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Wohnen in Wassertürmen: Eine runde Sache

Leben in Industriedenkmälern am Beispiel Westend. Der Einbau von Apartments in denkmalgeschützte Speicher ist knifflig, doch das Ergebnis findet Käufer.

Schmal ist die Wendeltreppe, die sich im Inneren des rund 30 Meter hohen Wasserturms in die Höhe windet. Der Blick schweift über die dicken Mauern, bis hinauf zum riesigen Wassertank, der nach dem Bau des Turms im Jahr 1881 das Westend (Berlin-Charlottenburg) mit dem wertvollen Nass versorgte. Doch seit nunmehr fast 20 Jahren ist der Wasserturm funktionslos – genau wie sein 1909/10 errichteter Nachbar, der mehr als 60 Meter hohe westliche Turm.

Der Dornröschenschlaf der zwischen Akazienallee und Spandauer Damm gelegenen Immobilien ist allerdings beendet. Zwar kam nicht der Investor zum Zuge, der das seit 1994 denkmalgeschützte Turm-Ensemble von den Berliner Wasserwerken (BWB) gekauft hatte, um ein Hotel zu errichten. Dessen Pläne zerschlugen sich, obwohl das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf die Genehmigung zum Umbau erteilt hatte. 2008 erwarb dann eine neue Investorengruppe das Ensemble, um es in Wohnraum umzuwandeln. Seit Monaten arbeiten Handwerker nun am Westturm, und wenn alles nach Plan geht, werden 2011 in beiden Türmen zusammen 19 außergewöhnliche Apartments bezugsfertig sein. Ralf Emmrich und seinen drei Mitgesellschaftern der Wassertürme Westend GbR war von Anfang an klar, dass sie in den Wassertürmen Wohnungen errichten wollten.

Die Implantierung einer völlig neuen Funktion stellte Investoren, Planer und Denkmalschützer jedoch vor große Herausforderungen. Zum einen war klar, dass es ohne neue und größere Fenster nicht gehen würde, auch wenn dies natürlich eine Veränderung des äußeren Erscheinungsbilds zur Folge hat. Zum andern galt es, die Frage der Erschließung zu klären. Anders als der Ostturm verfügt der höhere Westturm zwar über ein richtiges Treppenhaus, das aber viel zu schmal ist, um als Haupterschließung zu dienen. Die Variante, einen Erschließungskern für Treppenhaus und Aufzug in den Turm hineinzustellen, verwarfen die Investoren, da dieser Block so viel Fläche beansprucht hätte, dass das Vorhaben nach Angaben Emmrichs nicht mehr wirtschaftlich gewesen wäre.

Schließlich setzten sich die Investoren bei den Denkmalschützern mit ihrem Vorschlag durch, beide Türme durch jeweils einen modernen Anbau zu erweitern. Dieser beinhaltet den Aufzug und ein so genanntes Sicherheitstreppenhaus, das so konzipiert ist, dass ein zweiter Fluchtweg brandschutzrechtlich nicht erforderlich ist. Da es auf jeder Ebene nur eine Wohnung gibt, bietet diese Lösung zudem Platz für eine Loggia und ein verglastes Foyer – wobei die unverkennbar modernen Betontürme, so ist zu vermuten, nicht jedem Betrachter gefallen dürften.

Beim Vermarktungsstart gingen Emmrich und seine Geschäftspartner davon aus, diese besonderen Wohnungen ließen sich ohne Schwierigkeiten verkaufen. „Aber es ging sehr schleppend voran“, räumt Emmrich ein – trotz der steuerlichen Vorteile der Denkmalschutzabschreibung. Wer vor Beginn der Bauarbeiten zum Notar geht, kann 80 Prozent der Kaufsumme über zehn Jahre steuerlich geltend machen.

Erst der zweite Anlauf in diesem Jahr, mit modifizierten Grundrissvorschlägen und einer überarbeiteten Baubeschreibung, brachte Erfolg. Mittlerweile sind neun der zwölf Wohnungen im Westturm und drei der sieben Einheiten im Ostturm verkauft – zu Preisen von 2700 bis 3300 Euro pro Quadratmeter. Deutlich teurer sind die obersten Wohnungen: 4300 Euro pro Quadratmeter muss hinblättern, wer in der Maisonettewohnung ganz oben im Ostturm wohnen möchte. Bei 373 Quadratmeter Wohnfläche kommt ein Kaufpreis von gut 1,6 Millionen Euro heraus.

Auch die Standardwohnungen sind mit rund 175 Quadratmetern im West- und 200 Quadratmetern im Ostturm eher geräumig. Da es im Inneren keine tragenden Wände gibt, ist von der Gestaltung her sehr vieles möglich – von der traditionellen Familienwohnung mit einzelnen Zimmern bis zum offenen Loft. Ein Grundrissvorschlag sieht zum Beispiel einen nicht weniger als 61 Quadratmeter großen Wohn- und Essbereich mit offener Küche vor. Allerdings „bringt die Hälfte der Käufer ihren eigenen Innenarchitekten mit“, hat Emmrich beobachtet. „Die Erwerber haben klare Vorstellungen, wie sie ihre Wohnung gestalten wollen.“ Viele der bisherigen Käufer stammen aus dem Ausland. „Es sind individualistische, internationale Kunden, die sehr frei denken“, sagt Nikolaus Ziegert von der Ziegert Bank- und Immobilienconsulting, die den Vertrieb der Wohnungen übernommen hat.

Noch mehr edle Eigentumswohnungen könnten im ebenfalls denkmalgeschützten ehemaligen Magazinhaus entstehen: Dort ist Platz für weitere fünf Einheiten. Ganz unter ihresgleichen sein werden die künftigen Bewohner indes nicht: Zwischen den beiden Türmen erstreckt sich ein Verbindungsbau mit vier Wohnungen, von denen drei an Mitarbeiter der Berliner Wasserbetriebe vermietet sind. Und das wird vorerst auch so bleiben: Emmrich und seine Geschäftspartner mussten nach eigenen Angaben eine Sozialklausel unterschreiben, die für drei Jahre Mieterhöhungen ausschließt und den Mietern ein langfristiges Wohnrecht zusichert.

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