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Immobilien: Warten auf bessere Zeiten

In manchen Teilen Berlins kosten Eigenheime weniger als vor 25 Jahren. Dennoch schrecken die meisten privaten Käufer und professionellen Kapitalanleger vor Investitionen in der Hauptstadt zurück. Denn die Preise fallen immer noch.

Von Ralf Schönball

Vollmundigen Versprechen von Immobilienhändlern war der Vorsitzende des Gutachterausschusses für Grundstückswerte schon früher mit begründeter Skepsis entgegengetreten. Wer von Berufs wegen jeden Kaufvertrag über Grundstücke und Bauten in Berlin auf den Tisch bekommt, um daraus statistische Preise abzuleiten, ist nicht so leicht in die Irre zu führen.

Und seitdem der leitende Vermessungsdirektor beim Bausenat sein eigenes Haus in Marienfelde verkauft hat, widerspricht er auch einem anderen, weit verbreiteten Vorurteil: Dass der Erwerb einer Immobilie dem Anleger eine solide Rendite beschert, weil deren Wert zwar langsam aber unaufhörlich steigt. Ribbert weiß: Zumindest für Berlin gilt das nicht. Als der Gutachter sein Eigenheim verkaufte, bekam er nicht einmal mehr die Summe, die er vor 25 Jahren selbst für das Haus bezahlt hatte.

„Bebaute Grundstücke sind in Berlin besonders schwer zu verkaufen“, stöhnt Ribbert. Die eigene Erfahrung spiegele die Lage des Marktes insgesamt. Immerhin, der Gutachter muss sich nicht als Verlierer fühlen: Nachdem er sein Haus in Marienfelde verkauft hatte, erwarb er ein neues Eigenheim in Lichterfelde. „Und da waren wir dann ja die Käufer und haben genauso erbarmungslos den Preis gedrückt, wie zuvor die Käufer unserer früheren Immobilie“, sagt er.

Bei dem kleinen Immobilienhandel machte der Experte noch eine andere Erfahrung. „Die Banken“, sagt Ribbert, „haben mich durchgeprüft wie einen Kriminellen.“ Wenn Kredite so schwer zu bekommen seien, dürfe sich niemand wundern, dass der Berliner Immobilienmarkt wieder in den Dornröschenschlaf zurückfalle, in dem er bereits vor dem Fall der Mauer gelegen hatte. Zur Absicherung des Kredites verlangten die Geldhäuser von dem hochrangigen Beamten die Abtretung seiner Gehälter, den Abschluss einer Lebensversicherung durch seine Ehefrau und die Eintragung einer Grundschuld auf eine geerbte Immobilie der Familie. Das Netz mit doppeltem Boden verlangten die Banker, obwohl der leitende Vermessungsdirektor einen überdurchschnittlich großen Teil des Kaufpreises seines neuen Eigenheimes durch die Veräußerung der anderen Immobilie aufbrachte.

Die Preise sinken um fünf Prozent

„Die Zurückhaltung der Banken behindert natürlich den Immobilienmarkt“, sagt Ribbert. Man könne derzeit ohnehin nicht mehr von einem gewöhnlichen Markt sprechen. „Weil ganz wenig Immobilien verkauft werden, ist es auch schwer, daraus statistische Werte wie die mittleren Preise von Grundstücken und Bauten abzuleiten“, sagt der Gutachter. Daher sützt sich Ribbert auch auf die im Ausschuss vertretenen Makler und Gutachter. Auch sie wissen von Kaufverhandlungen: Die Immobilienpreise fallen weiter, wie in den vergangenen Jahren. Mit einem Minus von fünf Prozent sei beim „Wohnbauland“ im Jahr 2002 zu rechnen.

„Die Marktdaten sind desolat, und es spricht nichts dafür, dass sich das kurzfristig ändert“, sagt Frank-Arthur Orthen, geschäftsführender Gesellschafter der City-Report. Die Gesellschaft berät professionelle Immobilieninvestoren und erstellt Studien über die Entwicklung des Berliner Bürohausmarktes. Und Orthen kaut seine Worte nicht: „Es stimmt auch nicht, dass Büroflächen in guten Lagen knapp werden“, sagt er. Angebliche Rekorde bei den Vermietungszahlen, wie die Deutsche Bank-Tochter DB-Immobilien vor wenigen Wochen gemeldet hatte, seien eindeutig falsch. „Da wird Marketing statt Research betrieben“, sagt Orthen.

Spiegelbild der Berliner Wirtschaft

Nach Einschätzung des City-Report-Chefs werden Immobilieneigentümer in diesem Jahr 100000 Quadratmeter weniger Bürofläche als in 2001 vermieten. „Der Markt ist ein Spiegelbild der regionalen Wirtschaft“, so Orthen, „schon deshalb muss er am Boden liegen.“ Einen Abgesang auf Berlin stimmt der Berater aber nicht an. Der Potsdamer Platz, wo zuletzt die Deutsche Bahn und das Chinazentrum Büros mieteten und der Leipziger Platz – „Da will man hin“, so Orthen.

