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Mi casa es su casa: Private Unterkünfte für Touristen sind häufig günstiger als Hotels.

© Jens Kalaene/dpa

Sofa-Tourismus: Klappcouch statt Kingsize-Bett

Sofa-Tourismus boomt – mit Konsequenzen für die Hotelbranche, aber auch Städte und Kommunen.

Das Angebot im Internet klingt verlockend: eine Nacht in Berlin für 28 Euro, Doppelbett, schickes Altbau-Zimmer mit Parkett. Kaum ein Hotel in der Hauptstadt kann da mithalten. Denn Zimmervermieter müssen keine Fluchtwege nachweisen, keine Gewerbe- und Bettensteuer zahlen – und sich selbst auch keinen Mindestlohn. Diese Art Wettbewerb ärgert die deutsche Hotelbranche. Doch so nervös wie Taxifahrer beim Gedanken an die Konkurrenz Uber ist sie noch nicht. Geht die Mode vorbei oder wächst in einer Online-Nische ein ernstzunehmender Konkurrent heran?

Noch ist die Sache wohl nicht so verführerisch wie sie klingt. Rund 60 Prozent aller Reisebuchungen werden in Deutschland noch immer offline erledigt, berichtet Torsten Kirstges, Experte für Tourismuswirtschaft an der Jade Hochschule Wilhelmshaven. Da sei das klassische Reisebüro gefragt. Doch wenn es nur um die Buchung einer Unterkunft gehe, werde das Internet immer beliebter. 50 Prozent der Zimmer buchten Städtereisende bereits selbst online, so Kirstges.

Das muss für deutsche Hotels noch kein Nachteil sein, denn auch sie sind im Netz gelistet. Statistiker gehen für 2014 bereits von 423 Millionen Übernachtungen in Häusern mit mehr als zehn Betten aus, nach 411 Millionen in 2013. Das wäre dann der fünfte Rekord in Folge, sagt Christopher Lück, Sprecher des Hotelverbands Deutschland. Kein Grund zur Panik also. Und doch hat die Branche Online-Plattformen wie Airbnb, die Privatzimmer und Ferienwohnungen vermitteln, im Blick. „Das ist ein Player, den wir ernst nehmen“, ergänzt Lück.

Hotels können den Trend schwer nachahmen

Nach Angaben von Airbnb waren 2014 auf dem Portal für Deutschland rund 38 000 Unterkünfte gelistet, davon 14 000 in Berlin. Insgesamt seien das doppelt so viele wie im Vorjahr, berichtet Sprecher Julian Trautwein. Rund eine Million Gäste habe das Angebot genutzt; 2013 waren es noch 250 000. Airbnb kam mit einer Charmeoffensive in den Markt: die nette Geschichte von jungen Designern aus San Francisco, die 2008 fast pleite waren – und in ihrer Wohnung Luftmatratzen und Frühstück für Messegäste anboten, die kein Hotelzimmer mehr fanden.

„Erlebnis Mensch“, nennt Tourismusforscher Kirstges dieses Phänomen. Ein Gast lernt seinen Vermieter und dessen Leben kennen. „Das spricht vor allem Menschen zwischen 20 und 40 an, die nicht der Pauschalreise-Typ sind“, sagt er. Hotels könnten diesen Sofa-Tourismus nur schwer nachahmen. Aber sie versuchen, den Trend aufzugreifen: Lobbys würden wie Wohnzimmer gebaut, Zimmer individueller gestaltet, berichtet Branchensprecher Lück.

Allerdings sind die erfrischend unprofessionellen Anfänge bei Airbnb für Dirk Schmücker, Marktforscher bei der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen, schon lange überholt. „Airbnb ist heute ein kommerzialisiertes Produkt“, sagt er. Längst nutzten viele Geschäftsreisende die Plattform. Auflagen und Abgaben, die für Hotels gelten, entfallen oft. Airbnb beabsichtige nicht, zwischen privaten und gewerblichen Anbietern zu trennen, sagt dazu Sprecher Trautwein.

Zwei Drittel der Angebote sind illegal

„Die Hotels haben Recht mit ihrer Kritik, da müssen politische Lösungen gefunden werden“, sagt Marktforscher Schmücker. Das sieht Airbnb offiziell auch so. „Wir haben nichts gegen Regulierung, wir wollen nicht im Graubereich agieren“, betont Trautwein. Aber oft gebe es in deutschen Städten noch gar keine zeitgemäßen Richtlinien für private Vermieter. Mit Amsterdam bestehe zum Beispiel die Übereinkunft, dass auch private Gastgeber alle maßgeblichen Steuern zahlen.

In anderen Ländern ziehe das Portal Bettensteuern mit ein und reiche sie weiter. In New York steht Airbnb aber weiter in der Kritik. Etwa zwei Drittel der Angebote seien illegal, heißt es in einer Untersuchung vom Oktober. Dadurch seien der Stadt mehr als 33 Millionen Dollar an Hotelsteuern entgangen.

Berlin will den Wohnraum wiederhaben

Berlin hat noch ein ganz anderes Problem: Wohnraum wird knapp. Oft ist es für Vermieter lukrativer, eine Wohnung an Touristen zu vermieten als sie langfristig zu vergeben. Mit einem Verbot dieser „Zweckentfremdung“ versucht die Stadt seit Mai 2014 gegenzusteuern.

Spätestens im Mai 2016 müssen heutige Ferienwohnungen wieder „normal“ vermietet werden. „Sinn der Sache ist gar nicht die Bettensteuer“, betont Martin Pallgen, Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Berlin wolle den Wohnraum wiederhaben.

Gängelungen hält Tourismusexperte Kirstges für den falschen Weg. Sinnvoll findet er dagegen das Urteil des Bundesgerichtshofs, das Mietern Anfang 2014 verbot, ohne Genehmigung ihres Vermieters zahlende Touristen einzuladen. Nach Kirstges’ Prognose wird Airbnb den Weg vieler Start-ups gehen, angefangen bei Ebay: Die gewerbliche Anbieter gewinnen Oberhand. Damit sei das „Erlebnis Mensch“ nicht mehr die Regel, der Coolness-Faktor sinke, Nachahmer machten sich breit. Am Ende stehe die Frage, welches Portal übrigbleibt.

(dpa)

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