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Immobilien: Nachdenken über den Schloßplatz

An diesem Ort, der die Mitte Berlins und damit die Mitte der Haupstadt und damit wiederum die Mitte Deutschlands markiert, muß unsere Zeit etwas zustande bringen, das Sinnbild dessen ist, was diese Stadt, dieser Staat darstellen willVON MONIKA ZIMMERMANN Frei kann nur gewählt werden, wenn die Wahlmöglichkeiten bekannt sind", schrieb der luxemburgische Architekt Leon Krier in seinem Beitrag zum Berliner Schloßplatz.Und auch Josef Paul Kleihues, der die Tagesspiegel-Serie resümierte, plädierte für ein gründliches Nachdenken.

An diesem Ort, der die Mitte Berlins und damit die Mitte der Haupstadt und damit wiederum die Mitte Deutschlands markiert, muß unsere Zeit etwas zustande bringen, das Sinnbild dessen ist, was diese Stadt, dieser Staat darstellen willVON MONIKA ZIMMERMANN Frei kann nur gewählt werden, wenn die Wahlmöglichkeiten bekannt sind", schrieb der luxemburgische Architekt Leon Krier in seinem Beitrag zum Berliner Schloßplatz.Und auch Josef Paul Kleihues, der die Tagesspiegel-Serie resümierte, plädierte für ein gründliches Nachdenken.Erst wenn man die Alternativen abgeklopft hat, kann man umso überzeugender für das eintreten, was man für die beste aller Lösungen hält.Krier tut das.Seine Zukunftsvision für den Berliner Schloßplatz sieht der Vergangenheit sehr ähnlich. Und doch - heute ist alles anders.Das Schloß, würde es denn wieder aufgebaut, könnte den Berlinern nicht per ordre de mufti vor die Nase gesetzt werden (vom wem auch?), es müßte heutzutage das Ergebnis einer breiten Willensbildung sein.Die demokratischen Regeln sehen zwar nicht vor, daß über Architektur abgestimmt wird, gleichwohl müßte über ein solch zentrales und aufwendiges Bauprojekt wohl ziemlicher Konsens hergestellt werden, sollte es nicht im heillosen Streit enden. Es ist gut möglich, daß - stimmte man heute darüber ab - eine Mehrheit der Berliner für den Wiederaufbau des Stadtschlosses wäre.Freilich könnte dies daran liegen, daß viele sich kaum etwas anders vorstellen können, jedenfalls nicht konkret genug, um zum Schloß eine Alternative zu sehen.Wie der Schloßplatz einmal war, das weiß man oder kennt es doch von Bildern.Wie er indes einmal werden könnte, dies sich auszumalen fällt vielen schwer - zumal die Moderne, in Ost wie in West, den Bürgern nicht gerade das Vertrauen eingeflößt hat, sie könne große Bau- und Stadtplanungsaufgaben so lösen, daß dabei für die Bewohner einer Stadt etwas Gutes herauskäme.Und die Gestaltung des Berliner Schloßplatzes ist zweifellos eine große Aufgabe - vielleicht die größte, die die Hauptstadt überhaupt zu lösen hat. Was braucht Berlin? Was verträgt der Platz? So muß gefragt und nach Antworten gesucht werden.Denn an diesem Ort kann es nicht um Büro- oder Geschoßflächen gehen, nicht um Stein oder Glas, ja noch nicht einmal in erster Linie darum, ob das Schloß wiederaufgebaut oder der Palast der Republik abgerissen werden soll.An diesem Ort, der die Mitte Berlins und damit die Mitte der Haupstadt und damit wiederum so etwas wie die Mitte Deutschlands markiert, muß unsere Zeit etwas zustande bringen, das Sinnbild dessen ist, was diese Stadt, dieser Staat darstellen will.Insofern geht es hier zwar auch um architektonisches Aussehen, mehr noch aber um nationales Ansehen.Gefordert ist eine politische Willensbildung.Nötig sind politische Entscheidungen.Und es ist gewiß kein Zufall, daß viele derjenigen, die der Tagesspiegel in einem Phantasiewettstreit um Ideen für den Schloßplatz gebeten haben, zunächst einmal auf Zeitgewinn spielen und bewußt eine Zwischenlösung anbieten.Andere haben sich in durchaus ernst gemeinte Spielereien gerettet oder Anleihen bei Schinkel, dem Stadtbaumeister und Schlüter, dem Schloßbaumeister gesucht.Wenige nur haben gewagt, tatsächlich einen Lösungsansatz im Geist der Moderne vorzuschlagen.Die meisten zeitgenössischen Architekten vertrauen offenbar ihrer eigenen Zeit und deren verrutschten Maßstäben nicht mehr so recht. Das Nachdenken über den Berliner Schloßplatz hat erst begonnen, auch wenn die, die nun fertige Investorenmodelle für den Wiederaufbau des Schlosses aus der Schublade ziehen, anderes suggerieren möchten.Der Schloßplatz ist für Berlin und die Bundesrepublik eine Chance, nach der Wiedervereinigung so etwas wie die eigene Mitte wiederzuentdecken.Und diese Chance darf nicht voreilig vertan werden. Das Nachdenken zu befördern und diesen wichtigen Platz ins Bewußtsein zu heben, war Sinn und Zweck des Wettstreits, zu dem der Tagesspiegel in den letzten Monaten Architekten, Stadtplaner und Gestalter aufgerufen hatte.Denn nur - siehe oben - wer seine Wahlmöglichkeiten kennt, kann sich frei entscheiden.Jetzt kennen wir zumindest über zwanzig Wahlmöglichkeiten mehr.Aber ist das schon genug? Das müßten auch diejenigen beantworten, die glauben, noch bessere Ideen zu haben.Die Aufgabe, über die Zukunft des Schloßplatzes nachzudenken, ist eine, an der wir uns alle noch eine ganze Zeit lang abarbeiten können - und wohl auch müssen.

MONIKA ZIMMERMANN

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