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Immobilien: Qualität statt Quantität

Es sollte eines der größten Wohnungsbauprojekte im Berliner Umland werden: Mühlendorf in der Gemeinde Teltow. Nach dem Ausstieg eines kanadischen Investors will der Wohnpark jetzt vor allem Kultur- und Naturfreunde ansprechen

Von Christian Hunziker

Sogar der damalige brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) gab sich die Ehre, als die Bauherren vor fünf Jahren den Grundstein für den ersten Bauabschnitt von Mühlendorf legten. Auf zuvor landwirtschaftlich genutztem Gelände in Teltow, etwa einen Kilometer südlich der Grenze zu Berlin-Zehlendorf, sollten auf einer Fläche von 30 Hektar nicht weniger als 1200 Wohnungen, Einfamilien- und Reihenhäuser für etwa 3500 Bewohner entstehen.

Mehrere hundert Millionen Euro wollte sich der kanadische Unternehmer Robert J. Campeau das Projekt kosten lassen. Ein ebenfalls aus Kanada stammender Architekt entwarf 130 unterschiedliche Wohnungstypen - alle im Stil einer „europäisierten nordamerikanischen Architektur“, wie es ein Mitarbeiter Campeaus damals ausdrückte.

Tempi passati. Wer heute von Zehlendorf aus über die Ruhlsdorfer Straße nach Mühlendorf fährt, findet ein noch längst nicht fertiges Wohngebiet vor. Gleich am Anfang der Kanada-Allee stehen zwei Mehrgeschosser mutterseelenallein auf weiter Flur. Und die Calgary-Straße endet nach zwanzig Metern abrupt an einem Sonnenblumenfeld. Erst im hinteren Bereich ist zu erkennen, welche städtebauliche Vision hinter Mühlendorf steht.

Zehngeschosser im Wohnpark

Hier, im Zentrum des neuen Ortsteils, befinden sich zwei zehngeschossige Turmhäuser, denen sich Doppel- und Reihenhäuser anschließen. Diese zeichnen sich, anders als viele im Bauboom der neunziger Jahre entstandene Wohnparks, durch eine große Vielfalt aus. Und gut belegt sind sie überdies auch: Nur etwa zehn der 260 Wohneinheiten stehen leer, sagt Elke Kerkhoff, Marketingleiterin der Mühlendorf Grundbesitz & Investitionsgesellschaft mbH & Co. KG. Die Firma ist eine Tochter der in Mainz ansässigen Westdeutschen Immobilienbank. Seit zwei Jahren ist die Bank, ursprünglich lediglich als Partnerin Campeaus mit im Boot, allein für das Projekt zuständig. Denn die von Campeau gegründete BerlBau GmbH zog sich zurück. Sie hatte die Marktentwicklung falsch eingeschätzt und das Neubauviertel überdimensioniert geplant.

Weniger Beton, mehr grün

„Wir wollen jetzt wesentlich weniger bauen als am Anfang vorgesehen und dafür mehr Grünflächen anlegen“, sagt Elke Kerhoff. Nur noch etwa 850 Wohneinheiten sieht der Antrag auf den geänderten Bebauungsplan vor. Im Juli feierten die Verantwortlichen erstmals nach längerer Pause wieder eine Grundsteinlegung. Die jetzt in Angriff genommenen Galeriewohnungen verkörpern nach Ansicht der Mühlendorf-Gesellschaft ein innovatives und flexibles Konzept: In der Grundvariante bestehen sie aus einem über fünf Meter hohen Raum mit einer Galerie. Auf diese Weise stehen etwa 100 Quadratmeter Wohnfläche im Loft-Stil zur Verfügung - ideal für kinderlose Paare.

Wenn sich Nachwuchs ankündigt, ziehen die werdenden Eltern eine Zwischendecke ein und vergrößern mit dem neuen Zimmer die Wohnfläche auf 145 Quadratmeter. Diese Zwischendecke lässt sich, wenn die Kinder ausgeflogen sind, wieder entfernen. Vier solcher Galeriewohnungen sind im Bau. Weitere zwölf sollen folgen, wenn die ersten einen Käufer gefunden haben. Kosten sollen sie etwa 2200 Euro pro Quadratmeter.

