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Alles für den Müll. Mietnomaden hinterlassen Wohnungen oft im Chaos. Foto: Caro

© Caro / Oberhaeuser

Mietnomaden: Wohnen zum Nulltarif

Wer nicht zahlen will, bekommt die Kündigung. Doch so einfach wird man Mietnomaden nicht los

Er ist der Liebling der Medien und der Schrecken der Vermieter: der sogenannte Mietnomade – also jener Mensch, der eine Wohnung mietet, ohne jemals daran zu denken, Miete zu bezahlen. Ihn wieder loszuwerden kostet den Vermieter viel Zeit und starke Nerven – und am Ende, wenn der ungeliebte Bewohner endlich ausgezogen ist, muss der Eigentümer damit rechnen, die Wohnung in einem verwüsteten Zustand vorzufinden.

Der Schaden für die betroffenen Eigentümer kann immens sein. Nach Angaben von Jens-Ulrich Kießling, Wohnungsverwalter in Hannover und Präsident des Immobilienverbandes Deutschland (IVD), summieren sich Mietausfälle, Anwalts- und Gerichtsvollzieherkosten sowie Ausgaben für die Wiederherrichtung der Wohnung oft auf 30 000 bis 50 000 Euro. Von 25 000 bis 30 000 Euro spricht der Verband Haus & Grund, in dem Privatvermieter organisiert sind.

Nur: Wie viele dieser Mietnomaden in Deutschland tatsächlich unterwegs sind, weiß niemand. Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist für das Jahr 2008 rund 10 000 Fälle des „Einmietbetrugs“ auf – doch diese Zahl hilft nicht weiter, da sie hauptsächlich Hotelgäste erfasst, die ihre Zimmerrechnung nicht beglichen haben. Haus & Grund geht von jährlich 15 000 Fällen des Mietnomadentums in Deutschland aus, der IVD von 20 000 bis 22 000. In Berlin könnten es dieser Schätzung zufolge gut 1000 Fälle sein.

Dagegen glaubt der Deutsche Mieterbund (DMB), dass jährlich in ganz Deutschland nur 1000 Mietnomaden ihr Unwesen treiben. Auch dem Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) „sind in Berlin kaum Fälle von Mietnomadentum bekannt“, wie BBU-Vorstandsmitglied Maren Kern sagt. Allerdings sind professionelle Vermieter, wie sie im BBU organisiert sind, auch nach Darstellung der Vertreter von IVD und Haus & Grund weniger betroffen. Eine existenzielle Gefahr bedeuteten Mietnomaden jedoch für kleine Privatvermieter.

Deren Nöten will sich auch die Bundesregierung annehmen. In ihrem Koalitionsvertrag hat sie angekündigt, sie werde „dem Mietnomadentum wirksam begegnen“. Aus Sicht der Interessenvertreter der Vermieter ist es dabei in erster Linie erforderlich, die Frist zwischen Kündigung und Räumung zu verkürzen. „Das Mietrecht und das Vollstreckungsrecht verleiten den zahlungsunwilligen Mieter dazu, einfach abzuwarten“, sagt Rechtsanwalt Uwe Bethge, der im Auftrag des IVD Vorschläge für eine Änderung des Mietrechts erarbeitet hat. Laut IVD dauert es heute bis zu 18 Monate bis zur Räumung. „Durch unseren Gesetzentwurf könnte sich dieser Zeitraum halbieren“, sagt IVD-Präsident Kießling.

Gekündigt werden kann ein Mietverhältnis nach heutiger Gesetzeslage, wenn der Mieter mit zwei Monatsmieten im Rückstand ist oder innerhalb von zwei aufeinanderfolgenden Monaten mit einem Betrag von mehr als einer Monatsmiete im Verzug ist. Künftig soll nach den Vorstellungen des IVD der Vermieter das Mietverhältnis bereits dann kündigen dürfen, wenn der Mieter die Mietkaution nicht leistet. Hintergrund ist, dass Mietnomaden nach Beobachtung der Vermieter häufig von Anfang an weder Kaution noch Miete überweisen.

Außerdem soll das Räumungsverfahren nach der Kündigung beschleunigt werden. Während heute die zweimonatige Schonfrist – sie erlaubt es dem Mieter, seine Mietrückstände zu begleichen und damit die Kündigung abzuwenden – erst mit Zustellung der Räumungsklage beginnt, soll sie laut IVD künftig bereits mit dem Zugang der Kündigung einsetzen.

Noch weiter als der IVD geht der Verband Haus & Grund. In einem eigenen Forderungskatalog schlägt er vor, dem Vermieter die Möglichkeit einzuräumen, durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung an die nicht gezahlte Miete zu kommen. Zulässig sein soll dies sogar dann, wenn der Mieter die Miete zwar bezahlt, aber gegen den Willen des Vermieters gemindert hat. Dieser Vorschlag geht selbst dem IVD zu weit: Er birgt laut IVD-Bundesgeschäftsführer Sven R. Johns die Gefahr, dass Vermieter diese Regelung ausnutzen, um gegen missliebige Mieter vorzugehen.

Der Deutsche Mieterbund lehnt jedoch auch schon die IVD-Vorschläge strikt ab. „Hier werden unter dem Deckmäntelchen des Mietnomadentums massive Eingriffe in das soziale Mietrecht insgesamt vorgeschlagen“, wettert DMB-Direktor Lukas Siebenkotten. Dabei gehe es „weniger um eine Lösung des Problems der Wohnungsbetrüger als vielmehr um Änderungen der Rechtslage zu Lasten aller Mieter“.

Auf jeden Fall sind bereits heute Vermieter betrügerischen Mietern keineswegs schutzlos ausgeliefert. Denn auch nach geltender Gesetzeslage kann der Eigentümer die Zahlung der ersten Monatsmiete verlangen, bevor er die Wohnung übergibt. Die IVD-Experten raten zudem, vom potenziellen Mieter eine Schufa-Selbstauskunft einzufordern und seinen Personalausweis zu kopieren. Keine Empfehlung geben die Verbandsvertreter dagegen für die verschiedenen Formen einer „Mietnomadenversicherung“ ab, wie sie einzelne Versicherungsmakler anbieten.

Etwas aber sollten vorsichtige Vermieter tunlichst vermeiden: sich auf das Äußere der Mietinteressenten zu verlassen. „Mietnomaden“, stellt Rechtsanwalt Bethge fest, „treten in der Regel gut gekleidet und eloquent auf.“

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