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Immobilien: Schlechtes Zeugnis für deutsche Hauptstadt

Ein schlechtes Zeugnis stellen die britischen Makler der deutscher Hauptstadt aus.Nicht einmal einer Erwähnung würdig ist Berlin für Jeremy Kelly, dem Londoner Analysten des Unternehmens Jones Lang Wootton Berlin.

Ein schlechtes Zeugnis stellen die britischen Makler der deutscher Hauptstadt aus.Nicht einmal einer Erwähnung würdig ist Berlin für Jeremy Kelly, dem Londoner Analysten des Unternehmens Jones Lang Wootton Berlin.Dabei hatte er auf Einladung seiner Gesellschaft die Auswirkungen des Euros auf den Markt für Gewerbeimmobilien darzulegen und gemeinhin stehen Makler nicht im Verdacht, die Währungsumstellung in düsteren Farben auszumalen - sondern ganz im Gegenteil deren Vorzüge zu rühmen.Steht es also schlecht um Spreeathen?

"Berlin liegt an der Peripherie des neuen Eurolandes", sagt Kelly.Zudem habe die deutsche Hauptstadt eine doppelten Erblast zu schultern: Der Westteil der Stadt war einst subventionierter Standort verlängerter Industriwerkbänke, der Ostteil Sitz leistungsschwacher Unternehmen einer zentralisierten Planwirtschaft; infolgedessen liege auch zehn Jahre nach der Wiedervereinigung die Produktivität der Stadt unter dem Durchschnit westeuropäischer Metropolen.Die geographische Nähe zu den "Schwellenländern" der Europäischen Union erhöhe den Leistungsdruck, weil dort ähnliche Dienste für weniger Geld zu haben seien.So gelte es für Berlin zunächst, eine regionale Identität zu finden, und diese vielleicht durch Allianzen mit anderen Städten zu festigen, mit Hamburg zum Beispiel.

Ausgerechnet mit Hamburg? Die Hansestadt ist für den Londoner Marktbeobachter eine Vorzeigestadt des neuen Eurolandes, in einem Atemzug genannt mit Frankfurt (Main) und München, Paris und London.Ihnen bescheinigt der Makler "Kompetenz" dank der dort angebotenen, "hochwertigen Dienstleistungen", in Frankfurt (Main) besonders auf dem Feld der Finanzdienstleistungen.Die Mainmetropole sei sich als Sitz der Europäischen Zentralbank ohnedies einer Sonderstellung gewiß, denn alle Errungenschaften moderner Telefonie und Datenautobahnen zum trotz, die räumliche Nähe ermöglicht informelle Gespräche, und diese gelten für die Geschäftsbesorgung nach wie vor als unentbehrlich.

Deshalb folgen auch die Lobbyisten der Regierung von Bonn nach Berlin und kein hiesiger Makler wird müde, die davon ausgehenden Impulse für den Büromarkt herauszustreichen.Daß dieser Effekt in Berlin angesichts des enormen Leerstandes nur ein Tropfen auf den heißen Stein bedeutet, ist ersichtlich.Diese Nachfrage reicht nicht aus, in größerem Umfang das Überangebot an Gewerbeflächen abzubauen.Schlecht für Berlin ist aus Sicht des Londoner Analysten außerdem, daß die Stadt wenig Anziehungskraft auf weniger qualifizierte Dienstleister ausübt.Diese siedelten sich in einem offenen Euroland dort an, wo Arbeitskräfte noch billigen und Gewerbeflächen es ohnedies sind - in strukturschwachen Regionen.Dazu trägt nicht zuletzt der Preisverfall der Telefonkosten durch die Liberalisierung der Märkte bei.Call-Center von Versandhäusern oder Telefondienste schlagen ihre Zelte nicht mehr in der Nähe ihrer Kundschaft oder des Stammsitzes der Firma auf.

Metropolen sind so wenig gefragt wie bei Konzernen die verkehrlich verstopften und vergleichsweise teuren Innenstädte als Sitz ihrer Verwaltung ("Backoffice").Dieser Trend verstärkt sich, weil die meisten europaweit operierenden Unternehmen angesichts des Kosten- und Wettbewerbsdruckes gezwungen sind, den Deckungsbeitrag für ihre Raum- und Flächennutzung klein zu halten: "Unternehmen werden in steigendem Umfang aus jedem Quadratmeter Wert schöpfen wollen", sagt Kelly.

Das bedeutet nichts Gutes für die Vermieter: Die Mieter verlangen kürzere Vertragslaufzeiten und modernste Räume.Denn in Kernregionen folgen die Unternehmen dem Tempo technischer Innovation.Wer die Zyklen in der Datenverarbeitung kennt, kann sich ein anschauliches Bild der Folgen machen.Wie Heiner Genzken, Pressereferent von Intel, weiß, verdoppelt sich dem Moorschen Gesetz zufolge die Leistung von Computern alle 18 Monate.Anders ausgedrückt, alle eineinhalb Jahre benötigt dieselbe Anzahl von Transistoren nur noch die Hälfte der Siliziumfläche bei gleichbleibender Leistung.Die Miniaturisierung galoppiert.Vor 15 Jahren füllte ein in seiner Leistung heute handelsüblichen 3000-DM-Computern vergleichbarer Rechner eine ganze Büroetage mit rund 1000 Quadratmetern.

Das ist nur ein Beispiel.Natürlich erzwingt der Wettbewerbsdruck dynamische Unternehmensstrukturen: Fusionen oder Ausgründungen erzeugen und zersetzen Abteilungen.Meist sind eben fertiggestellte Bürohäuser dafür gewappnet - auch in der Architektur verkürzt sich die Halbwertzeit.

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