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Immobilien: Punktgenaue Intervention

Genossenschaft: Kein Wohnungsverkauf für Beamtengehälter D ies ist der siebte Teil einer Serie zum geplanten Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften, dessen Erlöse die Lücken im Berliner Haushalt schließen sollen.Neben Vorständen von Wohnungsbaugesellschaften beziehen sonntags auf dieser Seite auch Politiker Position.

Genossenschaft: Kein Wohnungsverkauf für Beamtengehälter D ies ist der siebte Teil einer Serie zum geplanten Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften, dessen Erlöse die Lücken im Berliner Haushalt schließen sollen.Neben Vorständen von Wohnungsbaugesellschaften beziehen sonntags auf dieser Seite auch Politiker Position. Wie viele andere politische Debatten, wird auch die um die Erhaltung des sozial verpflichteten Wohnungsbestandes über die Symptome, nicht aber über die Ursachen geführt.Durch den Verkauf ihres Tafelsilbers gründen Berlin und Bund den zweiten Erblastenfond nach der Wiedervereinigung.Die Generation der jetzt bis 40jährigen wird Billionen von öffentlichen Schulden bezahlen müssen und das öffentliche Vermögen wird ohne politisches Konzept veräußert. Nun ist irgendwann die letzte Wohnung verkauft, die letzte Beteiligung verscherbelt und unser Steuersystem kollabiert, so daß wir um die Beantwortung einer Frage nicht herumkommen: Ob es klug war, angesichts von Millionen von Arbeitslosen und der Auswanderung von Kapital, mit Einmaleinnahmen auch den öffentlichen Dienst in bisheriger Form zu finanzieren, also eine Personengruppe zu alimentieren, die frei von Qualifikationsdruck, Kündigungsangst und Altersvorsorgeproblemen den Zustand der "Selbstverwaltung" auf einsame Höhen getrieben hat. Sollte es möglich sein, die Veräußerung des kommunalen Wohnungsbestandes vorzunehmen, müßten zunächst folgende Fragen beantwortet werden: - Welche Anforderungen an einen verbleibenden Wohnungsbestand unter öffentlichem Einfluß ergeben sich aus den Wanderungsbewegungen ins Umland, den Auslauffristen der Bindungen im sozialen Wohnungsbau und welche besseren Lösungen als eine Abgabe gibt es für den Konflikt Fehlbelegung contra Massierung sozialer Probleme im Bestand? - Gibt es tatsächlich eine Preisregulierungsfunktion der kommunalen Gesellschaften auf dem Wohnungsmarkt? - Welche Ansprüche des unteren Mittelstands auf Subvention einer "bezahlbaren Wohnung" - oberhalb des Sozialen Wohnungsbaus, unterhalb des freien Marktes - sind berechtigt, und welche wohnungswirtschaftlichen Prioritäten sind in der Konkurrenz der Budgets "Wohnkosten" zu "Autokosten" oder "Urlaubskosten" zu setzen? - Wie muß darauf reagiert werden, daß Wohnungsneubau kostendeckend selbst bei den derzeitigen Zinskosten für untere und mittlere Einkommensgruppen nicht möglich ist und der soziale Wohnungsbau der Zukunft in Form großer Plattenbestände im Ostteil der Stadt bereits vorhanden ist? Die Erhaltung des kommunalen Wohnungsbestandes in diesem Umfang mag strittig und nach Analyse falsch sein.Auf keinen Fall richtig ist es, den Gegenwert für diesen Bestand dem Haushalt zur konsumptiven Verwendung zuzuführen, statt ihn als Instrument zur Wohnraumversorgung zu reservieren, etwa für eine gemeinnützige Stiftung, aus dessen Erträgen soziale und punktgenaue Interventionen betrieben werden können. Dafür bietet sich die Gründungsunterstützung von Genossenschaften an.Dadurch wäre eine doppelte Förderung etwa durch die darlehensweise Bereitstellung von Kapital und die Direktförderung von Instandsetzungen und Modernisierungen beziehungsweise Wohngeldergänzungen zur sozialen Belegung von vorzugsweise in genossenschaftlichem Eigentum befindlichen Wohnungsbeständen möglich.Die Finanzierung einer solchen Einrichtung kann durch die Übertragung von Anteilen oder Beständen der kommunalen Gesellschaften erfolgen; etwa von Minderheitenbeteiligungen bei teilweisem Verkauf. Dabei ist die einzige Wirtschaftsrechtsform, die die Mündigkeit des Bürgers und damit auch ehrenamtliche Tätigkeit fördert - und dabei Privatisierungsgewinne verhindert -, die der eingetragenen Genossenschaft.Während Hinz und Kunz an jeder Ecke eine GmbH mit zweifelhaftem Nachweis des geringen dazu erforderlichen Eigenkapitals gründen kann, wird der Rechtsform der Genossenschaft durch einen schwierigen und langwierigen Gründungsprozeß das Leben schwer gemacht. Überschaubar sind dagegen die Interessen des anlagewilligen Kapitals: Verzinsung und Wertsteigerung.Die meisten kommunalen Bestände sind dafür nicht interessant genug und nur bedingt "verkaufsfähig" zu machen.Also wird sich ein Verkauf auf "bessere oder verbesserungsfähige Lagen" beschränken.Die Folgen dieses "Verbesserungsprozesses" sind Mieterverdrängung, Massierung sozialer Probleme in verbleibenden Bereichen und keine Ausgleichsmöglichkeiten durch ökonomisch und sozial gemischte Bestände.Am Ende wird der öffentliche Aufwand dafür höher sein.Daher muß die künftige Funktion des kommunalen Bestandes neu und ohne Scheuklappen durchdacht werden.Ein vorschneller Verkauf zur Finanzierung des Haushaltes bringt keine Lösung für die strukturellen Probleme unserer Stadt: etwa für die Sanierung der "ABM-Maßnahme" öffentlicher Dienst.Bei allen Reformansätzen muß bedacht werden, daß die unter kommunalen Einfluß stehenden Gesellschaften nicht selten träge und selbstgefällig ihren Tätigkeiten nachgehen und ihre satzungsmäßigen Bindungen als Feigenblatt zur Legitimation einer anderen Art von Behörde in privatwirtschaftlicher Verkleidung dienen. Der Autor ist Chef vom Aufsichtsrat der Luisenstadt-Genossenschaft und Gründungsgeschäftsführer der Stattbau.Nächste Woche bezieht Jürgen Klemann, Senator für Bauen, Wohnen und Verkehr, Stellung in der Debatte.

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