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Immobilien: Wenn die tragende Säule einknickt

Damit ein Haus auf festem Grund steht, braucht es meistens vier Mauern.Ebenso solide wollte Jürgen Klemann seine Baupolitik: "Die Eigentumsstrategie 2000 wird von vier Säulen getragen".

Damit ein Haus auf festem Grund steht, braucht es meistens vier Mauern.Ebenso solide wollte Jürgen Klemann seine Baupolitik: "Die Eigentumsstrategie 2000 wird von vier Säulen getragen".Besonders tragfähig sollte die Förderung von privatem Wohneigentum auf landeseigenen Grundstücken sein.Denn die Kassen des Senats sind leer, Geld für den Mietwohnungsbau gibt es nicht mehr.Nun aber zeichnet sich ab, daß eine Säule von Klemanns Programm, "das städtische Haus", einknickt.Beklagenswert, denn der Senat hatte dafür sogar brachliegendes Grundeigentum entdeckt, für das ein Architektenwettbewerb beachtenswerte Lösungen entwickelte.

"Beim Wettbewerb ist der Schweiß der Edlen geflossen", sagt Klaus Keller.Er stand dem Referat IVe der Bauverwaltung in der Wettbewerbsphase vor.Daß es nun mit der Realisierung hapert, dafür weiß Keller mehrere Ursachen zu nennen: Keine Investoren, zu hohe Grundstückspreise und Eigeninteressen von begleitenden Wohnungsbaugesellschaften zählen dazu.Auch mangele es am politischen Willen, einmal Angefangenes zu Ende zu führen - das zumindest ist der Eindruck der fünf Preisträger, junge Architekten mit frischen Ideen und bemerkenswerten Lösungen.

Bernd Seifert zählt zu ihnen.Zusammen mit Partner Mattias Peper entwarf er eine Siedlung für ein Grundstück in Köpenick."Zunächst war ein Haus für 2000 DM pro Quadratmeter zu entwickeln, dann sollten aber immer mehr Leistungen mit diesem Betrag abgedeckt werden", sagt Seifert.Die Außenanlagen seien dazugekommen und die Entwurfshonorare.Mit einer Überarbeitung ihrer Holzskelettkonstruktion gelang ihnen aber auch das.Wenn alles gut geht, dann könnte der städtebauliche Vertrag in etwa zwei Monaten unterschriftsreif sein.Der letzte Stein ist dann aber nicht ausgeräumt: "Voraussetzung für den Baustart ist, daß 15 von den 28 Häusern vom Papier weg verkauft werden", so Seifert.Ein Risiko wollen die Wohnungsbaugesellschaften Degewo/Köwoge nicht eingehen.

Auch die Preisträger am Standort Hellersdorf, Arnold und Gladisch-Architekten, sahen sich mit fortwährend neuen, engeren Rahmenbedingungen konfrontiert."Dabei sind mehr als die Hälfte der Kosten doch dem Wettbewerb entzogen, weil sie gar nicht in unserem Budget liegen", sagt Frank Arnold.Tatsächlich liegen die Baukosten bei etwa 180 000 DM, aber das Doppelte bezahlt der Käufer für das Haus.Die andere Hälfte des Preises entfällt auf das Grundstück, auf die Vermarktung und den Vertrieb der Häuser durch den Investor.Weiteres Problem: In den Grundstückspreis fließen auch Kosten für die Erschließung ein.Dazu zählen der Bau von Stichstraßen, von Leitungen für Strom und Wasser sowie unter Umständen die Errichtung von Schulen und Kitas.Das alles zahlt der Käufer anteilig."Außerdem hatte der Bauträger Degewo das Grundstück erworben, als der Senat noch Förderungen für den Geschoßwohnungsbau auskehrte", sagt Mattias Gladisch.Zu diesen Zeiten waren die Grundstückspreise hoch, weil die Subventionen höhere Kostenmieten bescherten; dadurch mußte der Investor nicht so knapp kalkulieren.

