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Immobilien: Rechnung mit vielen Unbekannten

Gutshäuser, Ziegeleien, Wassertürme. Wind- und Wassermühlen. Und Bauernhöfe in jeder Größe. Rund um Berlin stehen viele Baudenkmäler und Altbauten zum Kauf. Sie kosten meist weniger als Neubauten in Wohnparks. Doch die Sanierung historischer Substanz ist aufwändig und teuer

Klaus-Dieter Wollschläger steigt in den Wagen und fährt über unbefestigte, sandige Pisten dann über wohl ausgebaute Landstraßen, vorbei an grellen Gebrauchtwagenparks und aufgelassenen Schweineställen, aber auch durch beschauliche Dörfer und stille Seenlandschaften. Vor einem Siedlerhäuschen bei Dahme hält er. Um 1950 wurde das Gebäude in den Park eines früheren Gutshauses hineingebaut. 180 Quadratmeter Wohnfläche, 2700 Quadratmeter Garten. Die Eichen im Garten sind mehrere hundert Jahre alt. Doch die Substanz des Hauses ist schlecht, der Dachboden in Eigenregie halbfertig ausgebaut – 60000 Euro soll das Ganze kosten. Ein echtes „Handwerkerschnäppchen“ sagt Wollschläger. Er verkauft Immobilien im ländlichen Brandenburg. Das Landhäuschen ist eine von drei feilgebotener Bauten im südlichen Berliner Umland aus dem Angebot des Maklers.

Nicht nur Wollschläger, auch viele andere Vermittler haben ein großes Angebot. Ob Herrenhaus oder Landarbeiterkate, wer derzeit eine Immobilie in Brandenburg sucht, hat eine große Auswahl. Und vieles gibt es immer noch zu Spottpreisen. Ganz anders als in Ballungsgebieten wie München, wo sanierte Gehöfte oft Millionen kosten. Allerdings brauchen Kaufinteressenten hier zu Lande auch ein wenig Lust auf Abenteuer und viel Engagement. Denn die Anlagen sind oft riesengroß, stark sanierungsbedürftig, und die Kosten einer Wiederherstellung können bei ungenauer Prüfung explodieren.

Das zweite Objekt auf der Immobilientour ist ein typisch brandenburgischer Vierseithof bei Luckau. Nach dem Tod ihres Mannes will die Witwe das Anwesen verkaufen und zu ihren Kindern ziehen. Die Innenseite des Hofes ziert eine schmucke Fachwerkfassade, auf der Höhe des Dachbodens verläuft eine hölzerne Galerie. „Meine Kinder und ich haben den Stall vor ein paar Jahren angestrichen. Kurze Zeit später war das Denkmalamt da und hat ihn unter Schutz gestellt“, sagt die Bäuerin. Die frisch getünchte Fassade war den Denkmalschützern ins Auge gefallen. Nun muss jede weitere Sanierungsmaßnahme mit ihnen abgestimmt werden.

Die Scheune aus dem 18. Jahrhundert

Die Scheune hinter der imposanten Hofanlage haben die Denkmalschützer offenbar noch nicht entdeckt. Sie muss aus dem 18.Jahrhundert stammen. Wuchtige Holzbalken, ohne einen einzigen Nagel zusammengefügt, halten Dach und Wände mit letzter Kraft zusammen. Im Übergang zwischen Ställen und Wohnhaus stehen handgezimmerte Kaninchenställe – man könnte gleich ein paar Tiere hineinsetzen und alles wäre wieder so, wie vor 100 Jahren. Die Eigentümerin will 200000 Euro haben. Ein angemessener Preis für gut 1000 Quadratmeter Gebäude- und 10000 Quadratmeter Hofflächen, für Garten und Wiese direkt am Haus. Und doch liegt sie damit viel zu hoch.

Leerstehende Bauernhöfe im Berliner Umland sind, je nach Größe, Erhaltungszustand und Lage, bereits ab 15000 Euro zu haben. Meist handelt es sich dabei um die typischen, lang gestreckten Ziegelbauten, oft verputzt und stark vergraut. Doch vielfach ist auch die kunstvoll gemusterte Klinkerfassade erhalten. Seltener, besonders im Norden Berlins, finden sich Fachwerkbauten. Sind die Wohnhäuser bereits modernisiert, gibt es sie ab etwa 150000 Euro – zusammen mit Remisen, Ställen, Scheunen, Werkstätten, Torhaus, eigenem Brunnen und Garten. Der Markt ist am Boden, nicht nur bei Gebäuden: „Die Preise für einen Quadratmeter Ackerland liegen in der Gemarkung Schönewalde bei 17 Cent, die für Wald sogar nur bei 6 Cent!“ sagt Makler Wollschläger.

