit einem förderungswürdigen Energiebedarf von bis zu 40 Kilowattstunden je Quadratmeter Nutzfläche pro Jahr. „300 bis 350 Euro pro Jahr werden für Heizung und Warmwasser für eine 150-Quadratmeter-Wohnung reichen“, schätzt Kaden.

Etliche Banken bewerten die Holzhäuser inzwischen höher als Massivbauten. Für die Esmarchstraße hatten sich die Bauherren acht Angebote geholt. Wohl kein Zufall: Das günstigste unterbreitete die Umweltbank und lag weit unter dem Vorschlag einer deutschen Großbank.

In zehn Wochen können Carsten Probst und Familie schon mal den Rohbau begutachten. Und wenn im kommenden März die Esmarchstraße 3 steht, ist vielleicht schon das zweite Holzmehrfamilienhaus von Kaden und Klingbeil gestartet: in der Pankower Uhlandstraße.

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