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Immobilien: „Neubau ist nötig, aber nicht der Heilsbringer“ Die Wohnungsbaugenossenschaften schaffen gerade rund 1000 Wohnungen, setzen aber auf den Bestand

Die Berliner Wohnungsbaugenossenschaften wünschen sich beim Thema Neubau mehr Unterstützung durch die Politik. „Wir könnten die Neubautätigkeit verdoppeln, wenn wir Baugrundstücke zum Verkehrswert oder ein Stück darunter erwerben könnten“, sagt Frank Schrecker, Sprecher der Wohnungsbaugenossenschaften Berlin und Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft Berolina.

Die Berliner Wohnungsbaugenossenschaften wünschen sich beim Thema Neubau mehr Unterstützung durch die Politik. „Wir könnten die Neubautätigkeit verdoppeln, wenn wir Baugrundstücke zum Verkehrswert oder ein Stück darunter erwerben könnten“, sagt Frank Schrecker, Sprecher der Wohnungsbaugenossenschaften Berlin und Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft Berolina. Noch aber unterlägen Genossenschaften bei Ausschreibungen „permanent“ Bietern, die Wohneigentum errichten wollten.

Ein Beispiel dafür nennt Norbert Reinelt, Vorstandsvorsitzender der Wohnungsbaugenossenschaft Gewo Süd: Seine Genossenschaft bewarb sich beim Liegenschaftsfonds um ein Grundstück in der Nähe ihrer Siedlung Lindenhof im südlichen Schöneberg. Zwar ist die Entscheidung noch nicht endgültig gefallen – aber Reinelt zufolge muss sich die Genossenschaft wohl dem höheren Gebot eines anderen Bieters geschlagen geben.

Dennoch mischen diejenigen 21 Genossenschaften, die sich zur Marketinginitiative „Wohnungsbaugenossenschaften Berlin“ zusammengeschlossen haben, beim Neubau kräftig mit. Laut der diese Woche veröffentlichten Statistik der Initiative haben 14 von 21 Mitgliedsunternehmen in den letzten zwei Jahren neu gebaut oder planen dies für die nächste Zukunft. Insgesamt beträgt das derzeitige Neubauvolumen rund tausend Wohnungen. Das entspricht immerhin gut einem Prozent der 85 000 Bestandswohnungen der Mitgliedsunternehmen. Alles in allem gibt es in der Hauptstadt rund 200 000 genossenschaftliche Wohnungen; die Marketinginitiative vertritt jedoch nicht alle Wohnungsgenossenschaften.

Ein Beispiel für den Wohnungsbau gibt die Berolina: Nächste Woche beginnt sie mit den Bauarbeiten für ihr Projekt Myrica. Auf dem ehemaligen Mauerstreifen in der Sebastianstraße errichtet sie hundert Wohnungen, die 2014 fertig sein sollen. Obwohl diese auf Grund und Boden entstehen, der der Genossenschaft seit langem gehört, werden sie nicht gerade günstig: Auf zehn Euro beziffert Genossenschaftsvorstand Schrecker die Durchschnittsmiete. Wesentlich billiger sei Neubau nicht realisierbar, betonen die Genossenschaftsvertreter. Als „Augenwischerei“ bezeichnet Norbert Reinelt von der Gewo Süd denn auch die von Teilen der Politik formulierte Erwartung, Neubauwohnungen müssten für eine Miete von 6,50 Euro angeboten werden.

„Neubau ist nötig, aber nicht der Heilsbringer“, sagt auch Frank Schrecker. „Mit dem Neubau können wir nicht die sozialen Probleme lösen. Das muss im Bestand geregelt werden.“ Dafür seien gerade die genossenschaftlichen Bestandswohnungen bestens geeignet: „Sie sind keine Bruchbuden, sondern haben eine gute Qualität“, betont Schrecker. Und sie sind nach seiner Darstellung günstig: Bei der Gewo Süd beträgt die Durchschnittsmiete 5,08 Euro pro Quadratmeter, bei der Berolina – die ihre Häuser in den letzten Jahren alle saniert hat – 5,60 Euro. Den Durchschnitt bei allen 21 Mitgliedern beziffert der Sprecher der Genossenschaften auf rund 4,80 Euro pro Quadratmeter. Wenn neue Mietverträge abgeschlossen werden, wird es allerdings teurer: Dann beträgt das Nutzungsentgelt im Schnitt um die sechs Euro.

Trotzdem sehen die Genossenschaften bei sich soziale Aspekte berücksichtigt. Die Berolina zum Beispiel plant Mieterhöhungen, die deutlich unter der zu erwartenden Inflationsrate liegen. Und die Gewo Süd bleibt bei bestehenden Mietverträgen stets unterhalb des oberen Mietspiegelwerts – selbst nach Modernisierung. Zudem, sagt der Vorstandsvorsitzende Reinelt, diene das erwirtschaftete Geld immer der Genossenschaft, indem es entweder als Dividende an die Mitglieder ausgeschüttet oder aber in Bau- und Modernisierungsvorhaben investiert werde. Dass die Nachfrage auf dem Berliner Wohnungsmarkt angezogen hat, zeigt sich auch an den Zahlen der Wohnungsgenossenschaften: Weniger als zwei Prozent der Wohnungen stehen bei den Mitgliedern der Marketinginitiative leer. Bei der hauptsächlich in Mitte präsenten Berolina gibt es laut Schrecker praktisch keinen Leerstand mehr.

Dennoch widerspricht Schrecker dem Eindruck einer Wohnungsnot: Es gebe durchaus freie Wohnungen in der Stadt. Sein Argument: Von den 85 000 Wohnungen der Wohnungsbaugenossenschaften Berlin würden jährlich zwischen 5000 und 7000 neu vermietet. Zudem erwartet Schrecker in den kommenden Jahren eine erhöhte Zahl von Kündigungen – eine Folge des hohen Durchschnittsalters der Genossenschaftsmitglieder. Mit Blick auf die starken Marktschwankungen seit der Wiedervereinigung ist er sich auch nicht sicher, ob der derzeitige Boom auf dem Wohnungsmarkt über das Jahr 2015 hinaus anhalten wird: „Momentan ist es eng auf dem Markt. Aber es ist nicht gesagt, dass das so bleibt.“ Egal, was die Zukunft bringen wird – dieses Jahr nutzen die Genossenschaften, um sich als soziale und verlässliche Größe auf dem Wohnungsmarkt in Erinnerung zu rufen. 2012 wurde von den Vereinten Nationen nämlich zum Internationalen Jahr der Genossenschaften erklärt.

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