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Nachhaltiges Bauen: Im Winsviertel entstehen sieben Geschosse aus Holz

Energieeffizient, wirtschaftlich, sozial:  Der Bau der Stiftung Bildung, Werte, Leben folgt dem Prinzip der Nachhaltigkeit.

Die Kinder auf dem Schulhof der benachbarten Freien Evangelischen Schule sind ungeduldig. „Legt den Grundstein doch endlich!“, ruft ein Junge. Die Gäste der Grundsteinlegung an der Christburger Straße 13 haben mehr Geduld – schließlich mussten sie mehrere Jahre auf diesen Moment warten: Seit 2006 gibt es Pläne für die Bebauung der Kriegsbrache im Winsviertel – seit kurzem wird gebaut.

In die Höhe wächst ein Gebäude, das noch immer etwas Besonderes ist: ein Holzhaus mit sieben Geschossen. In der Regel ist bei sieben Etagen Schluss für eine Holzkonstruktion. Verantwortlich für die Architektur ist das Berliner Büro Kaden Klingbeil, das mit seinem viel beachteten Mehrfamilienhaus an der Esmarchstraße 3 (ebenfalls in Prenzlauer Berg) dem innerstädtischen, mehrgeschossigen Holzwohnungsbau einen entscheidenden Schub gegeben hat.

Holz ist ein umweltfreundlicher Baustoff, wie Architekt Malte Reimer vom Büro Kaden Klingbeil erläutert: Nicht nur, dass Holz nachwächst – es hat auch gute Dämmeigenschaften und ermöglicht eine effiziente Lüftung. Der Neubau ist denn auch als Niedrigenergiehaus eingestuft: Nach der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2007, die zum Zeitpunkt der bereits 2009 erteilten Baugenehmigung gültig war, ist es ein KfW-40-Haus. Das bedeutet, dass sein Primärenergiebedarf nur 40 Prozent so hoch ist, wie laut EnEV zulässig wäre. Gemessen an der jetzt gültigen EnEV 2009 entspricht dies einem KfW-55-Standard.

Diese Energieeffizienz erzielen die Planer, obwohl die Energiegewinnung des Hauses recht konventionell ist. An erneuerbaren Energien kommt nur Solarthermie zum Einsatz. Das geplante Blockheizkraftwerk, das gemeinsam mit der Freien Evangelischen Schule betrieben werden sollte, werde es wohl doch nicht geben, sagt Norbert Tews, Vorstand der als Bauherrin fungierenden Stiftung Bildung, Werte, Leben (Stiftung BWL). „Das Problem sind die unterschiedlichen Rechtsträger“, sagt er. Stattdessen ist jetzt für die Heizung der Einsatz von Brennwerttechnik auf Erdgasbasis vorgesehen.

Nachhaltig ist das Gebäude aber nicht nur hinsichtlich der Energieeffizienz, sondern auch in Bezug auf Wirtschaftlichkeit und soziale Qualität. Wirtschaftlich ist die Holzrahmenbauweise laut Reimer insbesondere deshalb, weil sich die Bauzeit verkürzt – die Bauteile werden nämlich in der Fabrik vorgefertigt. Offiziell soll das Gebäude mit 2350 Quadratmetern Geschossfläche im September 2012 fertig sein – was aber, wie Tews einräumt, „ein sehr ehrgeiziges Ziel“ ist. Teurer als ein Massivbau ist die Holzkonstruktion Reimer zufolge nicht. „Außerdem ist Holz bei gutem Unterhalt unbeschränkt haltbar“, sagt er. Und weil Holzwände dünner seien als solche aus Stein, gewinne der Bauherr vermietbare Fläche.

Und wie verhält es sich mit der sozialen Nachhaltigkeit? Der Stiftung BWL als Bauherrin geht es nicht darum, mit dem Projekt eine möglichst hohe Rendite zu erzielen. Vielmehr will sie ein christliches Familien-, Bildungs- und Gesundheitszentrum schaffen – und das mitten im Winsviertel, einem der begehrtesten Kieze in Prenzlauer Berg, wo für Wohnungen hohe Preise bezahlt werden. Deshalb erstaunt es, dass sich nicht ein profitorientierter Bauträger die Brache sicherte. Die Erklärung liefert Stiftungsvorstand Tews: Vor einigen Jahren erwarb die Freie Evangelische Schule das Grundstück von einer jüdischen Erbengemeinschaft, um es vor einer konventionellen Bebauung zu bewahren; 2009 verkaufte die Schule das Areal an die Stiftung BWL.

Die Stiftung wurde 2009 gegründet und verfolgt nach eigenen Angaben das Ziel, „auf der Basis christlich-sozialer Werte Institutionen und Projekte zu fördern, die unsere Gesellschaft insbesondere im Bereich Bildung nachhaltig gestalten“. Zu den Nutzern des Neubaus wird mit der Philippus-Gemeinde auch eine freie evangelische Gemeinde gehören. Laut Sprecherin Christina Reiche ist die Stiftung aber gegenüber allen christlichen Richtungen offen. „Wir sind kein Missionsprojekt“, betont sie.

Den knapp sieben Millionen Euro teuren Bau stemmt die Stiftung dank Eigenkapital, einem Darlehen der Bank für Sozialwirtschaft und dem Verkauf von Wohnungen – ab dem vierten Obergeschoss entstehen Eigentumswohnungen, die bereits alle verkauft sind. Den dritten Stock wird eine generationenübergreifende Wohngemeinschaft beziehen. Darunter wird es Praxen unter anderem für einen Kinderarzt, eine Physiotherapeutin und eine Ergotherapeutin geben. Im Erdgeschoss und ersten Stock sind Veranstaltungs- und Tagungsräume sowie eine Kiezküche geplant.

Dass sich die Stiftung für ein Gebäude aus Holz entschied, ist denn auch kein Zufall. „Der Bau soll unsere Werte dokumentieren“, sagt Tews. Sein Vorstandskollege Michael Bremicker drückt es so aus: „Lassen Sie uns gemeinsam Verantwortung übernehmen für die nächste Generation!“ Man könnte diese Einstellung nachhaltig nennen.

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