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Immobilien: Milliardenpoker in Mainhattan

Vom ehemaligen Hauptgüterbahnhof ist nichts mehr zu sehen. Wochenlang haben ungezählte Bagger Hallen und Schuppen eingerissen, Gleise aus dem Boden gezogen und Bahnsteige eingeebnet.

Vom ehemaligen Hauptgüterbahnhof ist nichts mehr zu sehen. Wochenlang haben ungezählte Bagger Hallen und Schuppen eingerissen, Gleise aus dem Boden gezogen und Bahnsteige eingeebnet. Jetzt durchzieht die Bahnlinie von Frankfurt (Main) in Richtung Gießen das Gelände, das etwa 300 Meter breit ist und sich auf einer Länge von gut zwei Kilometern erstreckt. Und das direkt hinter dem Frankfurter Messeturm und der Festhalle, nur wenige hundert Meter vom Hauptbahnhof entfernt. Gut 70 Hektar in bester Innenstadtlage.Noch harrt es der Bebauung. Und bis vor wenigen Tagen war sich selbst Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) sicher, daß dies noch einige Zeit so bleiben würde. Pläne hat die Stadt zwar durchaus, Modelle liegen auf dem Tisch, und auch die Frankfurter Messegesellschaft würde gerne expandieren. Aber ausgerechnet in Deutschlands Bankenmetropole war völlig unklar, wo das notwendige Kleingeld herkommen sollte.Seit Mitte vergangener Woche ist alles anders. Im Frankfurter Römer, wo der Magistrat residiert, herrscht hektische Betriebsamkeit. Auslöser ist die Deutsche Bank. Genauer gesagt, die Pläne des Geldhauses für ein Städtebauprojekt, das, sollte es Wirklichkeit werden, in Europa seinesgleichen suchen würde. Selbst die Bauten am Potsdamer Platz in Berlin würden in den Schatten gestellt, so die Ankündigung. Doch in der Stadtverwaltung Frankfurt hält sich die Begeisterung in Grenzen. Dort wurde man von den Plänen offenbar völlig überrumpelt.Die Banker basteln schon seit März an den Plänen, die auch für das größte Geldhaus der Welt kein Pappenstiel sind. Schließlich geht es um ein Projekt von sechs Mrd. DM. Wer nun Vater der Idee ist, läßt sich schwer ausmachen. Es waren wohl clevere Immobilienexperten der Bank, die dem Vorstand den Floh ins Ohr setzten und in Vorstandssprecher Rolf Breuer einen Fürsprecher fanden. Aus mehreren Gründen: Das Vorhaben verspricht offenbar erheblichen Profit, es fördert das Renommee der Bank, und Breuer mag die Stadt. Als einer der wenigen Top-Banker wohnt er unweit des Zentrums im Stadtteil Sachsenhausen.Zugleich hat die Bank einen prominenten Architekten engagiert: Helmut Jahn, gebürtiger Nürnberger und seit Jahrzehnten in Chicago beheimatet. In Deutschland zählen das Sony-Center am Potsdamer Platz, aber auch der Frankfurter Messeturm zu seinen Renommierprojekten. Als die Bank den 59jährigen Architekten im März in den Plan der "Messestadt" - so der vorläufige Name des Milliarden-Projektes - einweihte, war er begeistert. Noch auf dem Rückflug nach Chicago entstanden erste Skizzen. Mittlerweile hat Jahn das Konzept ausgefeilt: Stadthaus, Einkaufszentrum, eine Mehrzweckhalle, ein neues Fußballstadion, Messehallen, ein Park, Büros und Wohnungen sollen entstehen, eine U-Bahn soll das Gelände an das öffentliche Nahverkehrsnetz anschließen. In acht bis zehn Jahren könnte alles fertig sein. Jahn will etwas nach Frankfurt bringen, "was Frankfurt nicht hat". Und die Deutsche Bank bringt das Geld mit und trägt, wie Pressesprecher Walter Schumacher betont, das volle unternehmerische Risiko.Daß sich die Begeisterung in der Stadtverwaltung dennoch in Grenzen hält, hat sich das Geldhaus allerdings selbst zuzuschreiben. Erst Mitte Juni informierten die Banker die Oberbürgermeisterin, erst vergangene Woche bewegte sich Stararchitekt Jahn von Chicago an den Main, um Frau Roth und Planungsdezernent Martin Wentz (SPD) seine Pläne zu erläutern. Sehr ausführlich allerdings war das nicht, Daten jedenfalls konnte der Architekt nicht liefern. Diese Woche klingelte Wentz erneut bei der Deutschen Bank an und bat um exakte Ziffern - ohne Erfolg. Noch ziert sich die Bank. Warum, weiß offiziell niemand.Die Stadt jedenfalls steckt in der Bredouille. Eigentlich sollte auf dem Gelände nach den Plänen der Stadt das erste "Urban Entertainment Center" in Deutschland entstehen - für bescheidene 1,5 Mrd. DM. Geplant ist ein Einkaufs- und Freizeitzentrum, mit Kinos, Restaurants, Fitnesszentrum, Hotels und nicht zuletzt einem Musicaltheater mit 1800 Plätzen. Der "König der Löwen" soll als erstes Stück auf dem Spielplan stehen. "Auf dem Reißbrett ist alles fertig", sagt Magistrats-Sprecher Peter Wehrli. Die Stadtverordneten hatten zudem den Plan abgesegnet, das in die Jahre gekommene Waldstadion komplett zu erneuern. Auch dies wird jetzt durch das von der Deutschen Bank projektierte neue Stadion in der "Messestadt" in Frage gestellt - genauso wie die von der Messegesellschaft als dringend notwendig erachtete Erweiterung ihres Areals. "Zwar liegen die Pläne noch nicht vor, aber der erste Blick zeigt, daß sie nicht mit den bisherigen Beschlüssen des Magistrats und der Stadtverordneten-Versammlung übereinstimmen", teilten Oberbürgermeisterin und Planungsdezernent trocken und in seltener Einmütigkeit mit. Sie fühlen sich zumindest ein wenig überfahren. Aber natürlich gibt es auch viele Stimmen, auf die die Deutsche Bank zählt: Es sei eine Riesenchance für die Stadt, heißt es aus Kreisen der SPD. CDU-Chef Udo Corts sieht in den Plänen einen Beleg dafür, "daß die Wirtschaft an Frankfurt glaubt und die Stadt Zukunft hat".Freilich: Noch gehört das Gelände der Deutschen Bahn und dem Bund, und es wird von der Bahntochter Eisenbahn-Immobilien Management GmbH verwaltet. Offiziell zeigt man sich dort von den Plänen der Bank "völlig überrascht". Doch angeblich haben sich Bank-Chef Breuer und Bahn-Chef Johannes Ludewig schon verständigt. Verständlich: Die Bahn braucht jeden Pfennig.Der besondere Reiz der "Messestadt" liegt vor allem in der schon vorab geklärten Frage der Finanzen. Sechs Mrd. DM sind eine gewaltige Summe, die Frankfurt nicht hat. Für die Deutsche Bank sind es zwar keine "Peanuts", aber trotzdem ein Betrag, den Breuer und Co. stemmen können - zumal er Gewinn verspricht. Daß darüberhinaus ein Stararchitekt wie Helmut Jahn "Mainhattan" ein neues Aushängeschild verschaffen würde, dürfte die Verantwortlichen im Magistrat schwach werden lassen. Den Bahnreisenden könnte sich spätestens in zehn Jahren ein hübscherer Anblick bieten als heute. Statt Bahn-Brache eine Messestadt. Eben das, was Frankfurt noch nicht hat.

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