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Immobilien: Not macht erfinderisch

Wegen leerer Kassen sollen Hauseigentümer Straßenbau zahlenVON DETLEF POHL Wer ein Haus baut, braucht eine Baugenehmigung.Die gibt es erst, wenn das Grundstück erschlossen ist.

Wegen leerer Kassen sollen Hauseigentümer Straßenbau zahlenVON DETLEF POHL Wer ein Haus baut, braucht eine Baugenehmigung.Die gibt es erst, wenn das Grundstück erschlossen ist.Die Gemeinde stellt sicher, daß öffentliche Straßen, Wege und Plätze sowie Park- und Grünflächen angelegt werden, so will es Paragraph 127 Baugesetzbuch.Die Ver- und Entsorgung mit Wasser, Abwasser, Strom und Wärme ist außerdem sicherzustellen.Hier kann sich jede Kommune vom Eigentümer bis zu 90 Prozent der anfallenden Kosten bezahlen lassen.Doch nun will sich Berlin außerdem die Instandhaltung der Wege bezahlen lassen.Entsprechende Pläne liegen in der Schublade - und dem Tagesspiegel vor. Wird an einer Straße nachträglich ein Radweg eingerichtet, kann der Anlieger zur Kasse gebeten werden.Lediglich die Instandhaltung, die Beseitigung von Schlaglöchern oder der Austausch defekter Gehwegplatten wird aus Haushaltsmitteln der Kommunen oder bei Bundesstraßen des Bunds bezahlt.In Berlin wurden Beiträge von Anliegern für den Straßenbau 1893 eingeführt, gerieten aber in Vergessenheit - bis der Senat vor kurzem in seine leeren Haushaltskassen starrte. Nun sollen Anlieger also wieder Beiträge für den Ausbau öffentlicher Straßen zahlen.Das bisher geltende "Gesetz über Gebühren und Beiträge" von 1957 ist allerdings ungeeignet, solche Beiträge einzutreiben; dazu ist eine Gemeindesatzung oder eine Beitragsordnung nötig, die bislang in Berlin nicht existiert.Die Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr hat jetzt einen Referentenentwurf für ein Berliner "Straßenbaubeitragsgesetz" erarbeitet.Der Entwurf wurde zwar von Senat und Abgeordnetenhaus noch nicht verabschiedet, könnte aber laut Erhard Anlauf, Mitarbeiter im Grundsatzreferat Städtebaurecht der Senatsbauverwaltung, sehr bald schon Gesetz sein. Der Inhalt des Papiers: Anlieger sollen bei baulichen Veränderungen an öffentlichen Straßen - für die das jeweilige Bezirksamt zuständig ist - an den Kosten für Fahrbahn, Gehweg, Radweg, Parkflächen, Grünanlagen Straßenbeleuchtung und Entwässerung beteiligt werden.Dabei wird nach drei Straßenarten unterschieden, für die private Hauseigentümer entsprechende Beiträge zahlen sollen.In Anliegerstraßen ist die Kostenbeteiligung am höchsten, weil die Fahrbahn meist nur von den Anliegern und ihren Gästen genutzt wird.Bei Haupterschließungsstraßen und erst recht bei Hauptverkehrsstraßen kommt der Durchgangsverkehr hinzu, so daß der einzelne Anlieger prozentual geringer an den Kosten beteiligt wird.Dennoch ist die Kostenbeteiligung bei Anliegerstraßen in absoluten Zahlen zumeist viel kleiner als in Straßen mit Durchgangsverkehr. Nimmt der Gesetzesentwurf die parlamentarischen Hürden, ändert sich für Hauseigentümer dann etwas, wenn das Bezirksamt Straßenausbaupläne verwirklicht.Dann sind Beiträge aller Anlieger fällig und zwar innerhalb eines Monats nach Zugang eines entsprechenden Beitragsbescheids.Die Höhe der Kosten hängt vom Einzelfall ab, können sich aber bei umfangreichen Arbeiten in der Anliegerstraße eines Kerngebiets bei einem fünfgeschossigen Haus durchaus auf 50.000 DM summieren. Senats-Experte Erhard Anlauf erläutert die geplante Berechnungsmethode für private Grundstückseigentümer am Beispiel einer Anliegerstraße, in der die Fahrbahn ausgebaut werden soll: "Zunächst werden die Gesamtkosten des Ausbaus ermittelt.Dann prüft die Behörde, wieviel davon überhaupt auf die Eigentümer umlagefähig ist.In Anliegerstraßen sollen Grundstückseigner für höchstens 6 Meter breite Fahrbahnen mitbezahlen.Ist sie breiter, müßte die Kommune allein dafür aufkommen." Beim Ausbau der Anliegerstraßen-Fahrbahn würden 75 Prozent der beitragsfähigen Kosten umgelegt.Um Gerechtigkeit walten zu lassen, wird von jedem Anlieger die individuelle Grundstücksfläche und die laut Bebauungsplan erlaubte Geschoßzahl des Hauses in die Beitragsrechnung einbezogen.Anlauf rechnet vor: "Dazu wird die Grundstücksfläche mit einem Faktor multipliziert, der bei einem Vollgeschoß 1,0 beträgt, bei zwei Vollgeschossen 1,5, bei drei Vollgeschossen 2,0.Das Ergebnis ist die individuelle Verteilungsmenge an den Kosten." Diese Rechnung wird für jedes Grundstück der betroffenen Straße aufgemacht, zusammengerechnet ergeben sie die "Gesamtverteilungsmenge".Nun werden 75 Prozent der Kosten für die Baumaßnahme durch diese Gesamtverteilungsmenge geteilt und dann mit der individuellen Verteilungsmenge des jeweiligen Grundeigentümers multipliziert - das ergibt den individuellen Kostenbeitrag des Anliegers. Bislang ist diese Rechnung noch graue Theorie, doch durch Berlins prekäre Haushaltslage könnte sie bald Wirklichkeit werden.Für diesen Fall befürchtet der Verband Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN) - zumindest in den östlichen Bezirken und in West-Staaken soziale Härten.Eigentümer sind dort zwar immerhin dadurch geschützt, daß ihnen laut Einigungsvertrag keine Erschließungsbeiträge für die erstmalige Errichtung von Straßen abverlangt werden dürfen, wenn sie vor dem 3.Oktober 1990 fertiggestellt wurden; auch wenn sie keinen bundesdeutschen Standard entsprechen.Nach dem neuen Gesetz würden aber alle Anlieger von Straßen, die nach der Wende ausgebaut wurden, per Gesetz nachträglich abkassiert, so VDGN-Präsident Eckhart Beleites.Das könnte manchen Grundeigentümer teuer zu stehen kommen: Zahlreiche Siedlungsgebiete im Ostteil der Stadt müssen noch an das zentrale Abwassernetz angebunden werden.Dafür verlangen die Berliner Wasserbetriebe für jeden Meter vom Straßenkanal bis zum Hausanschluß vom Eigentümer 1000 DM, zuzüglich eines pauschalen Anschlußgeldes von 1350 DM.

DETLEF POHL

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