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Die „neuen Alten“ können durchaus mit Technik umgehen. Zehn Prozent der heute über 65-jährigen sind im Besitz eines Tablets.

© imago/Westend61

Smart-Home-Technologien: „Achtung, der Herd ist noch an“

Smart-Home-Technologien sollen ein längeres Leben in den eigenen vier Wänden ermöglichen.

So sieht intelligentes Wohnen im Alter aus: Die Fenster schließen auf Knopfdruck, wenn es im Raum zu kalt ist. Die Armbanduhr am Handgelenk überwacht, ob Herzschlag und Atmung regelmäßig sind. Zur Schlafenszeit fahren die Rollläden automatisch runter. Und es piept, wenn die Herdplatte ungewöhnlich lange eingeschaltet ist.

Reine Zukunftsvision? Nicht im Sunpark des Evangelischen Johannesstift in Berlin-Neukölln. In der Musterwohnung „Amina“ werden derzeit rund zwanzig verschiedene Smart-Home-Technologien erprobt. „Eine solche Ausstattung gehört bald schon zum Standard“, ist Alfred Iwainsky überzeugt. Er ist Professor für Physik und Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik und hat den Aufbau des mitdenkenden Apartments in Zusammenarbeit mit dem Stift betreut.

In sogenannten „Smart Homes“ sind Haushaltsgeräte über Software mit einem Rechner verbunden. Die Technologien reichen mittlerweile weit über den obligatorischen Stromzähler oder Rauchmelder hinaus. Es gibt zum Beispiel Waschmaschinen, die sich dann anschalten, wenn der Strom besonders günstig ist. Der Wunsch nach mehr Energieeffizienz in Gebäuden hat der Entwicklung solcher Technologien einen weltweiten Boom beschert – auch in Deutschland. Rund 400 Unternehmen arbeiten hierzulande im Markt.

Czaja will die Verbreitung von Smart-Home-Technologien voranbringen

Intelligente Technologien helfen aber nicht nur, Strom zu sparen. Ihr Einsatz kann es älteren Menschen auch ermöglichen, möglichst lange in den eigenen vier Wänden und sicher zu leben. „Im Jahr 2030 wird jede vierte Berlinerin und jeder vierte Berliner über 60 Jahre alt sein. Der Bedarf an intelligenten Pflegekonzepten wird dadurch steigen“, sagt Mario Czaja, Senator für Gesundheit und Soziales des Landes Berlin. Vor diesem Hintergrund möchte Czaja Berliner Unternehmen bei der Entwicklung von Smart-Home-Technologien unterstützen und die Verbreitung in Berliner Wohnräumen voranbringen. Fachliche Unterstützung bekommt Czaja dabei unter anderem von der Technologiestiftung Berlin. „Wenn wir die führende Smart City in Europa werden wollen, darf das nicht vor der Haustür enden“, sagt Nicolas Zimmer, Vorstandsvorsitzender der Stiftung.

Nahe dem Treptower Park hat die Firma Casenio ihren Sitz. Ursprünglich auf IT-Dienstleistungen spezialisiert, entwickelt Casenio mit acht Mitarbeitern nun auch verschiedene Sensoren, die ein eigenständiges Leben im hohen Alter ermöglichen sollen. Sensoren erkennen, ob die Wohnungstür offen gelassen wurde. Sensoren in der Matratze registrieren, ob ein Bett ungewöhnlich lange oder gar nicht belegt ist. Ein Sensor im Fußboden meldet Stürze. Und Sensoren an der Tablettenpackung registrieren, ob der Patient seine tägliche Dosis einnimmt.

Sollte das nicht geschehen, spricht die digitale „Rund-um-die Uhr“ Assistenz den Hausbewohner direkt an. Diese Basisstation ist das Herz des Casenio-Systems. Die Zentrale warnt aber nicht nur bei Gefahren, sondern ist mit aufmunternden Sprüchen auch ein freundlicher Begleiter im Alltag. „Wenn eine Gefahrensituation eintritt und der Bewohner nicht reagiert, wird sofort ein Notruf abgesetzt. Das kann ein Anruf sein, aber auch eine Mail, Kurznachricht oder App-Nachricht“, erklärt Tim Lange, Vorstand bei Casenio.

Ein ganzes Haus mit so viel Technik auszustatten, klingt aufwendig

Wer informiert werden soll, lässt sich vorher im Online-Portal des Systems festlegen, für das jeder Besitzer ein eigenes Passwort erhält. Hier werden auch die Gewohnheiten des Bewohners eingegeben oder die Notiz, wann sich die Anlage aufgrund eines Urlaubaufenthaltes ausschalten soll. Die gesammelten Daten werden an das Rechenzentrum der Firma gesendet und dort mit den hinterlegten Informationen abgeglichen. Angesichts aktueller Skandale um Datensicherheit stellt sich die Frage, wie sicher solche Systeme auch vor Missbrauch sind. „Alle gesammelten Daten werden zu jeder Zeit verschlüsselt übertragen“, sagt Lange.

Ein ganzes Haus mit so viel Technik auszustatten, das klingt aufwendig. Tatsächlich sind Umbauarbeiten aber kaum zu befürchten. Denn Sensoren lassen sich meist über kabellose Fernbedienungen kontrollieren, die auch an jede Wand oder Tür geklebt werden kann. Viele Sensoren funktionieren auch per Stromversorgung aus einer normalen Steckdose.

1000 Stück der Basis-Station lässt Casenio derzeit bauen, ein Großteil ist bereits verkauft. „Vor allem die europäischen Nachbarländer interessieren sich sehr für unsere Technologien“, verrät Vorstand Lange. Das System gibt es daher bereits in mehreren Sprachen. Die Kosten für eine Anlage liegen bei rund 500 Euro, hinzu kommt eine monatliche Pauschale von 50 Euro. Einige Casenio-Technologien wie Herdüberwachung und Wasserflusskontrolle sind bereits in einer Zwei-Zimmer-Wohnung im Bezirk Marzahn-Hellersdorf in Anwendung. Neue Applikationen sollen hinzukommen.

Noch ist nicht geklärt, inwieweit sich auch Krankenkassen und Vermieter an den Kosten für derartige technologische Neuheiten in Wohnungen beteiligen. Sicher ist, dass intelligente Wohnungen nicht nur älteren Menschen eine echte Alternative zum Wohnheim bieten, sondern auch Pflegepersonal und Angehörige entlasten. Auch wenn die digitalen Assistenten den persönlichen Kontakt nicht ersetzen.

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