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Noch einmal aufdrehen. In der Malzfabrik in der Bessemerstrasse werden neue Konzepte der Produktion erprobt.

© promo

Stadtentwicklung: Renaissance der Fabrik im Hinterhof

Eine neue Studie der Technologiestiftung beleuchtet den Einfluss der digitalisierten Wirtschaft auf den Berliner Immobilienmarkt.

Für die Fabrik von morgen ist die Datenautobahn mindestens so wichtig wie die gute Anbindung an das Straßennetz. Moderne Maschinen brauchen weniger Platz als die Produktionshalle mit Fließbändern, und die Logistik für die Herstellung von Einzelstücken am 3-D-Drucker muss anders organisiert sein als die für eine Massenproduktion. Alle diese Entwicklungen werden die Stadt im 21. Jahrhundert verändern.

Dies sind Thesen aus einem Bericht der Technologiestiftung Berlin, der diese Woche vorgestellt wurde. Die Studie von Anne-Caroline Erbstößer mit dem Titel „Produktion in der Stadt. Berliner Mischung 2.0“ beschäftigt sich auch mit dem Einfluss der Digitalisierung auf den Immobilienmarkt.

So habe Amazon an einem teuren Standort in der Wilmersdorfer Uhlandstraße ein Distributionszentrum eingerichtet. „Das konnte man sich bis vor Kurzem nicht vorstellen“, sagte Nicolas Zimmer, Vorstandsvorsitzender der Stiftung, bei der Vorstellung der Studie. Der zentrale Standort sei aber ein entscheidender Wettbewerbsfaktor, wenn Lieferzeiten von einer Stunde garantiert würden.

Gewerbe wird sich also auf ganz andere Weise als bisher auch mitten in der Stadt ansiedeln. Gleichzeitig wird die Digitalisierung den Lieferverkehr beeinflussen. „Stückzahl 1“ ist hier das Stichwort: Mit den neuen 3-D-Druckern können Teile in sehr kleinen Mengen hergestellt werden.

Das reduziert möglicherweise die globalen Verkehrsströme, könnte das Verkehrsaufkommen in der Stadt aber erhöhen. „Wie genau, wissen wir aber nicht“, sagt Christian Hammel von der Technologiestiftung und sieht in diesem Punkt noch großen Forschungsbedarf.

Leben und Arbeiten sollen näher zusammenrücken

Eine neue Durchmischung von Wohnen und Produzieren aber zeichnet sich als Trend deutlich ab. Dazu will auch das Bundesbauministerium beitragen. Es hatte bereits im Sommer angekündigt, neben Wohn-, Gewerbe- und Mischgebiet eine neue Form zuzulassen, die sich Urbanes Gebiet nennt. Darin wären Abstandsgebote reduziert und der Lärmschutz weniger streng. Ziel ist vor allem die Möglichkeit, leichter Wohnraum zu schaffen. Aber auch das Miteinander von Leben und Arbeiten würde so eher möglich. Alte Konzepte, beides zu trennen, erklärt die Studie jedenfalls für gescheitert.

Wie aber neue Formen etablieren, wo doch bisher „maximal das Klappern von Tastaturen in Büros als verträglich eingeschätzt wird“, heißt es leicht ironisch zu mentalen Blockaden, das Produzieren in der Stadt neu zu denken. Allein die Annahme, dass neue Produktionsformen neue Produktionsstätten entstehen lassen, führe nicht zwangsläufig dazu, bestehende Rahmenplanungen zu überdenken „Die smarte Fabrik im Hinterhof und damit verbundene Dienstleistungen, also Lösungen für die Vernetzung von Produktion mit Forschung und Entwicklung und anderen Nutzungen, ist eine Möglichkeit, die Produktion zurück in die Stadt zu holen“, schreibt Anne-Caroline Erbstößer.

Ein Hindernis dafür sieht Nicolas Zimmer eher nicht in den vorgegebenen Nutzungsarten, wie sie in den Flächennutzungsplänen hinterlegt sind. „Es geht weniger um ein planungsrechtliches Problem als darum, wie wir die Menschen einbeziehen“, sagte er. Der Volksentscheid gegen die Bebauung des Tempelhofer Feldes sei das beste Beispiel dafür, dass Menschen die Möglichkeit haben wollen, zu partizipieren.

„Mit intelligenter Visualisierung und Kommunikation müssen wir versuchen, die Bürger dafür zu gewinnen, die Stadt weiterzuentwickeln“, sagte Zimmer. Eine vorausschauende und integrative Planung von gemischten Gebieten und eine frühzeitige Nutzereinbindung gehören denn auch zu den 14 Handlungsempfehlungen, die in der Studie formuliert werden.

In der Malzfabrik am Südkreuz wird bald vertikal produziert

Trotzdem können die Ansprüche des produzierenden Gewerbes natürlich den Druck auf den ohnehin schon angespannten Immobilienmarkt erhöhen. Plastisch zusammengefasst ist das in der Studie in der Bildüberschrift zu einem 100 Jahre alten Foto aus einem Berliner Hinterhof mit Gewerbeproduktion: „Früher notwendig, später ein Albtraum, heute ein Traumstandort, morgen unbezahlbar?“ ist das Bild betextet.

Ein Ausweg ist möglicherweise die sogenannte vertikale Produktion. Denn zu den Folgen der digitalen Revolution gehört ja auch, dass keine horizontalen Fertigungsstraßen mehr gebraucht werden, wo ein Produkt von A bis Z zusammengesetzt wird. Die Produktion erfolgt modular, das Montieren kann dann an einem ganz anderen Ort geschehen.

In der Malzfabrik am Südkreuz, wo die Studie in einem ehemaligen Tankraum vorgestellt wurde, soll bald so eine vertikale Produktion anlaufen. Der Geschäftsführer und Besitzer der Malzfabrik, Frank Sippel, will ein 42 Meter hohes Silo in acht Etagen unterteilen und mit einem Lastenaufzug versehen. Dort könnten dann in zwei Jahren die ersten Unternehmen einziehen.

Interessensbekundungen hat Sippel bisher von lebensmittelverarbeitenden Firmen erhalten, etwa einer Kaffeerösterei oder einer Mikrobrauerei. Das passt zum Standort und zum Konzept von Sippel, der die alte Industriebrache nachhaltig entwickeln will. So hat er auf einer Fläche, die er mit einer guten Rendite bebauen könnte, einen Teich angelegt, der als Regenrückhaltebecken dient – und dazu, den Standort attraktiver zu machen.

Die Studie steht auf der Website www.technologiestiftung-berlin.de zum Download bereit.

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