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Unterbringung von Schutzsuchenden: Flüchtlinge in Berlin: Bundesimmobilien nur zum Teil geprüft

Sechs Monate nach Vorlage der Liste haben das Landesamt für Gesundheit und Soziales und die Berliner Immobilienmanagement noch nicht alle Angebote gesichtet.

In Ländern und Kommunen wird die Lage bei der Unterbringung von Flüchtlingen immer schwieriger. Angesichts der steigenden Zahl Asylsuchender sinkt die Zahl der freien Unterkünfte. Schon werden Zelte auch für den Winter nicht mehr ausgeschlossen.

Die Lage wird sich auch angesichts des immer noch ungebrochenen Zustroms an Flüchtlingen weiter verschärfen. Dennoch hat sich die Berliner Verwaltung offenbar bisher nicht in der Lage gesehen, die vom Bund angebotenen Gebäude und Liegenschaften zur Erst- und/oder weiteren Unterbringung in Berlin durchzuarbeiten. Zwar wurden einzelne Objekte angemietet, andere abgelehnt. Doch die Mehrzahl der Immobilien wurde nach Tagesspiegel-Informationen auf ihre Eignung als Notquartier für Flüchtlinge noch immer nicht untersucht.

Berlins neuer Staatssekretär für Flüchtlingsfragen, Dieter Glietsch, sagte am Mittwoch, die drängendste Aufgabe sei derzeit, neue Unterkünfte für Asylsuchende zu finden und diese menschenwürdig auszustatten. Eine Liste der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) mit fast 120 Gebäuden an 12 Standorten liegt dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) seit 12. März vor. Eine weitere Aufstellung mit 60 Grundstücken an 37 Standorten erhielt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt nach Informationen des Tagesspiegels wenige Tage später.

Das letzte Wort hat offenbar das unterbesetzte Lageso

En detail hat sich die Sozialverwaltung offenbar mit dem Angebot des Bundes noch nicht beschäftigt: Auch ein halbes Jahr später könne man „keine Aussagen zu einzelnen Immobilien treffen, zumal wir uns noch in der Prüfungsphase befinden“, schreibt Katja Cwejn von der landeseigenen Berliner Immobilienmanagement (BIM) auf eine Anfrage dieser Zeitung zu den Bima-Listen.

Seit dem 17. August 2015 fungiert nicht das Lageso, sondern die BIM als Ansprechpartner für Anmietungs- und Herrichtungsfragen. Seitdem soll die BIM als „Geschäftsbesorger“ für das Lageso nach außen fungieren, das Lageso bindet nur noch den Betreiber der Asylunterkünfte.

Das letzte Wort hat dann offenbar aber trotz dieses Wechsels wiederum das personell unterbesetzte Lageso: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir einer Entscheidung durch das Lageso, welche Liegenschaften für die Flüchtlingsunterbringungen letztendlich genutzt werden, nicht vorgreifen möchten“, teilt die BIM-Sprecherin Katja Cwejn mit. Damit liegt der Ball wieder im Feld des Landesamtes.

Möglicherweise wird die Bima die Kosten erstatten

Unterdessen setzt nicht nur Dietmar Woidke, Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz und Regierungschef im benachbarten Brandenburg auf Hilfen des Bundes. „Ich erwarte, dass der Bund sie selbst auch so herrichtet, dass dort Flüchtlinge untergebracht werden können“, sagte er mit Blick auf das für vergangenen Donnerstag geplante Sondertreffen der Länder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Der Bund wäre nach Angaben der Bima unter Umständen durchaus zur Herrichtung bereit. „Im Bundesministerium des Innern gab es am 25. August eine Staatssekretärsbesprechung von Bund und Ländern zu Liegenschaftsfragen bei der Flüchtlingsunterbringung“, teilte die Bima auf Anfrage mit. „Nach Maßgabe der Ergebnisse des Treffens prüft der Gesetzgeber derzeit, ob und inwieweit Herrichtungskosten von der Bima erstattet werden können.“

Nach Angaben der Bundesanstalt wurden seit dem 17. August mit der BIM die ehemalige Kaserne Schmidt-Knobelsdorf-Straße sowie die Liegenschaften Neuendorfer Straße 64-69 (teilweise), Rue Ambroise Paré 3/3a sowie 5/5a und das ehemalige Bundesinstitut für Risikobewertung (Thielallee 88-92) besichtigt. Letzteres hatte die Bima dem Senat erst kürzlich angeboten, und es wurde sofort bezogen.

