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Immobilien: Maßanzug zum Preis von Konfektionsware

Architektenhäuser sind oft schon zum Preis von Reihenhäusern zu haben. Und die Baumeister haben mangels anderer Aufträge auch wieder Freude an dieser schlecht honorierten Aufgabe. Oft entstehen so Häuser mit individuellem Zuschnitt auf den Bauherrn

Einige Architekten sagen: Das Entwerfen eines Einfamilienhauses für einen privaten Bauherrn ist wie eine Psychotherapie. Der Architekt muss sich viel Zeit nehmen, gut zuhören – und die verborgenen Wünsche seines Auftraggebers erraten. Das gelingt nicht jedem. Einstweilen zerstreiten sich Bauherren und Auftragnehmer. Doch oft entstehen dabei Eigenheime, die es so nur ein einziges Mal gibt, unverwechselbar und Maß geschneidert.

Deshalb steht das frei stehende Architektenhaus wohl auch ganz oben auf der Liste der Begehrlichkeiten in Deutschland. Da trifft es sich gut, dass der ganz große Bauboom vorbei ist, und die Architekten in Ermangelung anderer Aufträge sich nun auch mal wieder dieser Aufgaben annehmen. Widerwillen ist nur noch selten dabei – zumal so mancher Star der Gilde durch Eigenheime zu Weltruhm gelangte: Philip Johnson oder Egon Eiermann, Baumeister der Gedächtniskirche. Der Preis des Ruhms: Viel zu verdienen gibt es für die Architekten dabei nicht – zur Freude der Bauherren, für die ein Auftragswerk oft nicht teurer kommen muss als ein Fertighaus.

„Fast jeder Kollege baut derzeit ein Eigenheim“, sagt Christine Edmaier, „das ist im Trend“, so die Vorsitzende des Landesverbands beim Bund Deutscher Architekten. In ihren Auftragsbüchern stehen gerade zwei Projekte. Ein „ganz normales Einfamilienhaus“, dessen Budget dem Preis eines Fertighauses entspreche. Und eine kostspielige Villa mit Schwimmbad und viel Glas.

Viel verdient sie an den beiden Projekten nicht. Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure legt fest, dass diese zehn Prozent der Auftragssumme erhalten. Das ist wenig bei preiswerten Eigenheimen, zumal die Architekten dafür nicht nur den Entwurf zeichnen, sondern auch dessen Realisierung planen und die Bauarbeiten begleiten – ein Jahr streicht dabei schnell ins Land.

Für Bauherren wird das ein geringer Trost sein. Mancher versucht aus der schlechten Auftragslage bei Architekten, zusätzlich Kapital zu schlagen. Dem Bund Deutscher Architekten sind Fälle bekannt, wo Aufträge zu festen Preisen ohne Rücksicht auf die Honorarordnung vergeben werden. Dieses Honorardumping gehe oft auf Kosten der Qualität.

Eine andere Möglichkeit, die Architektenkosten zu drücken, ist ganz legal: Der Bauherr kauft dem Architekten einen älteren bereits realisierten Entwurf ab. „Das ist grundsätzlich möglich, weil die Rechte an dem Entwurf beim Architekten liegen“, sagt Kay Wieland, Mitglied der Vertreterversammlung der Architektenkammer. Der erste Entwurfs-Clone sei für die Hälfte des ursprünglichen Honorars zu haben, die dritte und jede weitere Duplizierung kostet nur noch 40 Prozent des Honorars. In der Praxis ist der multiple Verkauf eines Entwurfes selten. Das hat mit Rücksichtnahme gegenüber dem ersten Auftraggeber zu tun: „Ohne dessen Zustimmung würde ich das gar nicht tun“, sagt etwa Christine Edmaier. Ein anderer Grund liegt darin, dass jedes Architektenhaus in Form und Funktion von den Wünschen eines konkreten Auftraggebers abgeleitet ist – und genügt den Anforderungen anderer nicht. Und: Wer diese Individualität nicht braucht, entscheidet sich meistens für Standardkurse von Bauträgern oder Fertighausherstellern. Zumal diese Alternative den Vorteil bietet, dass man einen Gesamteindruck des künftigen Heims in Gestalt von Musterhäusern bekommt.

Dagegen stehen Form und Funktionen des Architektenhauses zunächst nicht fest. Sie sind vielmehr Ergebnis von Gesprächen zwischen Bauherrn und Auftragnehmer. Walter Nägeli, der in Frohnau Eigenheime errichtet hat, vergleicht diesen Prozess mit einer Therapie, wobei die Suche nach Bedürfnissen des Bauherrn nicht immer ohne Erregung und Emotionen vonstatten gehe. Das ist nicht jedermanns Sache, und vielleicht bewog dies auch Sir Norman Foster, Architekt beim Umbau des Reichstages, dazu, einmal zu sagen: „Bevor ich ein Eigenheim bauen würde, müsste der Auftraggeber in meinem Büro eine Woche lang Entwürfe mit seinen Ideen zeichnen.“

Dass die Suche nach einem Kompromiss schwierig ist, liegt auf der Hand: Es gibt viele Wünsche, „aber das Budget ist immer begrenzt“, sagt Wieland. Fast alle Bauherren, so berichten Architekten übereinstimmend, wünschen sich ein großes Badezimmer. Doch viel Fläche hier hat weniger Raum in anderen Teilen des Hauses zur Folge – im Kinderzimmer etwa. Denn je größer das Haus ist, desto höher sind die Baukosten.

Eine pfiffige Lösung hat Christine Edmaier gefunden: Sie hat bei einem Entwurf für ein Eigenheim in Schönwalde die kleineren Badezimmer in einem Riegel an den Rand des Hauses platziert und durch Schiebetüren von den Wohnräumen getrennt. Schiebt man die Türen ganz auf, dann wird das Bad Teil des Wohnzimmers – mit freiem Blick aus der voll verglasten Südfront des Hauses.

Maßgeschneidert auf die Bedürfnisse seines Auftraggebers ist der Entwurf des Büros Eckert, Negwer, Suselbeek (ENS). Hier wurde die Wohnung im Dachgeschoss so angelegt, dass es nach dem Auszug der ältesten Tochter vom Rest des Hauses abgeteilt, vermietet oder auch verkauft werden kann.

Das Eigenheim mit dem zarten orange-rosafarbenen Anstrich steht in Klein-Machnow – und verfügt über ein Satteldach. Für viele Architekten zählt das zu den indiskutablen, weil unzeitgemäßen Baumerkmalen. Doch die Gemeinde schrieb diese Gestaltung vor. Der Baupreis war mit 1700 Euro je Quadratmeter Wohnfläche nicht ganz gering. Die höheren Kosten sind auf die Wahl der Materialien und der Baufirmen zurückzuführen. Fenster und Türen sind Einzelanfertigungen, Es gibt Böden aus Eiche und Naturstein. Alle Gewerke wurden von Potsdamer Handwerkern ausgeführt – „die arbeiten präzise, weil sie dies von der Restaurierung von Baudenkmälern gewohnt sind“, sagt Architekt Hubertus Negwer.

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