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In ihrem Showroom präsentiert die Goldschmiede Georg Hornemann Schmuck auf ungewöhnliche Weise.

© Thilo Rückeis

Schlüterstraße 45: "Die kreative Geschichte inspiriert"

Das frühere Hotel Bogotá beherbergt heute Büros und Ateliers. Der Charme des Ortes aber wirkt fort. Ein Hausbesuch.

Es war ein Stück altes West-Berlin, das verschwand, als das Hotel Bogotá Ende 2013 für immer seine Türen schloss. Schauspieler und Regisseure gehörten zu den regelmäßigen Gästen des Hauses in der Schlüterstraße 45. Mit Lesungen oder Tangoabenden war es aber auch ein Anlaufpunkt für die Berliner. Doch damit war mit der Schließung des überschuldeten Hotels erst einmal Schluss. Investor und Ex-Rennfahrer Thomas Bscher baute den denkmalgeschützten Altbau zu luxuriösen Büros nach den ursprünglichen Grundrissen um.

Denn die Geschichte der Schlüterstraße 45 begann lange vor der Eröffnung des Hotels Bogotá: Gebaut wurde es bereits 1912 im Auftrag des jüdischen Unternehmers Robert Leibbrand. Er zog mit seiner Familie nicht wie sonst üblich in die Beletage im ersten Stock, sondern ins Penthouse in den oberen beiden Geschossen. Eine sehr moderne Entscheidung, sind doch heute die oberen Stockwerke die besten Lagen, wie ein Blick auf das dem Bogotá gegenüberliegende Stück moderner Architektur zeigt: Ganz oben befindet sich ein besonders luxuriöses Apartment mit einem Infinitypool auf der Dachterrasse.

Heute hängen Entwürfe von Wolfgang Joop an der Wand

Ein schöner Ausblick für die rund 30 Mitarbeiter von Wolfgang Joops Modelabel Wunderkind. Der Potsdamer gehörte im vergangenen Jahr zu den ersten Mietern. Originalgetreu wurden die Böden aus Eichenparkett, der kunstvolle Stuck und die Zimmeraufteilungen von damals wiederhergestellt. Dort, wo in den 1930er Jahren die Modefotografin Yva mit ihrem Lehrling Helmut Neustädter – der sich nach seiner Emigration Newton nannte – ihr Atelier hatte, entstehen jetzt vier Kollektionen im Jahr.

Büro mit Wohlfühlfaktor. In der dritten Etage der Schlüterstraße 45 liegen die Räume der David Borck Immobiliengesellschaft.
Büro mit Wohlfühlfaktor. In der dritten Etage der Schlüterstraße 45 liegen die Räume der David Borck Immobiliengesellschaft.

© Thilo Rückeis

„Für Wolfgang war klar, dass er von seinem Potsdamer Schloss nicht in irgendeine Immobilie ziehen wollte, und er hat lange nach passenden Räumen gesucht“, weiß Studioleiter Christoph Becker. „Dass das Haus so eine kreative Geschichte hat, inspiriert ihn bei seiner Arbeit.“ Von der können sich Gäste in jedem der lichtdurchfluteten Räume überzeugen. Während im herrschaftlichen Showroom unter rund fünf Meter hohen Decken ordentlich aufgereiht die Kollektionen hängen, herrscht im Atelier kreatives Chaos. Handgezeichnete Entwürfe von Wolfgang Joop pinnen an der Wand. Seine Mitarbeiter übertragen sie auf Schnittmuster. Eine Etage höher rattern die Nähmaschinen, an denen die Prototypen entstehen. Produziert wird in Florenz.

Dass dort, wo schon in den 30er Jahren Mode fotografiert wurde, jetzt wieder Mode entsteht, hält Christoph Becker für eine wunderbare Fügung. Nach dem Brand vor einem Jahr im Dachstuhl des Hauses und den anschließend notwendigen Sanierungsarbeiten konnten viele Räume erst in den vergangenen Monaten fertig eingerichtet werden.

Thomas Bscher hat ein gutes Händchen bei der Auswahl seiner Mieter

Ebenfalls um schöne Dinge geht es im Atelier Georg Hornemann. Den breiten Flur nutzt der Goldschmied für Ausstellungen seiner Objekte in einem ungewöhnlichen Kontext: Kunstvoll sind dort goldene Skulpturen arrangiert – vor Fotografien oder neben historischen Glasschalen und Tierpräparaten auf frei im Raum stehenden Stehlen. In den repräsentativen Räumen zur Straße hin berät Alexander Hornemann, Sohn des Unternehmensgründers, seine Kunden. Sie sind im Stil der 20er Jahre eingerichtet, ganz im Einklang mit den hohen Räumen. Verwaltung, Werkstatt und Vertrieb haben auf einer Etage Platz.

