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Sonderthema Treptow: Ein Kiez wird entdeckt

Der Norden des grünen Stadtteils boomt – doch nicht jeder freut sich darüber.

Die Botschaft auf einem Pappschild am Schmollerplatz in Treptow ist unmissverständlich. „Yuppies, verpisst euch!“ hat jemand drauf gekritzelt. Und meint damit offensichtlich die Baugruppe, die auf einem bisher unbebauten Grundstück an eben diesem Schmollerplatz, direkt neben der Neuapostolischen Kirche, nach eigenen Worten ein architektonisch hochwertiges Niedrigenergiehaus mit 16 Wohneinheiten errichten will – und damit den Widerstand mancher Kiezbewohnern weckt.

Tatsächlich macht der nördliche Teil Treptows derzeit eine Wandlung durch, die an die Entwicklung von Teilen Friedrichshains oder Kreuzbergs erinnert. „Seit etwa zwei Jahren wird der Kiez vor allem für kreative Leute interessant“, sagt Rainer Hölmer, Baustadtrat des Bezirks Treptow-Köpenick. Im Umfeld des Landwehrkanals und der Karl-Kunger-Straße werden immer mehr Cafés, Galerien und originelle Läden eröffnet, und mehrere Baugruppenprojekte zeigen, dass die urbane Mittelschicht mittlerweile nicht mehr nur in Prenzlauer Berg auf der Suche nach geeigneten Grundstücken ist, auf denen sie sich ihren Traum vom selbstbestimmten Wohnen erfüllen kann.

Gegen diese Entwicklung erhebt sich Kritik, als deren Sprachrohr sich eine Initiative namens Karla Pappel versteht. „Einmal mehr“, schreibt diese mit Blick auf das Schmollerplatz-Projekt in einer „Mieterinfo“, „ziehen hier finanzkräftige Leute in den Kiez und heizen den Verdrängungsprozess armer Schichten an.“ Weitere Baugruppenprojekte, aber auch der Verkauf von Mietshäusern an Finanzinvestoren und die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen belegen nach Ansicht der Anwohnerinitiative, dass im Kiez um die Karl-Kunger-Straße ein Prozess der Gentrifizierung, wie diese Aufwertung genannt wird, stattfindet. Baustadtrat Rainer Hölmer (SPD) kann diese Kritik nicht nachvollziehen. Noch vor wenigen Jahren bestand nach seiner Einschätzung sogar eher die Gefahr eines sozialen Abstiegs. „Die Karl-Kunger-Straße starb als Geschäftsstraße vor sich hin“, erinnert er sich. Dass sich jetzt verstärkt unkonventionelle Läden und Cafés ansiedeln, führt er vor allem auf die Nähe zu dem bei Kreativen unter dem Namen Kreuzkölln beliebt gewordenen Norden Neuköllns zurück. Hölmer spricht von einer „gewünschten und sinnvollen Durchmischung: So wenig, wie ich möchte, dass es wie in den USA geschlossene Wohnviertel von Reichen gibt, möchte ich, dass Leute mit etwas mehr Geld nicht willkommen sind.“ Die Gefahr einer Verdrängung sieht der Baustadtrat nicht; so seien bisher zum Beispiel nur vereinzelt Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt worden.

Trotzdem: „Die Gegend ist im Kommen“, bestätigt Andreas Habath vom Berliner Landesverband des Maklerverbandes IVD. Modernisierte Altbauwohnungen für eine Kaltmiete von weniger als 6 Euro pro Quadratmeter sind nach seinen Worten rund um die Karl-Kunger-Straße kaum mehr zu finden. Durchschnittlich stiegen die von den Vermietern bei neuen Vertragsabschlüssen verlangten Mieten im Postleitzahlbezirk 12435 laut Roman Heidrich, Wohnungsmarktspezialist beim Immobilienberatungsunternehmen Jones Lang LaSalle, zwischen dem zweiten Halbjahr 2007 und dem zweiten Halbjahr 2009 um 7,9 Prozent auf 6,09 Euro pro Quadratmeter. Auch der Leerstand sank – im Gesamtbezirk Treptow-Köpenick von 3,5 Prozent (2003) auf 2,4 Prozent (2009). Vor allem junge Familien fühlen sich vom nördlichen Teil Treptows angezogen. „Für die ist es interessant, in einer Gegend zu wohnen, die ein bisschen grüner und ruhiger, aber trotzdem noch innerstädtisch ist“, sagt Baustadtrat Hölmer. Das sehen auch die beiden Baugruppen so, die an der Karl-Kunger-Straße/Ecke Lohmühlenstraße – in unmittelbarer Nähe von Kanal und Görlitzer Park und direkt neben der Wagenburg Lohmühle – das Zwillingshaus und das Projekt KarLoh mit zusammen 28 Wohnungen errichten. „Wir kommen so gut wie alle aus der unmittelbaren Nachbarschaft und wohnen dort seit teilweise dreißig Jahren“, halten die Vertreter der Baugruppe KarLoh in einer Stellungnahme zu den Vorwürfen der Initiative Karla Pappel fest – was freilich nicht verhinderte, dass am Rohbau unübersehbar der Schriftzug „Verdrängung hat viele Gesichter“ prangt.

Weitere Stadtvillen – natürlich ebenfalls als Baugruppenmodell – entstehen derzeit an der Hoffmannstraße und damit nördlich der von attraktiven alten Villen gesäumten Puschkinallee. Hier befinden sich auch das bekannte Veranstaltungszentrum Arena mit dem Badeschiff und außerdem mit den Twintowers und dem Treptower zwei riesige Büroimmobilien. Die wurden schon in den neunziger Jahren errichtet – bereits damals glaubten also Investoren an die Qualitäten von Treptow.

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