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Immobilien: Schnäppchenpreise in besten Lagen

Die Quartalsberichte über den Berliner Bürohausmarkt melden Überangebot, Leerstand und den Absturz der Mietpreise

Käufer und Entwickler von Gewerbeimmobilien machen eine bittere Erfahrung: Der Berliner Markt vernichtet seit Jahren das investierte Kapital, weil die Mieten und die Preise immer weiter fallen. Wer dagegen eine Büroadresse in der Hauptstadt sucht, wird sich freuen: Die Auswahl erstklassiger Neubauten ist groß und die schönsten Immobilien sind für kleines Geld zu haben. Grund zur Eile besteht nicht, denn das Überangebot lässt auch im kommenden Jahr die Preise purzeln. Dies geht aus den Marktberichten hervor, die Makler traditionell zum Quartalsende herausbringen.

In den Expertisen lautet die übereinstimmende Botschaft der Experten: Immer mehr Bürohäuser stehen in der Hauptstadt leer, und dennoch wird munter weitergebaut. Die Marktauguren erwarten, dass in Berlin in kurzer Zeit mehr als zehn Prozent aller Büroflächen leer stehen. Schon einmal war diese Schwelle Mitte der 1990er Jahre überschritten worden. Doch die zweistellige Leerstandsquote belastet den Markt heute stärker als damals, weil die absolute Zahl der angebotenen Flächen deutlich höher ist und die Wirtschaft in der Stadt schrumpft. Dadurch beschränkt sich die aktuelle Nachfrage zum größten Teil auf in Berlin ansässige Firmen, die aus der Rezession am Immobilienmarkt Kapital schlagen und damit den Verfall der Mietpreise beschleunigen.

„In der Hauptstadt Berlin reduzierte sich das Umsatzvolumen am Markt für Bürovermietungen um knapp sieben Prozent“, heißt es in dem Marktbericht von Jones Lang LaSalle. Nach diesen Angaben konnten Mietverträge über Büroräume mit einer Fläche von zusammen 59000 Quadratmetern in Berlin abgeschlossen werden. Einen ähnlichen Rückgang melden die Vermittler aus dem Hause Aengevelt, beziffern die Zahl der vermieteten Fläche jedoch noch niedriger (54500 Quadratmeter). Nur der dritte überregionale Vermittler von Gewerbeflächen, Atis-Real-Müller, kommt zu einem anderen Ergebnis: Büros mit einer Fläche von zusammen 75000 Quadratmetern hätten in der Hauptstadt neue Mieter gefunden, heißt es in deren Quartalsbericht.

Die Abweichung bei der Zahl vermieteter Bürohäuser ist auf verschiedene Erhebungsmethoden zurückzuführen: Einige Analysten rechnen die Verlängerung eines bestehenden Mietvertrags im selben Gebäude in die Summe aller Vermietungen ein, andere nicht. Dasselbe gilt für so genannte Sale-and-lease-back-Immobilien. Auch bei diesen Objekten werden Mietverträge abgeschlossen, doch diese beeinflussen den Immobilienmarkt nicht, weil der Mieter dieser Immobilien deren Bau initiiert hatte – er hat also zu keinem Zeitpunkt als Nachfrager von Mietflächen den Markt gestärkt.

Optimismus in der Rezession

Doch auch unabhängig von diesen Details der Marktforschung ist dem Bericht von Atis-Real-Müller ein fröhlicher Optimismus zu entnehmen, der mit der Realität in der Stadt wenig zu tun hat. So heißt es beispielsweise bei den Maklern, dass „die Talsohle des Büromarktes in diesem Jahr mit großer Wahrscheinlichkeit erreicht“ ist. Eine Begründung für diese kühne Prognose ist dem Bericht nicht zu entnehmen.

Im Gegenteil, es heißt darin, dass derzeit in Berlin eine Fläche von 564000 Quadratmetern, verteilt auf zahlreiche Bürohausprojekte, entsteht, und die Hälfte dieser Fläche „noch nicht vermietet ist.“ Wer in diese Häuser einziehen soll, ist angesichts der geringen Nachfrage völlig unklar. Denn alle Marktbeobachter sind sich darin einig, dass es keine Firmen und Verwaltungen aus anderen Regionen nach Berlin zieht, sondern ortsansässige nur „von einer Straße in die andere umziehen“, wenn ihre Mietverträge auslaufen. Kurz, die Nachfrage stagniert, doch das Angebot wächst – und dies treibt den Markt tiefer ins Tal.

Immerhin führen die viele Umzüge von Firmen innerhalb der Stadt dazu, dass seit Jahren ein relativ stabile jährliche Vermietungsleistung gemeldet werden kann (rund 380000 Quadratmeter). Doch dieser Umsatz hat nur einen Grund: Seit Jahren fallen die Mietpreise für Büroflächen. Firmen, die die derzeitige Stagnation im Lande und die Rezession in Berlin überstehen, nutzen das enorme Überangebot an Büroflächen: Sobald ihr Mietvertrag ausläuft, tauschen sie eine teure, etwas ältere Adresse gegen einen billigeren Neubau in besserer Lage.