Dennoch gelang es den Architekten ihr "städtisches Haus" für weniger als 200 000 DM zu entwickeln.Ob ihre Pläne Wirklichkeit werden, ist ungewiß, obwohl nur 39 ihrer innovativen Häuser geplant sind.Dagegen sollen nebenan 400 Wohnungen in konventioneller Bauweise entstehen.Das Verhältnis macht klar, welche "Politik" Investoren verfolgen: Sie wollen kein Risiko und tragen dem Gesetz der großen Serie Rechnung.Da sind innovative Grundrisse und Bautechniken wenig gefragt.Reihenhäuser mit Satteldach aus vorgefertigten Bauteilen, das Ganze möglichst oft an den Kunden gebracht - dadurch soll das unternehmerische Risiko klein bleiben.

Wenn zudem der vermeintliche Partner ein eigenes 08/15-Häuschen als Zukunft des Berliner Eigenheimtraums entwickelte, dann ist das Scheitern des innovativen Vorhabens programmiert: Die Howoge, einer der Bauträger beim Projekt des Senats, ersann unabhängig davon das sogenannte Brandenburg-Haus.Das möchte die Howoge als Großserie rausbringen.Ob die Gesellschaft deshalb den jungen Architekten Gussmann+Valentien sowie Edmaier in Hohenschönhausen die Zusammenarbeit aufkündigte?

"Dabei fanden wir in der Jury das Projekt spannend, weil es zwei Entwürfe verbindet", sagt Klaus Keller, damals Projektleiter auf Senatsseite.Während Gussmann+Valentien Gebäudereihen zwischen V-förmigen Grün anlegen, formiert Edmaier zweiteilige Häuser zu einer dichten, vielfältigen Siedlung.Dies gelingt, indem jedes Haus aus einem Turm, wo die Schlafräume untergebracht sind und einer Wohnhalle besteht."Der Wohnbereich öffnet sich weit auf den Außenraum", sagt Christine Edmaier; der Turm dagegen, weniger transparent, bleibe der "Privatsphäre" vorbehalten.

Lob und Innovation zum trotz, die Howoge verfolgt auch dieses Vorhaben nicht.Unverdrossen machten sich die Architekten selbst auf Investorensuche."Doch die reagieren bei Anrufen von Architekten so wie wir bei Anfragen von Staubsaugerverkäufern", sagt Christine Edmaier.Dennoch gab es erste Gespräche.Aber die Zeit ist knapp: Der Bezirk setzte bei der Investorensuche eine Frist bis Monatsende.Ähnlich erging es Salomon Schindler.Auch sein Büro hatte mit der Howoge ein Grundstück in Marzahn entwickelt, und auch er mußte nach Überarbeitungen den ablehnenden Bescheid der Gesellschaft hinnehmen.

Ebenfalls in der Schwebe steht das Vorhaben von Eckert, Negwer, Sommer und Suselbeck (ENSS).Sie gewannen den ersten Preis für ein schwieriges Grundstück in Zehlendorf.Zwischen Bahnlinien und Straßen eingekeilt, gelang es den Architekten dennoch, die Häuser durch eine dreiseitige Fassung vor dem Lärm abzuschirmen.So öffnen sie die Fassaden großzügig auf einen Garten, den die Bewohner optisch und im Sommer "haptisch" als Teil der Wohnfläche wahrnehmen.

Besonders im Fall von ENSS treiben die hohen Grundstückspreise in Zehlendorf den Hauspreis in die Höhe.Da die Liegenschaften indes Eigentum des Landes sind, wären auch "politische Preise" denkbar.Bei Großinvestoren wie Daimler-Chrysler sind sie als "Wirtschaftsförderung" sogar erwünscht.Doch auch das "Städtische Haus" sollte ein Programm gegen den Exodus von Steuerzahlern ins Umland sein - also Einnahmeverluste des Landes stoppen.Doch auf die hehren, programmatischen Absichten ließen bislang nur die Architekten ebensolche Taten folgen.

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