Auch die noch freien Wohnungen aus der ersten Bauphase sind nicht ganz billig - schließlich wirbt die Mühlendorf-Gesellschaft mit der Nähe zum edlen Berliner Bezirk Zehlendorf. Wer eine in der zweiten Etage gelegene Dreizimmer-Wohnung mit 71 Quadratmeter Wohnfläche erwerben möchte, muss 152000 Euro berappen. Zur Miete kostet dieselbe Wohnung 740 Euro pro Monat (inklusive Nebenkosten). Bemerkenswert in den Turmhäusern sind die teilweise bis zu 110 Quadratmeter großen Terrassen. Diese entstanden über der Einzelhandelszone im Erdgeschoss.

Dort gibt es neben einer Apotheke, einem Geschenkeladen und einem Küchenstudio auch eine Kunstgalerie. Derzeit zeigt diese unter dem Titel „Pop-Art meets Harley Davidson“ eine Ausstellung der Künstlerin Freddy Reitz (Öffnungszeiten: sonnabends und sonntags 14 bis 18 Uhr, bis 27.Oktober 2002). Warum dieses für eine Wohnsiedlung eher ungewöhnliche Angebot? „Wir wünschen uns als Bewohner Menschen, die einen Anspruch an Lebensqualität haben und die Natur und Kunst lieben“, antwortet Elke Kerkhoff. Für das Naturgefühl sorgt ein künstlich angelegter See. An dessen Ufern finden die Mühlendorfer nicht nur Sitzbänke, sondern auch Skulpturen vor - Erinnerungen an ein Bildhauer-Symposium vom vergangenen Herbst. Dass die Mühlendorf-Verantwortlichen „eine sehr anspruchsvolle Klientel“ (Kerkhoff) ansprechen, unterstreicht der Umstand, dass Bewohner eine Ermäßigung für den Golfplatz im benachbarten Großbeeren erhalten.

Ohne Auto geht es nicht

Nicht weiter schlimm findet es Frau Kerkhoff, dass es noch kein Geschäft für Waren des täglichen Bedarfs gibt. Supermärkte und Gartenzentrum seien schließlich in wenigen Minuten zu erreichen. Angewiesen sind die Bewohner allerdings auf ein Auto. Zwar hofft die Mühlendorf-Gesellschaft darauf, dass im Jahr 2003 die Verlängerung der S-Bahn-Strecke von Lichterfelde Süd nach Teltow in Betrieb genommen wird. Das aber ist unwahrscheinlich: Laut brandenburgischem Verkehrsministerium finden derzeit erst Verhandlungen zwischen dem Land Brandenburg und der DB Netz über die Finanzierung des Vorhabens statt. Gleichzeitig läuft das Planfeststellungsverfahren. Die S-Bahn rechnet intern mit einer Eröffnung der Strecke im Jahr 2005.

Abgekommen sind die jetzigen Verantwortlichen davon, ganz Mühlendorf im Alleingang bauen zu wollen. Schlüsselfertige Reihenhäuser auf dem Areal bietet zum Beispiel auch der Berliner Bauträger Wolter + Landgraf GmbH an. Und die Rostow Bau GmbH will, sobald sich Käufer gefunden haben, mit dem Bau von vorerst vier Doppelhäusern beginnen. Bei einer Wohnfläche von 120 Quadratmetern und einer Grundstücksgröße von 300 Quadratmetern kosten diese ab 235000 Euro. Offen ist die Mühlendorf-Gesellschaft darüber hinaus für individuelle Häuslebauer ebenso wie für größere Bauträger. Auf diese Weise, hofft Elke Kerkhoff, werde es gelingen, das Projekt Mühlendorf in fünf bis sieben Jahren zum Abschluss zu bringen.

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