Für das letzte Objekt, eine alte Schnapsbrennerei bei Golssen, bleibt es bei einem Blick von außen. Ein Gebäude aus rotem Ziegelstein, dessen meterhohe Fenster auf riesige Räume schließen lassen. Das obere Geschoss ist ausgebaut, im unteren Teil des Gebäudes könnten Gewerberäume entstehen. Der Clou: ein offenes Kellergeschoss neben dem Hauptgebäude, in dessen Fugen sich Löwenzahn und junge Birken angesiedelt haben. Eine Kulisse wie in einem antiken griechischen Theater. 120000 Euro soll das am Waldrand gelegene Objekt kosten.

Drei Immobilienbeispiele auf einer Partie ins südliche Brandenburg, die nur einen kleinen Eindruck von der Vielfalt der zum Verkauf stehenden historischen Bausubstanz im Umland geben. Wer es spektakulärer mag, verliebt sich vielleicht in eine Bockwindmühle, malerisch auf einem Hügel gelegen, das Innere zu einer rustikalen Wohnung ausgebaut: 250000 Euro. Oder eine unsanierte Wassermühle, 350 Quadratmeter Wohnfläche, 1,5 Hektar Grund und eigener Teich. Kosten für das gesamte Anwesen: Etwa 50000 Euro. Ein leer stehendes Herrenhaus, mit zwölf Zimmern und 250 Quadratmetern Wohnfläche, ist für 45000 Euro zu haben.

Das sind nur die Preise, die die Makler in ihren Exposées angeben. Was wirklich gezahlt wird, bleibt geheim. Es liegt oft weit darunter, besonders, wenn Kosten für eine neue Straße, für Vermessung und Erschließung der Grundstücke auf den Käufer zukommen. Zum Vergleich: Ein saniertes, reetgedecktes Fachwerkhaus bei Hamburg kostet 400000 Euro. Ein ausgebautes Landgut bei München gleich mehrere Millionen Euro.

Wer jedoch eine Immobilie mit Geschichte erwirbt, wird rasch mit den Problemen der Sanierung konfrontiert: Viele Häuser haben jahrelang leer gestanden, die Keller sind zumeist feucht, die Bausubstanz durch aufsteigende Nässe und undichte Dächer stark angegriffen. An vielen Gebäuden zeigen sich Vandalismusschäden – zerschlagene Fenster, Graffiti, Müll. Die Dächer vieler Wirtschaftsgebäude sind eingestürzt, von manchem ist nicht viel mehr geblieben als ein Haufen Ziegelsteine. Heizung, Wasser, Strom und Telefonleitungen müssen so gut wie immer neu gelegt werden. Zusammen mit den Ausgaben für die Trockenlegung, für Fassade, Dach und Innenausbauten wird die Sanierung häufig so teuer wie ein Neubau. Und doch handelt es sich um Häuser mit Geschichte und Seele, mit abgetretenen Eingangsstufen und klarer Funktionalität, nicht selten am Anger oder Dorfteich gelegen oder auch zwischen Äckern, Wiesen und Wäldern. Kein Vergleich mit jenen neu gebauten Reihenhäusern und frei stehenden Einfamilien-Fertighäusern, wie sie sich in den Wohnparks rund um Berlin zu Dutzenden auf winzigen Grundstücken drängen. Platz ist der eigentliche Luxus auf dem Lande: Die Grundstücke sind üppig bemessen, oft mehrere tausend Quadratmeter groß, wenn sie nicht gleich zusammen mit einigen Hektar Weide- und Ackerland oder Wald verkauft werden. Zwar ist manches Grundstück völlig verwachsen und kaum noch zu betreten. Doch es gibt auch solche, in denen reife Johannisbeeren anzeigen, wo früher einmal der Küchengarten war.

Warum so viel Leerstand gerade bei den schönsten Objekten auf dem Lande? „Ein kaufwilliges Ehepaar aus Brandenburg erhält häufig keinen Kredit, wenn nicht beide Partner einen krisensicheren Arbeitsplatz haben“, sagt Makler Wollschläger. „Und wer hat den schon in Brandenburg?“ Den Banken ist das Risiko zu hoch. Bei sanierungsbedürftige Altbauten fürchten sie auch die schwer kalkulierbaren Investitionen. Auch die Berliner schauen mit Argwohn auf hohe Folgekosten und möglichen Auflagen des Denkmalamtes. Dabei helfen die Steuererleichterungen für die Denkmalaufwendungen ebenso wie Fördermittel des Landes und der KfW bei der Finanzierung des Landhauses.

Die Tour über das Land zeigt auch viele Beispiele für gelungene Sanierungsmaßnahmen: Hotels, Gaststätten, Gemeindehäuser, Gartenbaubetriebe und immer wieder Biobauernhöfe. Besonders im Umfeld von Potsdam und in der Uckermark haben auch Künstler, Freiberufler und Pendler mit Arbeitsplatz in Berlin ihren Traum vom Landleben verwirklicht. „Wenn ich nicht bereits meinen ’Landsitz ‘ hätte,“ sagt Wollschläger verschmitzt und legt seinen Unterarm auf eine der Eichen am Siedlerhäuschen, „dann würde ich das hier sofort nehmen!“

Rita Gudermann

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