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Immobilien: Monopoly am Kurfürstendamm

An der teuersten Meile der Hauptstadt geben viele Privateigentümer das riskante Immobiliengeschäft auf – und Fonds steigen ein

Das Gebäude am Kurfürstendamm 188-199 zieht die Blicke von Passanten auf sich. Die Fassade ist zwar ein wenig überladen. Doch sie ist von jener Mischung historischer Baustile geprägt, die für die Berliner Gründerzeit typisch war – und die man heute wieder gerne sieht. Da sind gebrochene Giebel und mächtige Doppelsäulen, das Gebäude hat eine aus dem Häuserblock hervorragende Mittelachse, die die Vertikale betont. Und natürlich fehlt es nicht an Stuck und Reliefs, die an Altbauten so geschätzt werden, weil man darin noch „ehrliches Handwerk“ zu erkennen glaubt.

Und es war auch wirklich ein Handwerker und Architekt, der sich Anfang des verganenen Jahrhunderts mit dieser Immobilie ein Denkmal setzte. Josef Bering war es, der hier sein „Mietzinshaus“ errichtete, um ein Auskommen für den wohlverdienten Lebensabend zu haben. Später wurde das Haus am Kurfürstendamm Teil des Familienerbes: Nach dem Tode des Patriarchen ging es an dessen Tochter, die es ihrerseits an ihre zwei Töchter vererbte. Anfang des 21.Jahrhunderts riss dann die Erbschaftskette. Die Nachfahren des Maurermeisters verkauften das Haus – an einen professionellen ImmobilienEntwickler. Und die geborenen Berings sind nicht die einzige Privateigentümer, die ihre Immobilie an der ersten Adresse der Hauptstadt jüngst verkauften.

„Private Eigentümer, die jetzt verkaufen, treffen eine kluge Entscheidung“, sagt Frank Orthen, „denn die institutionellen Kapitalanleger haben zurzeit viel Geld und suchen sichere Anlagen.“ Für den Makler und Berater sind Geschäfte wie diese typisch für den Wandel der Eigentümerstruktur an der noblen Hauptstadtmeile: Weil private Eigentümer das Risiko großer Investitionen in ihren Immobilienbesitz scheuen, ziehen sich sich aus dem Geschäft zurück. Sind die Geschäftshäuser gut vermietet, übernimmt oft eine der großen Kapitalsammelstellen das Objekt, ein Fonds. Dann folgt die „Optimierung“: Anbauten, Umbauten, Neubauten, um die vermietbare Fläche zu vergrößern und die Haustechnik auf den neusten Stand zu bringen. Das soll eine Vermietung zu höheren Preisen möglich machen und dies wiederum erhöht den Wert des Objektes.

Das Ku’damm-Karre ist verkauft

Im Geschäft mit Kurfürstendamm-Immobilien sind die Deutsche Bank und ihre Fonds-Töchter äußerst aktiv. Sie hat auch das so genannte Kurfürstendamm-Karree erworben. Das Gebäude war in den 1960er Jahren errichtet und vor knapp zehn Jahren aufwändig erneuert worden. Auch diese Immobilie war Eigentum eines Privatmannes, Raffi Roth, der ein unwiederstehliches Angebot für sein Eigentum erhalten haben soll.

Roth dürfte auch deshalb zum richtigen Zeitpunkt den Absprung geschafft haben, weil einer seiner vielleicht wichtigsten Mieter von Büroflächen im Gebäude in naher Zukunft ausziehen wird: Die Unternehmensberatungs-Firma KPMG. Sie baut eine eigene Immobilie am Klingelhöfer Dreieck. Und es wird schwierig, dann einen neuen Mieter zu finden für diese Büroflächen: „Wir müssen uns an einen hohen Leerstand von Gewerbeimmobilien in der Stadt gewöhnen“, sagt Orthen, „die Zahl unvermieter Büroflächen wird einen festen Sockel bilden, ähnlich wie die Zahl der Arbeitslosen.“

Mit dieser düsteren Prognose steht der Berater nicht allein da. In dem Marktbericht der Deutschen Gesellschaft für Immobilienfonds, die zur Allianz Dresdner Gruppe gehört, ist von einer anhaltenden „Korrektur der Marktübertreibung“ die Rede. Soll heißen: Zu viele Immobilien wurden zu schnell errichtet, so dass das Angebot die Nachfrage übersteigt. Die Folge: Die zunächst hohen Mietpreise und Immobilienwerte werden fortlaufend nach unten korrigiert.

