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Wohnen neben den Kurzwaren. Das frühere Kaufhaus am Anton-Saefkow-Platz in Lichtenberg beherbergt heute die „Star Lofts“ mit 84 Wohnungen.

© Promo/Bau & Grund

Warenhäuser haben Zukunft: Mit dem Warenlift ins Wohnzimmer

Für die neue Nutzung alter Kaufhäuser haben Projektentwickler viele Ideen – auch in Berlin.

Kaufhäuser waren einst repräsentative Gebäude im Zentrum der Stadt, die mit ihren portalartigen Fassaden zugleich einladend und überwältigend wirkten. Sie waren die Warentempel und Konsumkathedralen der Gründerzeit, die architektonisch die Avantgarde einläuteten und mit Gütern aus aller Welt das Publikum anlockten.

Dann kam der Zweite Weltkrieg und veränderte alles. Im Zuge des Wirtschaftswunders und des Wiederaufbaus entstanden neue Handelsbauten – quadratische Verkaufsmaschinen, die sich vom traditionellen Stadtbild abhoben und auf der grünen Wiese genauso gut funktionierten wie in der Innenstadt. Dabei wurde überall die Flächennutzung auf die Präsentation von Waren bis in den letzten Winkel optimiert – und Fenster zur Mangelware. Das moderne Warenhaus ist ein Einkaufskasten mit Rolltreppe, das sich von der Stadt abwendet. Die Konkurrenz durch Shopping Center und vor allem aus dem Internet macht dabei vor allem Häusern in B-Lagen den Garaus. Was also tun mit den leer stehenden Kaufhäusern?

Nicht immer ist ein Abriss die sinnvollste oder nachhaltigste Lösung. Findige Investoren und Projektentwickler sind also gefragt. Ein solches Duo sind die aus Dernbach im Westerwald stammenden Investoren Lutz Lakomski und Arndt Ulrich. 2009 kauften sie am Anton-Saefkow-Platz in Lichtenberg das ehemalige Konsument-Kaufhaus, das zuletzt von Kaufhof genutzt worden war. Gemeinsam mit dem Berliner Immobilienmakler Thomas Du Chesne entwickelten sie ein gemischtes Nutzungskonzept und bauten das Haus für insgesamt 15 Millionen Euro um.

Jetzt befinden sich im Erdgeschoss ein Nahversorgungszentrum und in den drei Stockwerken darüber auf 5200 Quadratmetern die „Star Lofts“: 84 Wohnungen mit vier Meter hohen Decken, einem innenliegenden Abstellraum, Lastenaufzug und Loggia. Bei Mieten von rund 10,50 Euro bruttowarm und der guten Verkehrsanbindung waren sie sofort vermietet.

„Ich würde ein solches Konzept jederzeit wieder realisieren“, sagt Lutz Lakomski. „Die Kombination von Wohnen und Handel funktioniert an innerstädtischen Standorten sehr gut, vor allem in Berlin, wo es einen Mangel an bezahlbarem Wohnraum gibt.“ So kaufen er und sein Partner Arndt Ulrich alte Immobilien in Berlin auf und wandeln sie in bezahlbaren Wohnraum um. „Gewerbeimmobilien eignen sich gut, da ihre Substanz und Statik gut sind. Und auch die lichte Raumhöhe ist von Vorteil“, sagt er. „Man hat einfach mehr Möglichkeiten.“

Öffentliche Räume mit Bezug zum Kiez

Lakomski und Arndt sind nicht die einzigen Investoren, die in alten Kaufhäusern neue Wohnungen sehen. Auch die Familie Breuer baute in Eschweiler bei Köln ihr Kaufhaus mangels Rentabilität um. Seit 2006 gibt es im Erdgeschoss Einzelhandelsflächen, darüber eine Büroetage und im zweiten und dritten Stock acht barrierefreie Wohnungen mit einer Gemeinschaftsterrasse auf dem Dach. In Delmenhorst und Wuppertal überlegt man, ehemalige Kauf- in Wohnhäuser umzuwandeln. Und in Andernach bei Koblenz leben heute Senioren, wo einst Waren aller Art verkauft wurden.

Aber es gibt auch andere Konzepte. So beherbergt in Neuss das ehemalige Kaufhaus Merkur heute das Rheinische Landestheater und das Kreishaus, während in Hamburg ein Kaufhaus zum Geschäftshaus mit Kita umgenutzt wurde. „Kaufhäuser sind nicht fürs Wohnen prädestiniert“, sagt Wilhelm Klauser, Geschäftsführer der InitialDesign, einem Projekt- und Produktentwickler mit Sitz in Berlin und Paris. „Sie stehen meistens an Orten, die hoch frequentiert sind und wo viel Verkehr herrscht, auch in 1-B- und 1-C-Lagen. Das ist nicht ideal zum Wohnen. Alte Industrieflächen haben da mehr Charme.“

So wünscht er sich auch für das seit 2009 leerstehende Hertie-Kaufhaus in der Turmstraße keine Wohnungen, sondern, dass es zum neuen Identifikationsraum für die Bürger wird. „Ich könnte mir vorstellen, hier als Zwischennutzung ein Biomassekraftwerk kombiniert mit urbaner Landwirtschaft zu betreiben. Dafür gibt es Ideen aus Holland, die nicht sozialromantisch, sondern radikal neu und ökonomisch sinnvoll sind“, so Klauser.

Insofern sieht er das bestehende Konzept für das verfallene Haus als Einkaufs- und Versorgungszentrum mit Apartments oder einem Hostel in den oberen Etagen kritisch. „Ein Hostel funktioniert in Berlin zwar immer, aber es hat keinen Bezug zum Kiez. Das wäre aber gerade in diesem problematischen Quartier wichtig“, meint er. „Außerdem braucht man neue Einzelhandelskonzepte, die zukunftsorientiert sind. Denn auch Shopping Center haben Probleme, ihre Flächen zu vermieten.“ So prognostiziert Klauser, dass es bald gang und gäbe werde, innerstädtische Showrooms für den Onlinehandel zu haben. Außerdem erwartet er, dass der Einzelhandel künftig kleinere Flächen benötigt.

Auch Wolfgang Christ, Architekt und Professor an der Bauhaus Universität Weimar, möchte den öffentlichen Charakter ehemaliger Kaufhäuser erhalten. „Ich bin ein großer Freund der Handelsnutzung“, sagt er. „Denn Handel ist der materielle Träger der Urbanität. Es geht hier um einen Austausch, um ein Sehen und Gesehenwerden, um Konkurrenz, um billig und teuer.“

Ohne Handel keine Stadt, so seine These. Wobei ihm klar ist, dass man alte Kaufhäuser nicht einfach in vierstöckige Shopping Center umwandeln kann. „Der Handel funktioniert im Erdgeschoss und vielleicht noch im Untergeschoss. Darüber gehören öffentliche Funktionen wie das Rathaus, eine Bibliothek oder die Volkshochschule“, so Christ. „Damit revitalisiert man nicht nur das Haus, sondern auch die Stadt.“

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