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Hinter der Backsteinfassade des Pumpwerks möchte das Unternehmen Decathlon einen Sportartikelfachmarkt errichten. In zwei Wasserbehältern sollen Verkaufsflächen entstehen, im ehemaligen Wohnhaus das Büro.

© Promo (Wasserbetriebe/Joachim Donath)

Ringen um einen Sportfachmarkt: Sturm im Wassertank

Ein Streit um das Einzelhandelskonzept blockiert den Verkauf des denkmalgeschützten Pumpwerks in der Landsberger Allee.

Es ist eines der wenig bekannten Industriedenkmale der Stadt: das Zwischenpumpwerk in der Landsberger Allee 230. Zwischen Vulkanstraße und Straße am Wasserwerk erstreckt sich auf einer Länge von mehreren hundert Metern das von roten Klinkerbauten geprägte Ensemble, das an die Zeit erinnert, als sich Berlin zur Großstadt entwickelte: Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Bauten nach Plänen von Richard Schultze und Henry Gill im Stil der märkischen Backsteingotik errichtet. Von hier aus wurde das im Wasserwerk Friedrichshagen gewonnene Wasser in weite Gebiete der rasant wachsenden Metropole verteilt.

Noch heute betreiben die Berliner Wasserbetriebe (BWB) das Pumpwerk – allerdings nicht mehr in vollem Umfang. Benötigt wird nur noch ein Teil der Maschinenhäuser und der Tanks (der sogenannten Reinwasserbehälter). Hauptgrund dafür ist der stark zurückgegangene Wasserverbrauch, wie Stephan Natz, Pressesprecher der Wasserbetriebe, erläutert: „Wir verkauften 2011 in der ganzen Stadt so viel Wasser wie 1989 allein in West-Berlin.“ Zudem bräuchten die Pumpen heute viel weniger Platz als früher.

Aus diesem Grund möchten sich die BWB seit längerem von einem Teil des Areals trennen. Natz zufolge ist geplant, das östliche Drittel des 13 Hektar großen, unter Denkmalschutz stehenden Geländes zu veräußern. Verkauft werden sollen ein ehemaliges Wohnhaus sowie zwei der sechs Maschinenhäuser und zwei der zehn Reinwasserbehälter. Ideen für deren künftige Nutzung haben die Wasserbetriebe bereits entwickelt: Laut einer gemeinsam mit dem Bezirk erarbeiteten Nachnutzungsstudie soll eine Mischung aus Handel, Gastronomie, Freizeiteinrichtungen und Künstlerateliers angesiedelt werden.

Sogar einen potenziellen Großnutzer gibt es schon: Die Decathlon Sportartikel GmbH & Co. KG aus dem schwäbischen Plochingen möchte dort einen großen Sportartikelfachmarkt ansiedeln. Ein entsprechendes Interesse bestätigt eine Unternehmenssprecherin; allerdings sei man mit dem Projekt noch am Anfang. Das stimmt allerdings nicht ganz: Bereits 2011 legte der Bezirk Lichtenberg den Entwurf für einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan vor, der exakt auf die Wünsche von Decathlon ausgerichtet war. Ein solcher ist erforderlich, weil eine Bebauung sonst rechtlich nicht zulässig wäre.

Wie konkret die Pläne bereits vor zwei Jahren waren, lässt sich der Begründung zu diesem vorhabenbezogenen Bebauungsplan entnehmen. Demnach möchte der Sportartikelanbieter zwei Reinwasserbehälter als Verkaufsfläche nutzen und im ehemaligen Wohnhaus sein Regionalbüro unterbringen. Die Verkaufsfläche soll 4865 Quadratmeter betragen. An der Landsberger Allee soll eine 18 Meter hohe selbstleuchtende Stele auf den Fachmarkt aufmerksam machen. Decathlon betreibt deutschlandweit 18 solche Märkte; in Berlin wäre es die erste Filiale.

Ein Gutachten soll Klärung bringen – wie bereits 2011

Verkauft allerdings haben die Wasserbetriebe das Areal bis heute nicht. Und auch die baurechtlichen Voraussetzungen für die Realisierung des Projekts sind noch immer nicht gegeben: „Die Arbeit am vorhabenbezogenen Bebauungsplan ruht“, sagt Wilfried Nünthel, Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung im Bezirk Lichtenberg. Das Projekt, so scheint es, hat sich im Gestrüpp der Berliner Verwaltung verheddert. Streitpunkt ist dabei die Frage, ob ein solcher Sportartikelmarkt sowie weitere Einzelhandelsprojekte an der Landsberger Allee überhaupt zulässig sind.

Nein, sagt der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vorgelegte Stadtentwicklungsplan (SteP) Zentren. Vielleicht doch, hofft das Bezirksamt. Klären soll dies ein Gutachten über den Einzelhandel in der Landsberger Allee. Von dessen Ergebnis, sagt BWB-Sprecher Natz, hänge ab, ob die Wasserbetriebe an ihrem Konzept festhielten.

Doch wann liegt das Gutachten vor? Auf diese Frage schieben sich Senat und Bezirk gegenseitig den schwarzen Peter zu. Die Pressestelle der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verweist an das Bezirksamt Lichtenberg: Die Senatsverwaltung habe das Gutachten zwar bezahlt, die Federführung liege aber beim Bezirk. Auftraggeber sei tatsächlich der Bezirk, räumt der Lichtenberger Stadtrat Nünthel ein; seit längerem stehe aber eine Stellungnahme der Senatsverwaltung aus, der das Gutachten zur Begutachtung zugestellt worden sei.

Um die Angelegenheit noch komplizierter zu machen: Eigentlich existiert bereits ein Gutachten, nämlich die 2011 vorgelegte „Aktualisierung des Zentren- und Einzelhandelskonzepts für den Bezirk Lichtenberg“. Darin heißt es in einer umständlichen Formulierung, der geplante Sportmarkt vertrage sich insoweit mit den bezirklichen Zielen, als er die Chance eröffne, „das Ortsteilzentrum Landsberger Allee/westlich Rhinstraße gegenüber den zu erwartenden weiteren Angeboten zentrenrelevanter Sortimente an den östlich gelegenen Fachmarktstandorten der Landsberger Allee zu stärken“. Allerdings weisen die Gutachter darauf hin, dass gemäß dem „SteP Zentren“ für diesen Bereich „aus gesamtstädtischer Sicht Konzeptionsbedarf“ bestehe.

Klar ist somit nur eines: Solange nicht feststeht, ob der Markt entstehen darf, sind den Wasserbetrieben bei der Vermarktung die Hände gebunden. Ziel bleibe es aber, sagt Sprecher Natz, „das Areal unter Wahrung unserer Sicherheitsinteressen so zu teilen, dass die nicht mehr benötigten Gebäude eine neue Nutzung erhalten und gleichzeitig das Gesamtbild gewahrt bleibt“. Dabei ist der Aspekt der Sicherheit nicht zu vernachlässigen: Der weiter von den BWB benötigte Bereich müsse so abgetrennt werden, dass es dort keinen Publikumsverkehr gibt.

Wie das geschehen soll, steht noch nicht fest. Eine Mauer werde es aber nicht geben – die würden die Denkmalschutzbehörden auch nicht akzeptieren.

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