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In diesem Fabrikgebäude in Wedding wurden einst Zigarren gedreht.

© Fortis Wohnwert

Neubauprojekte: Erst die Balkone, dann der Stuck

Aus alten Industriebauten werden in Moabit und Wedding moderne Wohnlofts.

Moabit und Wedding – das klang bis vor einiger Zeit nicht nach städtebaulichem Entwicklungspotenzial, mehr nach Problemlagen. Aber der Wind hat sich gedreht. Selbst eher als randständig geltende Quartiere geraten jetzt in den Fokus der Immobilienbranche.

Peyvand Jafari, Geschäftsführer der Fortis Wohnwert Group, bestätigt diese Einschätzung: „Wir sehen einen Wandel am Berliner Immobilienmarkt. Trendbezirke wie Kreuzberg, Neukölln, Mitte und natürlich Prenzlauer Berg sind bereits am Zenit ihrer Entwicklung angelangt. Dafür kommen nun Lagen wie Moabit und Wedding zum Zuge.“ Erreicht die Gentrifizierung nun auch die bisher teils vergessenen und unbeachteten Stadtlagen?

Moabit etabliert sich als Trendbezirk weiter

Tatsächlich wird Moabit ein großes Entwicklungspotenzial zugeschrieben. Bis vor wenigen Jahren wurde der Stadtteil hauptsächlich mit dem dortigen Kriminalgericht und der Untersuchungshaftanstalt verbunden. Nicht allzu weit entfernte Quartiere wie Kurfürstendamm und Alexanderplatz spielten keine große Rolle. Doch jetzt wandelt sich die Einschätzung mit dem Umfeld. Jafari deutet die Entwicklung des Quartiers auf dem ehemaligen Brauereigelände von Schultheiss an der Stromstraße und der Europacity an der Heidestraße als wichtige Impulse. Der Hauptbahnhof mit dem angrenzenden Regierungsviertel habe Moabit überdies aus der Abgeschiedenheit herausgelöst. Der Tiergarten sei als Erholungsgebiet immer attraktiver geworden.

Was diese Trends für den Immobilienhandel bedeuten, macht Jafari an einem Beispiel deutlich. In der Spenerstraße, gelegen zwischen Alt-Moabit und der Spree, werden Wohnungen, die vor gut zehn Jahren mit Nettokaltmieten von rund 5,10 Euro pro Quadratmeter gekauft wurden, nun nach der Sanierung für rund 13 Euro pro Quadratmeter vermietet. „Wir haben aktuell ein Objekt im Vertrieb, bei dem sich eine rekordverdächtig schnelle Vermarktungszeit abzeichnet“, berichtet der Fortis-Geschäftsführer. Kaufinteressenten seien neben privaten Kapitalanlegern aus Westdeutschland auch Russen und „erste Brexit-Flüchtlinge“, die statt in London nun lieber in Berlin investieren möchten. „Moabit wird sich als Trendbezirk weiter etablieren“, ist sich Jafari sicher.

Auch den Wedding sah man lange nicht auf dem Weg zum gehobenen Mittelstandsquartier. Für die Bereiche innerhalb des S-Bahn-Rings prognostiziert der Fortis-Mann jetzt aber deutliche Wachstumseffekte: „Hochwertige Neubauprojektentwicklungen und auch der Bau der BND-Zentrale sind richtungweisend für die kommenden Jahre.“ Die Ansiedlung des Bundesnachrichtendienstes habe bereits eine „große Sogwirkung“ gehabt.

Besonders beliebt seien die Gegenden zwischen der Chausseestraße und der Schönhauser Allee. Der Bauboom in diesem Stadtquartier konnte sich nicht zuletzt deshalb entfalten, weil dort in einst mauernahen Bereichen viele Flächen ungenutzt waren, was später den Anstoß für zahlreiche Neubauprojekte gab. Inzwischen kann eine Eigentumswohnung an der Schnittstelle von Mitte und Wedding schon mal knapp 10 000 Euro pro Quadratmeter kosten.

Die Fortis Wohnwert Group mit Firmensitz in Zossen südlich von Berlin ist spezialisiert auf Eigentumswohnungen zum Selbstausbau in Mehrfamilienhäusern und die Sanierung von Altbauten. Im Wedding hat das Unternehmen jüngst eine Immobilie erworben, die zu dieser Philosophie passt, das Wohn- und Fabrikgebäude in der Schulzendorfer Straße 23, schräg gegenüber von der Bayer Pharma AG, einst Schering. Der gründerzeitliche Baukomplex soll nun rund 40 moderne Wohnlofts, besonders beliebt bei den sogenannten Yuppies (Young Urban Professionals), erhalten. Das Projektvolumen beträgt 15 Millionen Euro.

Fortis-Chef Jafari: "Wir werden behutsam sanieren"

Das Fabrikgebäude im hinteren Teil ist ein Stück klassischer Berliner Industriegeschichte. Im Lauf von mehr als 100 Jahren gab es dort unter anderem eine Stellmacherei, man nähte Damenmäntel, wickelte Zigarren, druckte Bücher und drehte Spiralfedern. Bis zuletzt das Unternehmen „Tip Autoteile“ mit allem handelte, was an Kraftfahrzeugen geschraubt werden konnte. Die jetzt geplanten Wohnlofts sollen als neu aufgeteilte Eigentumswohnungen zu Preisen ab 6000 Euro pro Quadratmeter ab Frühjahr 2017 in den Vertrieb gehen.

Bei der Sanierung des vermieteten Wohngebäudes vorne wolle man den speziellen Charakter des Ensembles wahren, betont Fortis-Chef Jafari. „Das Vorderhaus mit Seitenflügel bietet schöne und typische Stilmerkmale wie hohe Decken, Holzkastendoppelfenster, gedrechselte Treppengeländer und Stuck im Treppenhaus. Wir werden in diesem Bereich behutsam sanieren und einen Fahrstuhl und Balkone anbauen“, verspricht er. Leere Einheiten sollten neu vermietet werden.

Für weitere Zuwanderung in den Wedding sorgt übrigens schon jetzt die unmittelbare Nähe zu den Trendquartieren am Prenzlauer Berg. Junge Familien, aber auch Singles mit kleineren Einkommen, die sich die steigenden Preise an der Schönhauser Allee nicht mehr leisten können, weichen in den westlichen Nachbarbezirk aus. Am Gesundbrunnen und an der Brunnenstraße wird eine verstärkte Nachfrage beobachtet. Jafari: „Wir registrieren auch dort die ersten Preissteigerungen.“

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