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Immobilien: Raus – und vorbei

Ein guter Ort für eine Gast- und Raststätte war Dreilinden nie. Vielleicht gehen nach der Auktion lange Jahre des Leerstands zuende.

Sehnsuchtsort, pinkfarbener Pop-Leuchtturm der Freiheit und Tramper-Treff: Viele Emotionen verbinden sich mit der ehemaligen Autobahnraststätte Dreilinden. Wer Berlin von Süden her ansteuert, passiert die ehemalige Raststätte am „Autobahnkleeblatt“ und befindet an einem ehemaligen Grenzkontrollpunkt. An kulinarische Genüsse werden sich nur wenige erinnern, an diesem Ort vor oder nach der Fahrt durchs Niemandsland der einstigen innerdeutschen Grenze. An dieser Betonburg der Postmoderne fuhr man in der Regel vorbei. Für das Rasthaus hatten Auto- und Lkw-Fahrer keine Zeit – die einen hatten vor der Fahrt Richtung Hannover gerade Proviant gefasst. Die anderen freuten sich auf das Essen zuhause. Das ist bis heute so. Und genau das ist das Problem. Am 22. Juni kommt die ehemalige Autobahnraststätte Dreilinden mit der Adresse Potsdamer Chaussee 61A unter Position 10 ab 13 Uhr bei der Deutschen Grundstücksauktionen AG unter den Hammer. Gefordert sind 450 000 Euro.

Geboten sind allerdings unausgesprochen mindestens 500 000 Euro mehr: Allein die Beseitigung der Vandalismusschäden und die Wiederherrichtung der technischen Infrastruktur dürften mit einer halben Million Euro zu Buche schlagen. Dies mochte der Berliner Geschäftsmann Thomas Drechsel offenbar nicht mehr in das seit 2002 leer stehende Bauwerk investieren. Drechsel hatte das 5000 Quadratmeter große Areal 2009 vom Liegenschaftsfonds Berlin auch deshalb kaufen können, weil er den Primus-Palast an der Berliner Straße und den S-Bahnhof Mexikoplatz denkmalgerecht saniert hatte.

Aus der letzten Raststätte vor oder nach dem Passieren der „Ostzone“ aus oder in Richtung Helmstedt sollte nach seinem Willen eine Partyzone mit angeschlossenem Hostel werden. Das war der Plan für den dreigeschossigen Bau mit rund 1200 Quadratmeter Nutzfläche – eine 200 Quadratmeter große Dachterrasse inklusive. Diese Pläne sind nun, wenigstens vorläufig, passé. Welchen neuen Zweck könnte der denkmalgeschützte Bau mit seinen Kreis- und Zylinderelementen in Zukunft nur haben?

Fest zu stehen scheint, dass der alte Zweck als Gast- und Raststätte nicht erfüllt wurde. Nur neun Monate nach der Eröffnung berichtete diese Zeitung unter dem Datum des 29. Dezember 1973: „Der erwartete Gästestrom in das mit großen Hoffnungen eröffnete Haus war (…) ausgeblieben. Insbesondere hatten die Verkehrserleichterungen auf den Transitstrecken dazu beigetragen, daß das Publikum nicht die Raststätte aufsuchte.“

Dabei gab es damals – natürlich – einen direkten Autobahnanschluss. Dem ist heute aber nicht mehr so. Wer hier vor der Tür stehen will, muss von der rückwärtigen Seite – am ehemaligen Zollamt vorbei – auf das Grundstück fahren. Und das für das Gelände zuständige Bauamt Steglitz-Zehlendorf hat deutlich gemacht, dass es nie wieder eine Zuwegung zur Autobahn geben wird. Gesucht wird also ein Käufer, der neben Geld auch eine Idee für Dreilinden hat – eine, die trägt. Das Gebäude des Architekten Rainer Gerhard Rümmler, der auch eine große Anzahl an Berliner U-Bahnhöfen gestaltete, wurde 1973 eröffnet. Es stach als Poparchitektur markant in Rot, Gelb und Blau hervor und war ein demonstrativer Kontrapunkt zur herkömmlichen Raststättenarchitektur im Allgemeinen und zur tristen DDR-Grenzarchitektur im Speziellen geplant. Der Bau der bunten Raststätte war eine Reaktion auf den Mauerbau. Mit seiner Farbe war er ein Signal gegen DDR-Tristesse, mit der Formgebung so etwas wie ein Stadttor.

Die Raststätte befindet sich in der Nähe des ehemaligen alliierten Kontrollpunktes „Checkpoint Bravo“ und der ehemaligen Grenzübergangsstellen Drewitz (ehemals DDR) und Dreilinden (ehemals Grenze nach West-Berlin). Bis zu 2000 Autos wurden hier in Spitzenzeiten stündlich abgefertigt.

Obgleich der Schriftzug „Dreilinden“ aus denkmalschutzrechtlichen Gründen und die Farbgestaltung des Solitärbaus erhalten bleiben müssen, kann für zukünftige Nutzungen zum Beispiel eine Verglasung im Erdgeschoss am Gebäude angebracht werden. Die Architektur – auch die im Inneren des Gebäudes – ist geprägt durch sich konkav biegende Türen.

Eines möchte der Bezirk Steglitz-Zehlendorf hier nicht haben: Ein kleines Shoppingcenter. Das ist ausgeschlossen. Der Senat – so ist zu hören – sei an einer „weitreichenden Nutzung“ interessiert. Eine Idee hat er nicht. Berlins hippe Partyszene könnte sich für die 70er-Jahre-Architektur der Ex-Raststätte – außen Lego, innen Raumschiff Enterprise – sicher begeistern. Nur steht der Bau nicht in Mitte, sondern am Rande des Stadt.

Immerhin: Ein auf drei Jahre befristeter Bauvorbescheid, der die Errichtung eines Lowbudget-Hotels in zwei Gebäudeteilen am bestehenden Gebäude vorsieht, ist noch gültig und könnte um ein weiteres Jahr verlängert werden. Außerdem darf sich der Käufer über eine Baugenehmigung des Bezirksamtes Steglitz–Zehlendorf für die Errichtung eines American Diner Schnellrestaurants und eines Lounge Clubs freuen.

Eine Sicherheitsfirma behält die Raststätte an der ehemaligen Grenze derzeit im Auge. Fenster und Türen sind gesichert – die Einbruchssicherungen aus Stahl können aber nicht ersteigert werden. Wasser gibt es in dem Gebäude zur Zeit nicht und die Haustechnik ist defekt – die Raststätte ist nicht nur verkehrstechnisch vom Netz gegangen.

Auch wenn die Raststätte Dreilinden, am Ein- und Ausgangstor von Berlin gelegen, nicht mehr direkt von der Avus angefahren werden kann – als „Eyecatcher“ hat sie noch immer erstaunliche Strahlkraft. Wer hier eine Werbetafel anbringt, dem wird Aufmerksamkeit zuteil.

Versteigerungstermin: 22. Juni 2012, ab 13 Uhr im abba Berlin Hotel, Lietzenburger Straße 89, 10719 Berlin

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