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Bauen im Hinterhof. Im südlichen Prenzlauer Berg entsteht ein neues Wohnquartier „La vie“. Viele Wohnungsunternehmer beklagen aber das negative Neubauklima in Berlin.

© promo WGF AG

Neubau in Berlin: „Als ob es noch immer kein Umland gäbe“

Die organisierte Wohnungswirtschaft appelliert an die Berliner, sich dem Neubau zu öffnen.

In Berlin kommt der Bau von Wohnungen anscheinend in Fahrt. 6641 wurden im vergangenen Jahr fertiggestellt, wie das Amt für Statistik diese Woche mitteilte. Im ersten Quartal 2014 genehmigten die Bauaufsichtsbehörden die Errichtung von fast 4400 Wohnungen – zweieinhalb Mal so viel wie im Vorjahreszeitraum. Sollte der Trend anhalten und die Mehrzahl der genehmigten Wohnungen tatsächlich gebaut werden, so würde das Ziel der Politik von jährlich 10 000 neu errichteten Wohnungen in absehbarer Zeit übertroffen.

Doch mit der Zahl der Kräne wächst der Widerstand der Anwohner. „Das Neubauklima in Berlin ist negativ“, konstatiert Maren Kern, Vorstand des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). „Theoretisch sind alle der Ansicht, die Stadt brauche Neubau – aber bitte nicht vor der eigenen Haustür.“ Dieses in der Fachwelt auch Nimby („Not in my backyard“ – „Nicht in meinem Hinterhof“) genannte Phänomen hat nach Ansicht Kerns einen historischen Hintergrund: „Berlin macht jetzt einen Prozess durch, den andere Großstädte lange hinter sich haben, der hier aber wegen der Teilung der Stadt mit Verspätung einsetzte. Man kämpft um den Erhalt von Schrebergärten, als ob es noch immer kein Umland mit seinen vielen Grünflächen gäbe.“

Kern appelliert an die Berliner, vor dem Hintergrund des starken Bevölkerungswachstums offener und flexibler mit dem Thema Neubau umzugehen: „Wir brauchen die Bereitschaft, die Neubürger willkommen zu heißen, zumal durch diese auch die Wirtschaftskraft der Stadt steigt.“

BBU-Chefin hofft, dass der Volksentscheid zum Tempelhofer Feld scheitert

Der BBU vertritt die Interessen von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften, aber auch von privaten Wohnungsunternehmen. Die Verbandsmitglieder bewirtschaften in Berlin rund 700 000 Wohnungen und damit etwa 40 Prozent aller Mietwohnungen. Eher bescheiden nimmt sich im Vergleich dazu die Neubautätigkeit der Mitglieder aus: Sie errichteten laut Kern im vergangenen Jahr rund 250 Wohnungen. „In diesem Jahr werden es mindestens 1500 sein“, stellt die Verbandschefin in Aussicht. In Zukunft werde die Zahl noch deutlich steigen.

Wohnungen bauen möchten BBU-Mitgliedsunternehmen – konkret die beiden städtischen Gesellschaften Degewo und Stadt und Land sowie die Genossenschaft Ideal – auch im Randbereich des Tempelhofer Feldes. Sie wünsche und hoffe, dass der Volksentscheid in einer Woche nicht durchkomme, sagt Kern. Die vorgesehene Fläche biete sich in vielerlei Hinsicht für den Wohnungsbau an: „Sie liegt innerhalb des S-Bahnrings, ist an den öffentlichen Verkehr angebunden und befindet sich am Rand eines großen Parks.“ Kern befürchtet eine „fatale Signalwirkung“, falls der Volksentscheid eine Mehrheit fände.

Wohnungsbauförderung greift zu kurz

Eine „problematische“ Entscheidung nennt sie die Ankündigung von Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD), wonach auf dem Tempelhofer Feld keine privaten Unternehmen bauen dürfen. „Als Verband sind wir dafür, die Durchmischung in Berlin zu fördern. Und es gibt unter den Privaten sehr wohl verantwortungsvolle Unternehmen.“

Wenig begeistert ist die Verbandschefin auch von den Modalitäten der Wohnungsbauförderung. „Positiv ist, dass der Senat jetzt endlich den Wiedereinstieg in die Wohnungsbauförderung beschlossen hat“, räumt Kern ein. Allerdings befürchte sie, dass die angestrebte Zahl von jährlich tausend geförderten Wohnungen angesichts des gestiegenen Neubaubedarfs zu gering sei. Außerdem sei es selbst für kommunale Gesellschaften und Genossenschaften „wirtschaftlich anspruchsvoll“, eine durchschnittliche Miethöhe von 6,50 Euro pro Quadratmeter zu erreichen. „Am ehesten dürfte dies großen, langfristig orientierten Wohnungsunternehmen gelingen, die eine Quersubventionierung vornehmen können.“ Als erstes kommunales Wohnungsunternehmen hat die Degewo bekannt gegeben, Fördermittel zu beantragen.

Private Unternehmen spielen beim Neubau die entscheidende Rolle

Private Immobilienunternehmen haben dagegen bereits deutlich gemacht, dass die vergünstigten Kredite ihrer Ansicht nach nicht ausreichen, um die Neubaumiete so stark wie vom Senat gewünscht zu senken. Ohnehin führe die Diskussion über den Bau besonders günstiger Mietwohnungen am Ziel vorbei, argumentiert Hiltrud Sprungala, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) Berlin/Brandenburg, der die Interessen privater Immobilienunternehmen vertritt: Jede gebaute Wohnung trage – unabhängig von Eigentumsverhältnis und Mietpreis – zur Entlastung des Wohnungsmarktes bei, da günstige Bestandswohnungen frei würden.

Beim Neubau spielten private Unternehmen die entscheidende Rolle, betont Sprungala. Nach ihren Angaben wurden rund 60 Prozent der 2013 in Berlin fertiggestellten Wohnungen von privaten Immobilienunternehmen, 32 Prozent von privaten Einzelbauherren errichtet. Das sei umso bemerkenswerter, als diese vom Land Berlin weder durch eine Wohnungsbauförderung noch durch die Grundstückspolitik unterstützt würden.

Mit der Liegenschaftspolitik ist auch der BBU nicht zufrieden. Hier könne sie „keine Fortschritte“ erkennen, sagt Vorstand Maren Kern. Lediglich fünf oder sechs landeseigene Grundstücke seien bisher auf die kommunalen Gesellschaften übertragen worden. „Die Neuausrichtung der Liegenschaftspolitik ist schon mehrfach beschlossen worden, ohne dass in der Umsetzung etwas bei unseren Mitgliedsunternehmen angekommen ist.“

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