„Wir produzieren vor allem Auftragsarbeiten, aber auch eigene Kollektionen“, sagt Alexander Hornemann. Unter anderem stellt seine Werkstatt die beweglichen Berlinale-Kameras her, die als Sonderpreis des Filmfestes vergeben werden. Die Schmuckkollektion können Besucher in Glasvitrinen bewundern. Viele der Stücke verlangen von der Trägerin einigen Mut, zum Beispiel der Ring mit einem sich aufschwingenden Schmetterling. Bei anderen Objekten verbindet Georg Hornemann Alltagsmaterialien wie Kunststoff oder Corian mit edlen Steinen.

"Schöner kann man nicht arbeiten"

Wolfgang Joops Label Wunderkind hat seine Räume im ehemaligen Atelier der Modefotografin Yva.
Wolfgang Joops Label Wunderkind hat seine Räume im ehemaligen Atelier der Modefotografin Yva.

© Thilo Rückeis

Bevor das Düsseldorfer Unternehmen in Berlin seine neuen Räume fand, war es schon drei Jahre lang auf der Suche. Dass die Wahl dann auf das geschichtsreiche Gebäude fiel, war kein Zufall. „Schöner kann man nicht arbeiten“, ist sich Alexander Hornemann sicher. Umgeben von Juwelieren, Galerien und hochwertigen Boutiquen findet er in dieser Gegend viele Schnittmengen mit der Kunst und der Mode.

Auch für die Hausgemeinschaft hat Alexander Hornemann nur Lob übrig und teilt den Eindruck, dass Thomas Bscher ein gutes Händchen bei der Auswahl seiner Mieter hat. In der dritten Etage erstreckt sich über eine Fläche von 382 Quadratmetern das Büro der David Borck Immobiliengesellschaft. Lounge und Besprechungsraum sind so wohnlich eingerichtet, dass man am liebsten gleich einziehen möchte. Kein Wunder: Professionelle Innenarchitektur für Visualisierungen in Bild und Film gehören zum Geschäft der Immobilienmakler. Schließlich ist von vielen Objekten gerade einmal die Baugrube zu sehen, wenn sie in den Verkauf gehen.

Im Erdgeschoss des ehemaligen Hotels ist noch Bewegung

Das gilt zum Beispiel auch für das NeuHouse in Kreuzberg vom Architekturbüro Gewers Pudewill, das gegenüber dem Jüdischen Museum entsteht. Damit sich die Käufer besser vorstellen können, wie ihre Wohnung einmal aussehen wird, gibt es einen Showroom mit Waschbecken, Fliesen, Duschen und den Fußböden, die für die Inneneinrichtung zur Auswahl stehen.

„Schon ein Jahr vor unserem Einzug haben wir Interesse für die Büroräume angemeldet“, sagt Caren Rothmann, geschäftsführende Gesellschafterin von David Borck über das frühere Bogotá. „Wir wollten wieder in einen Altbau, wir wollten in der Nähe des Ku’damms bleiben, und das Büro hier in der Schlüterstraße hat komplett zu uns gepasst.“ Schon im Baustaub stehend, erkannte sie – ganz Profi – das Potenzial der Räume, in denen jetzt rund 30 Mitarbeiter beschäftigt sind.

Während die oberen Etagen des ehemaligen Hotels schon sehr stimmig wirken, ist im Erdgeschoss noch Bewegung. Ein Küchenstudio zieht aus, Thomas Bscher ist nun im Gespräch mit „renommierten Modeeinzelhändlern“, die mehr Laufkundschaft in die Schlüterstraße 45 bringen sollen. Das zweite Geschäft nutzt er momentan selbst als Büro, was von außen durch die Milchglastüren nicht sichtbar ist. Eigentlich wollte Bread-&-Butter-Gründer Karl-Heinz Müller mit seiner Boutique 14oz dort einziehen, nahm aber aus finanziellen Gründen Abstand von den Plänen.

Wie in seiner gesamten Geschichte scheint der Wandel das einzig beständige in der Schlüterstraße 45 zu sein. So sehr viele um das Hotel Bogotá trauern, so schön ist es doch auch zu sehen, wie liebevoll das Gebäude wieder hergerichtet und von seinen neuen Mietern genutzt wird – ein Stück neues West-Berlin.

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