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Wohnen: Berlin: Osthafen in Mode

Boss und Escada sind bereits am Wasser. Weitere sollen hinzu kommen – in einen eigenwilligen Neubau

Für Dampferkapitäne und Freizeitschiffer wird die Fahrt auf der Spree, vorbei am ehemaligen Osthafen, immer mehr zum Ereignis: Denn dort, wo früher Frachtschiffe festmachten und Arbeiter beim Beladen der Kähne mit Kohle oder Steinen schwitzten, sollen schon bald Models die neueste Mode übers Wasser tragen – auf einem Steg über der Spree. Der geplante Wasser-Laufsteg, der an der breitesten Stelle der Spree zu einer schwimmenden Insel oder einem Boot führen soll, gehört zum Modezentrum Labels Berlin am Osthafen. Zwar sei noch nicht geklärt, in welcher Form der Steg genehmigt werde, sagen Stefan Sihler und Volker Groß, Geschäftsführer der Labels II Stralauer Allee 12 GmbH, die das Ausstellungszentrum in Friedrichshain projektiert. Doch die Einbindung des Wassers sei auf jeden Fall ein wichtiges Element. Bereits im vergangenen Jahr eröffnete in einer umgebauten Lagerhalle der erste Teil von Labels Berlin: acht Showrooms, in denen Modehersteller ihre neuesten Kollektionen präsentieren. Die größte Fläche hatte sich Hugo Boss gesichert. Inzwischen ist der über 2000 Quadratmeter große Präsentationsraum des Unternehmens mit den riesigen Rundbogenfenstern international bekannt und wurde kürzlich gar mit dem Preis für den besten Showroom weltweit ausgezeichnet. Jetzt soll mit „Labels II“ ein Neubau für weitere Modefirmen hinzukommen.

„Der Osthafen ist einfach gut im Gespräch“, begründen Sihler und Groß die Wahl des Standorts. Dies liege an den Medien- und Musikkonzernen wie Universal und MTV, die sich bereits auf dem schmalen, aber fast zwei Kilometer langen Geländestreifen zwischen Oberbaum- und Elsenbrücke angesiedelt haben, aber auch an dem Badeschiff auf der Spree, der Arena und der geplanten O2-World. „Labels I“, der unter Denkmalschutz stehende Altbau, der weitgehend originalgetreu restauriert wurde, sei jedenfalls vollständig vermietet und zwischenzeitlich an eine dänische Investorengruppe verkauft, so Sihler. Diese ist nun auch Miteigentümerin des neu erworbenen Grundstücks für „Labels II“.

Mit dem Bau des fünfstöckigen avantgardistischen Gebäudes soll im kommenden Frühjahr begonnen werden. Ziel der Architektengemeinschaft HHF Hartmann, Herlach und Frommenbiler aus Basel, die in einem Architektenwettbewerb als Sieger hervorgingen, sei es, so Sihler, die Industriearchitektur des Osthafens aufzunehmen und zu wiederholen. Auffällig ist vor allem die Glas- und Betonfassade mit ihren Rundbögen: Sie sollen das Motiv der Korbbogenfenster der benachbarten historischen Lagerhalle von Labels I aufgreifen. Der Beton bleibt zudem sichtbar, er wird lediglich grün eingefärbt. Die Farbe erinnert an das Wasser, aber auch die Glaswürfel vor der benachbarten Lagerhalle sind grün. Im Inneren des Gebäudes setzt sich die Bogenstruktur weiter fort. Dadurch entstehen großflächige, nahezu stützenfreie Räume. Abgehängte Decken wird es nicht geben: Rohre und Lampen bleiben sichtbar. Lediglich die Elektroleitungen sollen in den Beton eingegossen werden. Zugleich gehe man mit dem neuen Modezentrum auch ökologisch neue Wege, betont Sihler. Denn das Wasser der Spree wird wie bei einem Wärmetauscher sowohl zur Beheizung als auch zur Kühlung des Gebäudes genutzt - ein Verfahren, das bislang erst selten realisiert wurde. Aber auch über den Beton selbst soll die Wärme weitergeleitet werden.

In dem Neubau werden etwa 16 Showrooms mit einer Größe von 110 bis 1350 Quadratmeter Platz finden. Zurzeit verhandeln Sihler und Groß mit potenziellen Mietern. Einziehen sollen große, aber auch mittelständische Unternehmen aus der Region. Die Mode der Firmen werde wohl etwas sportlicher sein als im Altbau nebenan, so Sihler. Dort sind neben Hugo Boss zum Beispiel Escada, Esprit, Orwell und Carlo Colucci ansässig. Vorgesehen sind außerdem eine Lounge auf dem Dach sowie Gastronomie- und Eventflächen im Erdgeschoss. Anders als die Showrooms werden diese öffentlich zugänglich sein. Knapp 22 Millionen Euro soll der 7000 Quadratmeter große Neubau kosten, die Eröffnung ist für 2009 geplant. Als Projektentwickler werde man das Gebäude nach Fertigstellung verkaufen, sagt Sihler. Man wolle sich aber die weitere Konzeption, das Facility-Management sowie den Betrieb der Eventflächen vorbehalten.

Künftig soll Labels Berlin sich auch als Station der Modemesse Premium etablieren. Sihler und Groß planen deshalb schon für „Labels III“: „Mit rund 40 Firmen könnte der Osthafen zu einem wirklich wichtigen Modestandort werden.“ Ob sich diese Vorstellung verwirklichen lässt, ist allerdings fraglich: Alle Freiflächen am Osthafen hat die Berliner Hafen- und Lagerhallenbetriebe GmbH (Behala) entweder bereits verkauft oder aber es wird derzeit mit anderen Interessenten über den Verkauf verhandelt. Nur für den Fall, dass die Verhandlungen innerhalb einer bestimmten Frist fehlschlagen, kämen andere Bewerber zum Zuge. „Wir haben erheblich mehr Nachfrager als Parzellen und bereits eine Warteliste angelegt“, sagt Michael Reimann, Leiter der Abteilung Vermietung und Immobilien bei der Behala. Allerdings – nicht alle Pläne passen ins Konzept: Großflächigen Einzelhandel wird es laut Reimann am Osthafen nicht geben.

Bevorzugt werden Wohnungen, Büros und Ausstellungsflächen. Der größte Teil des Osthafen-Geländes soll bis zum Jahresende 2009 bebaut sein (siehe Kasten). Etwas länger könnte der Bau des geplanten Vier-Sterne-Hotels Nähe Oberbaumbrücke sowie des Turms am anderen Hafen-Ende dauern. Auf jeden Fall werde das Gelände rund um die Uhr für die Allgemeinheit zugänglich sein, versichert Reimann. An der Spree entsteht deshalb ein zehn Meter breiter Uferweg. Verbessert werden soll auch die Erschließung – drei neue Zufahrten sowie die Erneuerung der alten Hafenstraße sind geplant. Aber den besten Blick auf den neuen Mode- und Medienmagneten hat man sowieso vom Wasser aus.

Jutta Burmeister

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