Zu den „Gewinnern“ zähle auch der Kurfürstendamm, wegen Neubauten wie dem Kranzler-Eck. Orthen: „Die Nachfrager nach Büros verhalten sich wie die in der Schell-Studie befragten Jugendlichen: Sie sind konservativ, blicken aber nach vorne, und sie wollen sich zeigen.“ Die richtige Bühne dafür böten „internationale Standorte“ wie das Sony-Center. Dagegen sei der Gendarmenmarkt zu „altbacken“. Er verliere in der Gunst der Mieter ebenso wie die Friedrichstraße, wo die Büros in dem Haus der Galeries Lafayettes immer noch leer stünden.

Auch am Pariser Platz befriedige „nur das Gehry-Haus“ das Bedürfnis, sich zu repräsentieren. Diese Ansicht bestätigt Ortens Kollege Jan Hübler, Makler bei Jones Lang Lasalle: Sage und schreibe 40 Euro pro Monat zahlten die Repräsentanten des Öl-Multis British Petrol für jeden der 400 Quadratmeter Bürofläche in dem Gebäude mit Blick auf das Brandenburger Tor.

„Das ist eine absolute Ausnahme“, sagt Hübler. BP habe dieses Bürohaus am Pariser Platz 3 mieten wollen und kein anderes. Deshalb sei man bereit gewesen, tief in die Tasche zu greifen. Dies gilt nicht für die große Mehrzahl der Mieter. Sie suchen Makler Hübler zufolge keine Büros in absoluter Spitzenlage. Der Euro sitze aufgrund der schlechten Konjunktur nicht mehr so locker wie früher.

Rechtsanwälte und Finanzdienstleister sind es vor allem, die durch den Abschluss neuer Mietverträge den Büromarkt etwas beleben. Dabei bleibe es auch in den kommenden Jahren prognostiziert Berater Orthen. Denn auf jeden in Berlin ansässigen Steuerberater entfallen rein statistisch 1220 Einwohner, in Hamburg seien es dagegen 640 und in München sogar nur 170 Einwohner. Ähnlich gering sei die „Beratungsdichte“ bei Rechtsanwälten in Berlin: Würde jeder Berliner einen Rechtsanwalt beschäftigen, dann hätte jeder Jurist 660 Mandante, dagegen wären es nur 330 in Hamburg und in der Bayerischen Landeshauptstadt nur 120 Münchner je Rechtsanwalt in der Region.

Und noch eine weitere Beobachtung machte Berater Orthen: Der Bund legte zuletzt häufig ein Veto ein, wenn Grundstücke im Regierungsviertel den Eigentümer wechseln sollen. Der Staat hat ein Vorkaufsrecht auf Liegenschaften in dem Areal. Orthen vermutet daher, dass der Bund 2003 die bisher in Bonn verbliebenen Behörden nach Berlin holen wird. Dann würde der Bund 330000 Quadratmeter neuer Bürofläche benötigen. Davon seien nur die Hälfte in Bundesbauten verfügbar. Der Rest werde als Nachfrage den Markt beleben.

Diese Aussicht beeindruckte die professionellen Immobilienhändler bisher wenig. Dabei sind seit dem Desaster an den Börsen Milliarden Euros bei Pensionskassen und Versicherungen liquide. Und die Offenen Immobilienfonds melden einen Rekordzufluss vonKapital. Für das viele Geld suchen die Manager nach einem sicheren Hafen. In Berlin werfen sie selten den Anker aus. Die Offenen Fonds bevorzugen das Ausland (Tagesspiegel vom 29. Juni). „Weil dort die Renditen besser sind“, sagt Berater Sascha Hettrich.

Meistens streiten die Investoren um einige wenige, langfristig vermietete Immobilien. Deren Auswahl ist in Berlin klein, sagen Branchenkenner. Und dort, wo sich wie am Potsdamer Platz Kaufgelegenheiten bieten, verlangten die Eigentümer „Mondpreise“. So werde das Bürohaus der Dellbrück-Bank am Leipziger Platz „für das 20fache“ angeboten. Anders ausgedrückt: Ein Käufer müsste 20 mal die erhofften Jahresmieteinnahmen von 384 Euro für jeden Quadratmeter Nutzfläche (Mietpreis pro Quadratmeter und Monat: 32 Euro) in dem Geschäftshaus bezahlen. Das Gebäude ist derzeit noch nicht fertiggestellt. Vermietet ist es nach Angaben von Maklern nicht. Der Preis ist so hoch wie das Risiko.

Die Krise am Immobilienmarkt bekam auch der Liegenschaftsfonds des Landes zu spüren. Obwohl die privatrechtlich geführte Gesellschaft transparente Verfahren zum Verkauf und zur Vergabe von Grundstücken erarbeitet hat, scheiterte der Versuch, das Grundstück Friedrichstraße 100 zu verkaufen. Bereits geschlossene Verträge platzten.

Ein zweites Grundstück, wenige hundert Meter weiter, ist derzeit im Angebot: Unter den Linden, Ecke Friedrichstraße. Bausenator Peter Strieder rührte bei der „Verkaufsveranstaltung“ kräftig die Trommel. Bis zum 28. August haben Investoren noch Zeit, sich an der Ausschreibung zu beteiligen.

Das mit Spannung erwartete Ergebnis wird zeigen, ob sich die Krise am Berliner Immobilienmarkt weiter verschärft.

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