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Und weg war er. Michael Braun, Kurzzeit-Senator für Justiz, stolperte über sein umstrittenes Verhalten als Notar. Foto: ecopix/Zensen

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Schrottimmobilien: Außer den Käufern haben alle profitiert

Die Schrottimmobilien-Affäre um den CDU-Politiker Michael Braun nimmt kein Ende. Nun plaudert ein Ex-Manager aus dem Nähkästchen und spricht über windige Vertriebsfirmen und skrupellose Banken.

Er kennt das Geschäft mit Schrottimmobilien. In der früheren Arbeitswelt des Markus Schultze, der in Wirklichkeit anders heißt, aber anonym bleiben möchte, gab es Vertriebler, die Käufern Honig ums Maul schmierten, um ihnen von hinten ihr Erspartes aus der Tasche zu ziehen. Oder Konzernchefs, die in Geld schwammen, den Hals aber trotzdem nicht voll genug bekommen konnten. Und Bankangestellte, die bei den Worten „Kunden“ und „Kredit“ nicht an Beratung, sondern nur an Geschäftsberichte, Boni und Provisionen dachten.

Schultze selbst war mitten drin. Er war leitender Angestellter einer Berliner Immobiliengesellschaft, die arglosen Kleinanlegern überteuerte Eigentumswohnungen angedreht hat. „Bei den meisten unserer Geschäfte haben Käufer eine solide Altersvorsorge erworben“, sagt Schultze. „Aber es stimmt schon: Einige haben wir auch um ihr Geld gebracht“.

Die Beurkundung von Kaufverträgen für „Schrottimmobilien“ hat den Notar und CDU-Politiker Michael Braun das Amt als Justizsenator gekostet. Die Schatzmeister der Rechtsanwalts- und der Notarkammer Berlins mussten ihre Ämter ruhen lassen, weil auch sie nicht hinreichend über die Geschäfte aufgeklärt haben sollen. Über die Notare, die alle Vorwürfe bestreiten, ist viel geschrieben worden – über die Banken und die Vertriebs- und Immobilienfirmen weniger. Der Anleger-Anwalt Jochen Resch vertritt nach eigener Aussage mehrere hundert Anleger, die sich um ihr Geld gebracht fühlen und versuchen, beglaubigte Verträge rückgängig zu machen.

Als Markus Schultze bei einer dieser Firmen anfing, schien es eine ganz normale Immobiliengesellschaft zu sein. Sie kaufte Häuser, sanierte sie und verkaufte die Objekte als Eigentumswohnungen. Mitunter fanden sich als Abnehmer auch Konzerne aus dem Ausland. Häuser kaufen, abwarten, mit Gewinn weiter verkaufen – das Geschäftsmodell war simpel, die Rendite stimmte.

Dann, Ende 2008, kam die Finanzmarktkrise. Die Preise für Wohnhäuser fielen. Wie andere Unternehmen hatte auch Schultzes Firma nun Immobilien, die sie nicht loswurde – zumindest nicht auf dem üblichen Weg. „Leider haben wir dann den komplett falschen Weg eingeschlagen“, sagt Schultze. Seine Chefs engagierten eine Vertriebsfirma, die wegen aggressiver und betrügerischer Verkaufsmethoden berüchtigt war. Ihr damaliger Eigentümer sitzt inzwischen hinter Gittern.

Um den „Kunden“ die überteuerten Wohnungen schmackhaft zu machen, waren den Vertrieblern alle Mittel recht: Sie fragten potenzielle Käufer am Telefon, ob sie bei einer Meinungsumfrage mitmachen wollten. Als „Belohnung“ gab es Gutscheine für eine „Beratung“ zum Steuern sparen. Dann empfahlen die angeblichen Finanzexperten – welch Wunder – den Kauf einer Wohnung. Schnell zum Notar, es gebe schließlich andere Interessenten, dann war das Geschäft perfekt.

Wie reihenweise Menschen in den Ruin getrieben wurden

„Wie man sich eine Wohnung aufschwatzen lassen kann, die man nicht gesehen hat, verstehe ich bis heute nicht“, sagt Schultze. Aber die Verkäufer seien mit allen Wassern gewaschen. Verbraucherschützer bestätigen, dass sogar Professoren auf die Masche reinfielen.

Für die teils völlig heruntergekommenen Objekte zahlten Anleger oft mehr als doppelt so viel wie marktüblich. Mieteinnahmen und Steuerersparnis waren niedriger als versprochen, Zinsen und Tilgungsraten für die Kredite trieben Käufer in die Privatinsolvenz.

Da wurden reihenweise Menschen in den Ruin getrieben“, sagt Jürgen Blache von der Schutzgemeinschaft für geschädigte Kapitalanleger.

„Alle anderen haben profitiert“, sagt Ex-Immobilienmanager Schultze. Die Vertriebsfirma erhielt pro Vertrag rund dreißig Prozent der Verkaufssumme. Die Immobilienunternehmen erzielten Erlöse, die unter den damaligen Marktbedingungen mit seriösen Methoden nicht zu erreichen gewesen wären. Und Notare, wie der einstige Justizsenator Braun, strichen für die Beurkundungen ihre Gebühren ein.

Ein gutes Geschäft, sagt Schultze, war der organisierte Abverkauf auch für die Banken. Institute aus dem In- und Ausland hätten massenhaft Darlehen bewilligt, ohne die mit dem komplexen Geschäft überforderten Kreditnehmer je gesehen zu haben. „Viele Käufer konnten sich die Kredite eigentlich nicht leisten“, sagt Schultze.

Den Banken sei das egal gewesen. Die Anforderungen an die Bonität der Kunden waren deutlich zu niedrig.

Die faulen Kredite, mit deren Ausfall die Geldhäuser rechnen mussten, verkauften sie, oft gebündelt in komplizierten Finanzmarktprodukten, an andere Institute. Das Ergebnis war eine weltweite Kreditblase, die 2008 zum Crash führte. „Natürlich war unser Anteil daran nicht entscheidend“, sagt Schultze. „Aber mit unseren Geschäften haben auch wir dazu beigetragen.“ Im Rückblick sieht Schultze die Methoden seines damaligen Unternehmens äußerst kritisch.

„Wir ahnten, mit welchen Methoden die Vertriebler arbeiten. Aber solange die Banken die Kredite vergeben haben, lief das Geschäft ja.“ Seine Vorgesetzten und die Eigentümer hätten sich um jeden Preis die Taschen voll machen wollen. Moral? Die sei kein Thema gewesen. „Und dann gab es Leute wie mich“, sagt Schultze. Angestellte, die instrumentalisiert wurden, und denen die Vertriebsmethoden lange nicht bewusst waren. Seit einigen Jahren arbeitet Schultze außerhalb der Immobilienbranche. „Ich verdiene weniger. Dafür kann ich nachts wieder schlafen.“

(dapd)

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