Jedes zehnte Bürohaus steht leer

Diese Umzugswelle wird wegen des zunehmenden Leerstands – die Berichte melden zwischen 1,57 bis 1,6 Millionen Quadratmeter – in den kommenden Jahren nicht abebben. Doch dies ist kein Zeichen für einen gesunden Immobilienmarkt, heißt es in den Berichten der Firma City-Report. Im Gegenteil, um die Talsohle zu überwinden, müssten Firmen aus anderen Regionen nach Berlin ziehen und in der Stadt Büros mieten oder aber Existenzgründer oder bestehende Firmen zusätzliche Flächen nachfragen.

Doch solche Impulse gibt es derzeit nicht, weil die Wirtschaftsleistung in der Region nicht zunimmt. Das Gegenteil ist der Fall, wie aktuelle Zahlen des Statistischen Landesamtes belegen: Die Behörde meldet einen Rückgang des Bruttoinlandproduktes um 1,3 Prozent für das vergangene Jahr. Betroffen seien alle Wirtschaftszweige, also auch die Dienstleistungen, auf die in der Vergangenheit große Hoffnungen gesetzt worden waren. Der Abschwung hat sich im Vergleich zum Vorjahr leicht, um einen Zehntel Prozentpunkt beschleunigt. Damit koppelt sich Berlin von der Entwicklung in der übrigen Republik ab, wo die Wirtschaftsleistung stagniert (neue Länder: plus 0,2 Prozent; alte Länder: minus 0,1).

Während die Berliner Wirtschaft schrumpft, entwickelt der Markt für Gewerbeimmobilien geradezu „deflationäre“ Tendenzen: Die Eigentümer sind zu immer größeren Preiszugeständnissen gegenüber den wenigen Nutzern gezwungen. Dies beschleunigt den Preisverfall von Neubauten und von Grundstücken. Diese Entwicklung wird durch die rege Neubautätigkeit in der Stadt zusätzlich beschleunigt. Dass Bürohäuser trotz der schweren Krise gebaut werden, ist einer späten Erbschaft aus der kurzen Zeit der Börsen-Euphorie Ende der 1990er Jahre zu schulden. Die Grundstücke wurden damals gekauft, und die Projekte geplant, als die Spekulationsblase platzte war es zu spät – die Grundsteine schon gelegt. Weil nun aber die Nachfrage nach Büros von Firmen des neuen Marktes ausbleibt, stehen viele Neubauten leer. Dagegen haben Eigentümer vermieteter Gewerbeimmobilien derzeit gute Chancen, ihr Grundeigentum zu einem guten Preis zu verkaufen. Denn die institutionellen Investoren sind nach wie vor auf Einkaufstour.

Und Berlin ist trotz seiner problematischen wirtschaftlichen Lage den großen Kapitalsammelstellen (Offene Immobilienfonds; Versicherer; Rentenfonds) immer noch Millionen wert. Nach Angaben der Analysten von Jones Lang LaSalle wechselten im ersten Quartal Hauptstadtimmobilien im Gesamtwert von 333 Millionen Euro den Eigentümer. Dies sei fast drei Mal so viel wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres.

Allerdings verraten die Analysten nicht, welchen Anteil die „Sale-and-lease-back-Projekte“ an dem deutlich gestiegenen Umsatzvolumen haben. Wie an dieser Stelle bereits früher berichtet, haben Konzerne wie die Telekom den Bau neuer Firmenstandorte auf diese Weise finanziert – Auskunft über die Vitalität eines Investmentmarktes geben solche Projekte nicht. Denn hier stehen Planung, Bau und Verkauf unter dem Vorzeichen der späteren Nutzung durch den „Verkäufer“, der am Investmentmarkt überhaupt nicht als Nachfrager auftritt.

Doch auch die Ankäufe Institutioneller Anleger widersprechen nicht der derzeit katastrophalen Lage am Markt. Im Gegenteil, er folgt der alten Empfehlung: Investitionen sollten antizyklisch erfolgen, weil auf einem rezessiven Markt die Preise günstig sind – man spekuliert auf einen möglichen Aufschwung in der Zukunft, der den Wert der Immobilie sprunghaft steigen lassen kann. Dabei gehen die Anleger keine Risiken ein: Sie erwerben Gewerbeimmobilien in guten Lagen, die an solvente Nutzer langfristig vermietet sind. Und weil gewerbliche Mietverträge während der Laufzeit so gut wie nicht gekündigt werden können, sind die Renditen zumindest in dieser Zeit sicher.

Wie weit der Berliner Markt von einer Erholung entfernt ist, zeigt auch das Anlage-Verhalten anglosächsischer Oportunity-Fonds. Obwohl diesen noch am ehesten die Bereitschaft zu riskanten antizyklischen Investments nachgesagt wird, interessieren sie sich derzeit überhaupt nicht für Bürohäuser. Sie konzentrieren sich ausgerechnet auf den Erwerb von Wohnungsbeständen, die lange Zeit als renditeschwach links liegen gelassen wurden.

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