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Unter Freunden. Im Alter wünschen sich die meisten Berliner mit ihren Angehörigen und Gleichgesinnten zusammenzuleben.

© Julian Stratenschulte/dpa

Wohnen im Alter: Ältere Berliner wohnen am liebsten in Gemeinschaft

Eine Studie hat die Wünsche der 45- bis 65-jährigen Berliner erforscht und zeigt dringenden Handlungsbedarf.

Ein Häuschen auf dem Dorf? Eine noble Seniorenresidenz? Oder gar eine Alten- WG? Die Wohnwünsche älterer Menschen sind vielfältig und bisher nicht sonderlich gut erforscht. Jetzt aber weiß man in Bezug auf Berlin mehr – dank der Studie „Generationenübergreifendes Wohnen in Berlin“, die das Forschungsinstitut Empirica im Auftrag der Landesbausparkasse (LBS) Nord und der Berliner Sparkasse vorgelegt hat. Das wichtigste Ergebnis: Fast zwei Drittel der Befragten wünschen sich eine gemeinschaftliche Wohnform.

Befragt wurden allerdings nicht Seniorinnen und Senioren, sondern „zukünftig Ältere“, wie sie die Studienverfasser nennen: nämlich 45- bis 65-Jährige. 817 Personen aus Berlin beteiligten sich an der Onlinebefragung; diese Stichprobe ist Empirica zufolge repräsentativ. 37,3 Prozent der Teilnehmer erklärten, sie würden am liebsten alleine oder zusammen mit ihrem Partner beziehungsweise ihrer Partnerin wohnen. Dass die restlichen 62,7 Prozent gemeinschaftlichen Wohnformen den Vorzug geben, bedeutet jedoch nicht, dass sie alle in eine Senioren-WG ziehen wollen. Unter dem Begriff der gemeinschaftlichen Wohnformen versteht Empirica nämlich auch das Zusammenleben mit Familie, Freunden oder Gleichgesinnten – entweder im selben Haus oder in der Nachbarschaft. „Es wird Gemeinschaft gesucht, aber gleichzeitig auch Privatheit“, bringt es Marie-Therese Krings-Heckemeier, Vorstandsvorsitzende von Empirica, auf den Punkt.

Ein zweites auffälliges Ergebnis: Viele der nicht mehr ganz jungen Berliner sind umzugsbereit. 20 Prozent der Befragten planen konkret einen Umzug, und 30 Prozent ziehen einen Wohnortwechsel zumindest in Erwägung. Zwei Drittel der Befragten sehen sich künftig in einer Mietwohnung, knapp ein Drittel im Eigentum. Dies entspreche der Struktur Berlins als Mieterstadt, erläutert Expertin Krings-Heckemeier. Besonders beliebt sind Genossenschaften: Fast jeder fünfte präferiert das Wohnen bei einer Genossenschaft. Als künftige Bewohner einer Seniorenresidenz sehen sich hingegen nur 6,2 Prozent der Befragungsteilnehmer.

Noch eine dritte Erkenntnis findet sich in der Studie: Die verbreitete Vorstellung, wonach es nicht mehr ganz junge Menschen verstärkt in die Innenstadt zieht, bestätigt sich nicht. Gut 60 Prozent der Befragten möchten nämlich gern im Grünen wohnen, während sich nur 35 Prozent für städtisches Wohnen aussprechen. Dass gemeinschaftliche Wohnformen in Berlin auf dem Vormarsch sind, zeigt sich laut Krings-Heckemeier an den zahlreichen Wohnprojekten in diesem Segment. Nach Angaben der vom Senat finanzierten Netzwerkagentur Generationenwohnen gibt es in der Hauptstadt etwa 140 Baugemeinschaftsvorhaben (in denen Eigentumswohnungen entstehen) und Wohnprojekte (in denen Menschen zur Miete wohnen).

„Man muss die Unternehmen beim Image packen!“

Stadtleben? Nein, danke! Gut 60 Prozent der künftigen Rentner möchten im Grünen wohnen – viele würden sogar umziehen.
Stadtleben? Nein, danke! Gut 60 Prozent der künftigen Rentner möchten im Grünen wohnen – viele würden sogar umziehen.

© Jens Büttner

Zwischen Angebot und Nachfrage besteht allerdings eine Diskrepanz : Während die meisten künftigen Älteren zur Miete wohnen möchten, schafft die Mehrzahl der innovativen Wohnprojekte Eigentum. Hier sieht Studienautorin Krings-Heckemeier Handlungsbedarf: „Ich verstehe die Studie als Anregung, dass sich die Wohnungsunternehmen in diesem Bereich verstärkt engagieren.“

Als positives Beispiel nennt die Studie das landeseigene Wohnungsunternehmen Gesobau, das im Märkischen Viertel durch seniorengerechte Wohnungen, eine Nachbarschaftsetage und ein Servicenetzwerk vielfältige Angebote für unterschiedliche Generationen entwickelt hat. Gemeinschaftliche Wohnprojekte im engen Sinn finden sich unter dem Dach der etablierten Wohnungsbaugenossenschaften und -gesellschaften allerdings nur wenige. Am bekanntesten ist das Projekt „Allein wohnen in Gemeinschaft“, das sich im Neuköllner Rollbergviertel bei der Stadt und Land eingemietet hat. Derzeit sucht außerdem die Wohnungsgenossenschaft Ideal Interessierte für ein Wohnprojekt in einem bestehenden Gebäude in der Nahariyastraße in Lichtenrade, ganz im Süden Berlins.

Dass sich Wohnprojekte und Baugemeinschaften verstärkt an die Peripherie der Stadt vorwagen, hat selbst Krings-Heckemeier überrascht. Sie plädiert jedoch dafür, „Quartiere auch in ganz zentralen Bereichen umzustrukturieren“. Allerdings haben Wohnungsunternehmen derzeit wenig Grund, sich mit innovativen Angeboten hervorzutun, da sie ihre Wohnungen mittlerweile auch ohne besondere Anstrengungen vermieten können. Das aber werde sich wieder ändern, gibt Krings-Heckemeier zu bedenken. Und: „Man muss die Unternehmen beim Image packen!“

Zu denken geben die Ergebnisse der Untersuchung auch den Auftraggebern. „Die Studie zeigt dringenden Handlungsbedarf, für ältere Menschen bezahlbare und seniorengerechte Wohnungen zu entwickeln“, lässt sich Heinz Helmut Müller, Direktor der Berliner Sparkasse, in einer Pressemitteilung zitieren. Frank Speckmann, Regionaldirektor der LBS Nord, zeigt sich offen, künftig auch innovative Wohnprojekte zu finanzieren. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die Beteiligten eine gesamtschuldnerische Verpflichtung eingingen.

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