"Die Bima selbst könnte deutlich mehr Engagement an den Tag legen."

Die anderen Objekte auf der Liste hatte Sozialsenator Mario Czaja (CDU) laut einem Bericht des rbb schon kurz nach Eingang abgelehnt. Es sei nicht sinnvoll, Mitarbeiter mit der Sichtung zu beauftragen, sagte Czaja und äußerte sich enttäuscht.

Sprecher der Linken und der Piraten hatten damals vermutet, die Bima wolle sich eher ihrer maroden Gebäude entledigen.

Die Berliner Bundestagsabgeordnete Lisa Paus (Grüne) sagt auf Anfrage: „Die Bima selbst könnte deutlich mehr Engagement an den Tag legen, um auf ihren Liegenschaften Flüchtlingsunterkünfte einzurichten. Vor allem führte aber die Inkompetenz und Arroganz von Mario Czaja dazu, dass nicht längst viel mehr Bima-Flächen für Flüchtlinge genutzt werden. Michael Müller sollte die Verhandlungen mit der Bima zur Chefsache machen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass von den weit über 800 Bundesliegenschaften in Berlin bisher nur vier zur Unterbringung von Flüchtlingen geeignet sein sollen und seit einem Jahr keine weitere Bundesliegenschaft mehr als Flüchtlingsunterkunft hinzugekommen ist.“

"Keine Fenster, schlechter baulicher Zustand, nur Lager"

Tatsächlich geht schon aus der Bima-Liste hervor, dass Umbau und Sanierung teuer werden könnten. „Keine Medien“, „ohne Brandschutz“, „keine Fenster“, „schlechter baulicher Zustand“, „nur Lager“, „keine sanitären Anlagen“, „keine Beheizung“ – mindestens einer dieser Vermerke steht hinter beinah jedem Gebäude.

Allerdings hat die Bima vor einer Woche noch eine Villa mit einer Nettogrundfläche von circa 410 Quadratmetern am Kurt-Schumacher-Damm 127 nachgeschoben. Es handelt sich um eine ehemalige Offiziersvilla an der Julius-Leber-Kaserne nahe des Flughafens Tegel. Eine „anderweitige Nachfrage“ dafür sei zurückgezogen worden, teilte die Behörde mit.

Bei einem Treffen mit den Spitzen von Bau- und Wohnungswirtschaft sagte Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) in dieser Woche zu, dass sie sich für mindestens eine Verdoppelung der sogenannten Kompensationsmittel des Bundes für den sozialen Wohnungsbau in Höhe von 518 Millionen Euro einsetzen wird. Verstärkt soll der Einsatz industrieller Fertigungsmethoden geprüft werden, um durch Modularisierung, Standardisierung sowie Vorfertigung Zeit und Geld zu sparen.

Vertreter des Bundesverbandes Altbauerneuerung BAKA sagten auf Anfrage: „Deutschlandweit stehen eine Vielzahl von nicht mehr bewohnten Siedlungen, Kasernen, Büro- oder Verwaltungsgebäude zur Verfügung. Sie könnten mit zeitlich und finanziell überschaubaren Mitteln ,wohnfähig’ gemacht werden.“

Angesichts der großen Herausforderungen bei der Unterbringung der Flüchtlinge sind ungewöhnliche Lösungen gefragt. Ein Gartenlaube ist offenbar schwer umzuwidmen. Gute Erfolge aber kann das Projekt Sharehaus Refugio in Neukölln vorweisen.

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