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Photovoltaik: Ständig unter Strom: Solardächer sind brandgefährlich

Photovoltaik-Anlagen lassen sich nicht abschalten. Brennt es, hat die Feuerwehr kaum eine Chance.

Nicht ohne Stolz zeigte die Berliner Senatsbaudirektorin Regula Lüscher vor wenigen Tagen auf die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Friedrichstadtpalastes – die neueste Großanlage in Berlin. 1,4 Millionen Euro aus dem zweiten Konjunkturpaket stecken in dem 164 Quadratmeter großen Solardach. Mit „PV“, wie sich die Photovoltaik-Technik im Fachjargon abkürzt, will man „ein klimapolitisches Zeichen setzen“. Doch spätestens seit dem 17. Februar 2010 fragen sich viele Hausbesitzer, ob ihre PV-Anlage wirklich eine so gute Investition war – und Feuerwehrleute, ob sie bei Einsätzen auf Solardächern ihr Leben riskieren.

Das war geschehen: Am 17. Februar hatte Einsatzleiter Sirke Siebens seiner Wehr in Schwerinsdorf (Landkreis Leer) das Löschen verboten und ein großes Wohnhaus kontrolliert abbrennen lassen. Sachschaden 600 000 Euro. Auf dem Dach des Hauses war eine Photovoltaik-Anlage installiert – und dort musste der Wehrführer mit Stromstärken von bis zu 1000 Volt rechnen. Lebensgefahr für die Feuerwehrleute, wenn sie den Wasserstrahl auf Teile richten, die unter hoher Spannung stehen.

Bei der Berliner Berufsfeuerwehr beschäftigt man sich seit 2004 mit dem Problem, und auch Feuerwehrexperte Philipp Klein meint: „Die Brandbekämpfung unter Photovoltaik-Anlagen ist erheblich eingeschränkt.“ Die Anlagen liefern Gleichstrom, solange ausreichend Licht auf die Module fällt. Manche glauben sogar, dass bei Nachteinsätzen die starken Feuerwehrscheinwerfer ausreichen, um die Photovoltaik-Zellen in Betrieb zu halten. Abstellen lassen sich die herkömmlichen Anlagen nicht. Auch bei gezogener Hauptsicherung oder umgelegtem Hauptschalter führen die Module den bis zu 1000 Volt starken Gleichstrom zu Wechselrichtern im Keller. In welchem Zustand sich die Module befinden und ob die Isolierung der Kabel noch intakt ist, bleibt im Brandfall unklar. Dann gilt nur die Einsatzregel: Nach DIN VDE 0100 ist Gleichstrom von mehr als 120 Volt lebensgefährlich.

Für große Objekte gibt es ausgearbeitete Einsatzpläne, erklärt Philipp Klein. „Achtung, PV-Anlage“ – das gilt etwa für den Hauptbahnhof, das Kanzleramt, den Reichstag oder einige große Wohnblocks. Die vielen Tausend kleineren Anlagen müssen im Ernstfall erst erkundet werden. Verbindliche Bauvorschriften, wie sie für „normale“ Elektroanlagen in Gebäuden existieren, gibt es für Photovoltaik-Anlagen nicht.

Philipp Klein wünscht sich zumindest eine solche Standardisierung für die Installation. Und eine Markierung für Gebäude mit Solarstrom-Anlage, so wie das kleine gelbe Schild, das auf einen Gasanschluss hinweist. Gefragt werden er und seine Kollegen indes nicht – „anders als früher, als man die Feuerwehr in den vorbeugenden Brandschutz einbezog“. Doch er bleibt diplomatisch: Der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien sei wohl politisch gewollt. Andere Beobachter urteilen härter: Die Photostrom-Lobby mit ihren armdicken Verbindungen in die Politik verhindere, dass den „Erneuerbaren“ durch allzu rigide Bauvorschriften Steine in den Weg gelegt werden.

Brennt es, stehen die Einsatzkräfte allerdings vor ganz anderen Problemen. In der Regel öffnen sie die noch intakte Dachhaut, um einen künstlichen Rauch- und Wärmeabzug zu schaffen. Das verhindert die explosionsartige Durchzündung des gesamten Hauses, den sogenannten Flashover. „Ist ein Dach mit Photovoltaik-Elementen zugebaut, kommt man aber nicht von oben an das Gebäude heran“, so Philipp Klein.

Doch zumindest eine Lösung ist in Sicht für die Stromfalle auf dem Dach: Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie e. V. (DGS) hofft, dass bald die Gebäudeversicherer Druck machen und spezielle Steuerungen an den Solar-Modulen verlangen. Diese Schaltungen bewirken, dass die Zellen nur dann Strom produzieren, wenn sie ein Steuersignal erhalten. Wird das Signal abgeschaltet oder werden Module oder Verkabelung beschädigt, werden die Solarzellen passiv und liefern keinen Strom mehr. Auf der Fachmesse Intersolar 2010 in München wurde der „Feuerwehrschalter SOL30- Safety“ präsentiert. Aber: Die Umrüstung kostet Geld und die Schutzschalter setzen den Wirkungsgrad der Anlage herab; sie produziert weniger Strom.

Eines macht DGS-Sprecher Björn Hemmann derzeit aber noch mehr Sorgen – der starke Bauboom bei Photovoltaik-Anlagen. Bei der „unglaublichen Geschwindigkeit“, mit der zurzeit Solardächer gebaut würden, seien schwerwiegende Fehler nicht auszuschließen. Es werde „geschludert und gepfuscht“, weil Fachpersonal fehle. Durch nachlässige Steckverbindungen oder falsche Verkabelung könnten zum Beispiel „gefährliche Lichtbögen entstehen“, so Hemmann. Es drohe Feuergefahr. Die DGS bietet Bauherren daher an, Photovoltaik-Anlagen zu prüfen und abzunehmen (www.dgs-berlin. de).

Auch der Verband Privater Bauherren (VPB) rät, sich vor der Installation von einem unabhängigen Experten beraten zu lassen. Dazu gehört zum Beispiel auch der Tipp, die PV-Module nicht zu eng auf dem Dach montieren zu lassen, sondern jeweils eine Gasse von mindestens 15 Zentimetern frei zu lassen. Das gehe zwar ins Geld, weil die Stromausbeute auf der Dachfläche geringer ausfalle und mehr Halterungen verbaut werden müssten, so der VPB. Aber die Feuerwehr habe bei Löscheinsätzen wenigstens eine Chance, das Dach zu betreten. Auch die Kontrolle und Wartung der Anlage fällt mit einer Montagegasse leichter – etwa, wenn die Feuerwehr-Schutzschalter nachgerüstet werden sollen.

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