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Grüner wird’s nicht. Das Bürogebäude Humboldthafen 1 in Berlin-Mitte wirbt damit, „das grünste Bürogebäude Berlin“ zu werden. „Intelligente Gebäudeautomation“ soll den Nutzern helfen, auf verschiedenen Wegen Energie zu sparen. Noch in diesem Jahr soll die 30 000 Quadratmeter große Immobilie fertig gestellt sein.

© OVG Real Estate

Smart Homes: Smart macht mobil

Das Computer gesteuerte „schlaue Haus“ ist noch nicht massentauglich. Eine neue App soll das ändern.

Jahrelang hat die Industrie für die Idee vom „schlauen Haus“ geworben. Doch auch 20 Jahre später ist das Smart Home bisher „nicht in einen Massenmarkt gemündet“, bedauert der Netzwerker Jörg Lorenz aus Berlin. Das will er nun zusammen mit Universitäten und Unternehmen der Region im Verein „Green with IT Berlin-Brandenburg“ ändern. Zur Auftaktveranstaltung trafen sich die Mitglieder kürzlich bei der Industrie- und Handelskammer (IHK). Ihr konkretes Projekt: Gemeinsam wollen sie eine App entwickeln, mit der sich alle Geräte eines Smart Homes aus einer Hand steuern lassen.

Im automatischen Haus der Zukunft könnten Apps wie diese vieles erledigen, was man heute noch selbst tun muss: Das Licht ausschalten, wenn man das Zimmer verlässt. Die Heizung hochdrehen, bevor man nach Hause kommt. Die Rollläden runterlassen, wenn die Sonne aufs Südfenster brennt. Die Kühltruhe einschalten, wenn der Strom billig ist. Smart Homes – so lautet das Versprechen – sparen auf diese Weise viel Energie. Das bestätigt ein Pilotprojekt von RWE. Das Energie-Unternehmen hat 40 Häuser in Bottrop mit einem Steuersystem ausgerüstet, das unter anderem die Temperatur der Heizkörper regelt. Im Schnitt verbrauchten die Bewohner zehn Prozent weniger Heizenergie. Manche Haushalte sparten sogar 25 Prozent ein.

Warum die Einführung von Smart Homes trotzdem so langsam vorankommt, berichtet Hartmut Strese vom Institut für Innovation und Technik bei der Auftaktveranstaltung von Green with IT. „Der Leidensdruck ist noch nicht hoch genug.“ Die Energiepreise seien momentan zu niedrig, um etwa mit neuartigen Thermostaten Geld sparen zu wollen. Dabei arbeiten die smarten Geräte mit einer charmanten Technologie: Allein aus dem Temperaturunterschied zwischen der Umgebungsluft und dem warmen Wasser in der Heizung gewinnen sie genug Energie, um ein Ventil zu öffnen und zu schließen. „Energy harvesting“ nennt sich das. Gesteuert werden solche Thermostate per Funk mit einem Standard, der von Siemens entwickelt wurde und unter der Marke „EnOcean“ verkauft wird.

Smart City ist die Zukunft

Schon heute werden funkgesteuerte Thermostate und Leuchten in großem Stil in öffentlichen Gebäuden eingesetzt, sagt Graham Martin, Geschäftsführer der EnOcean Alliance. So habe die Müritz-Klinik in Waren (Mecklenburg-Vorpommern) Fenster und Heizungen mit Reglern ausgerüstet, die nach dem einfachen Muster „Fenster auf – Heizung zu“ funktionieren. Verschwenderische Kipplüftung hat damit ein Ende, weil es im Zimmer einfach zu kalt wird. 22 Prozent Heizkosten sparte die Müritz-Klinik nach der Umrüstung, sagt Graham Martin.

Clever vernetzt. Bei Yetu hat der Kunde auf seinem Tablet alles im Blick: Musik, Videos, Daten sowie die Apps, die den Haushalt bedienen – zum Beispiel die Waschmaschine.
Clever vernetzt. Bei Yetu hat der Kunde auf seinem Tablet alles im Blick: Musik, Videos, Daten sowie die Apps, die den Haushalt bedienen – zum Beispiel die Waschmaschine.

© Yetu

Auch das bald fertiggestellte Bürogebäude Humboldthafen 1 am Hauptbahnhof wurde vom Büro „KSP Jürgen Engel Architekten“ mit energiesparender Gebäudetechnik ausgestattet. Die Beleuchtung wird abhängig vom Tageslicht gesteuert, die Temperatur intelligent geregelt. Private Smart Homes und die öffentlichen Smart Buildings sollen in Zukunft dann zu einer Smart City verschmelzen. So ließe sich ein riesiges Potenzial an Energieeinsparungen heben.

Smart Homes können aber noch mehr als effizient sein, beispielsweise auf ihre Bewohner aufpassen. Assistenzsysteme für kranke und ältere Menschen sind sogar die häufigsten geplanten Smart-Home-Anschaffungen. Das ergab eine Umfrage des Branchenverbandes Bitkom. So hat das Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD einen berührungsempfindlichen Fußboden entwickelt, der Alarm schlagen kann, wenn ein älterer Mensch stürzt und Hilfe braucht. Auch einen Sicherheitsaspekt befriedigt die Anwendung: Sind die Bewohner nicht zu Hause, schlägt das System Alarm, wenn ein Unbefugter in die Wohnung eindringt.

Eine einheitliche Bedienung muss her

Bis man solche Dienste massenhaft nutzen kann, muss aber noch ein zentrales Problem gelöst werden: Bisher sprechen die Anwendungen nicht alle die gleiche Sprache. Deshalb will das Berliner Start-up „Yetu“ eine Universalbedienung fürs intelligente Zuhause schaffen. „Smart Homes sollen das Leben leichter machen und nicht schwieriger“, sagt Natalie Sonne von Yetu. Im Moment hätten Verbraucher nur zwei Möglichkeiten: „Entweder sie entscheiden sich für eine Marke und richten sich damit ein oder sie haben zig Fernbedienungen und lauter Geräte, die nicht miteinander kommunizieren können“, sagt sie.

Zwar gibt es auch einen Mittelweg, indem man sich an Plattformen wie Qivicon von der Telekom oder RWE Smart Home anschließt, die verschiedene Hersteller einbinden. Aber grundsätzlich ist das intelligente Haus noch weit von einer automatischen Inbetriebnahme entfernt.

30 Softwareentwickler arbeiten nun bei Yetu daran, ein sogenanntes Gateway zu programmieren, das die Geräte verknüpft. „Sie werden dann alle als App in den Yetu-Kosmos eingebunden und über den Fernseher, das Handy oder Tablet gesteuert“, erklärt Natalie Sonne. Den Bedenken der Verbraucher, ob ihre Daten auch sicher sind, will Yetu mit einer aufwendigen Verschlüsselung begegnen. „Schließlich sind die Daten aus der eigenen Wohnung die sensitivsten, die es gibt“, sagt Sonne.

Auch die geplante App von Green with IT soll höchsten Sicherheitsstandards genügen, sagt Jörg Lorenz. Als Konkurrenz zu Yetu sieht er sich nicht. Seine Zielgruppe sind die Mieter von Berliner Wohnungsgesellschaften, die die App ab Mitte 2016 kostenlos erhalten sollen. Auch sie wird ein Werkzeug für viele Aufgaben sein, etwa Sicherheitsanwendungen und Thermostate steuern können und Mietern erlauben, sich ein Mittagessen ins Haus zu bestellen. Über eine kleine Provision von solchen Einkäufen soll sich die App finanzieren; die Weitergabe von Daten schließt Jörg Lorenz kategorisch aus.

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