Aufgrund dieser Entwicklung hatten Analysten der Degi sogar in einer langfristbetrachtung Immobilien in Berlin eine „Nullrendite“ zugeschrieben. Anders ausgedrückt: Wer sein Kapital 2004 in Betongold investiert, hat bis heue nicht einen Cent Zinsen kassiert.

Doch wie es mit Statistiken so ist, hat auch diese Berechnung einen Haken: Sie ermittelt die Rendite aufgrund der erzielbaren Spitzenmieten in der Stadt. Das ist ein rein rechnerischer Wert. Konkrete Immobilien werden dagegen auf Grundlage der Erträge von vertraglich vereinbarter, langfristiger Mietverträge gehandelt. Wer ein Objekt günstig entwickelt hat und langfristig zu einem rentablen Preis vermietet hat, muss sich um solche Statistiken nicht kümmern – wer dieses Glück hatte, hat gute Chancen, die Immobilie trotz der Krise gewinnbringend zu verkaufen.

Doch solche Objekte sind selten, weil Immobilien in den 1990er Jahren in Berlin von wenigen Ausnahmen abgesehen zu teuer gebaut und gehandelt wurden. „Es gibt zu wenig qualifizierte Immobilien“, sagt Sven Stricker. Darunter versteht der Berlin-Chef des Maklerhauses Atis-Real Müller gut genutzte Objekte mit bonitätsstarken Mieter. Den regen Immobilienhandel am Kurfürstendamm erklärt Stricker damit, dass die zentrale Lage vergleichsweise krisensicher sei. „In der heutigen Zeit werden Rundum-sorglos-Immobilien mit mäßigen Renditen bevorzugt gegenüber spekulativen Projekte mit hohen Ertragsschancen“, so Stricker.

Auch Christian Spilgies, Chef Gewerberaumvermietung bei DB-Immobilien, sagt über den Kurfürstendamm: „Hier funktioniert der Markt weitestgehend.“ Spilgies beobachtet auch reges Interesses von ausländischen Investoren. „Die gehen davon aus, dass der Berliner Immobilienmarkt entweder im Tal ist oder kurz davor steht“, so Spilgies. Geht diese Spekulation auf, und die Preise steigen wieder, dann steigt auch der Wert der Immobilien.

Darauf allein verlässt sich einer der Großinvestoren, der anglosächsische Fonds Blackstone, nach Ansicht von Marktbeobachtern nicht. Blackstone hat der Deutschen Bank ein ganzes Immobilienpaket abgekauft, in dem auch zwei Ku’damm-Immobilien stecken: die Postanschriften 28 und 30. Das eine ist eine Immobilie aus der Insolvenz-Masse des Pleitiers Jürgen Schneider, das andere ein als Filiale genutztes Objekt. Die Deutsche Bank will sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, Immobilien zählen nicht dazu. Für Blackstone dagegen schon.

Bei dem Käufer handelt es sich um einen so genannten „Opportunity-Fonds“. Diese investieren ihr Kapital zum Beispiel in größere Immobilienbestände mit dem Ziel, durch Investitionen und besseres Management den Wert der Objekte zu erhöhen. Dann folgt der Verkauf der Objekte, die man im Paket günstig erworben hatte, zum höheren „Einzelverkaufspreis“ – wenn die Rechnung aufgeht.

Zu den Käufern von Immobilien in Kurfürstendamm-Nähe zählt auch der Versicherungskonzern Axa. Dieser hat die Gewerbeobjekte an der Tauentzienstraße 7 sowie 7a übernommen. Versicherungsgesellschaften werden wie Pensionsfonds und Offene Immobilienfonds traditionell zu den „institutionellen Kapitalanlegern“ gezählt. Diese verwalten das Geld von Anlegern und unterliegen dabei, anders als beispielsweise geschlossene Immobilienfonds, der Kontrolle der Finanzdienstleistungsaufsicht. Daher legen sie in der Regel strenge Kriterien an die Auswahl der erworbenen Objekte.

Diesen Ansprüchen genügen am Kurfürstendamm eine größere Anzahl von Objekten als beispielsweise in der Friedrichstraße. Allen Unkenrufe zum Trotz hat die neue Mitte dem alten Berlin nicht den Rang ablaufen können.

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