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Die Kaufpreise für die Wohnungen lagen zwischen 403 955 für 84 Quadratmeter und 1 030 364 Euro für 204 Quadratmeter.

© Bundschuh Architekten

Wohnkirche in Schöneberg: Wohnen wie Gott in Frankreich

Schöneberger Kirche wird für Mini-Gemeinde zur Hochburg weltlicher Genüsse umgebaut.

Ein leerer Schaukasten vorn am geschlossenen Zaun, ein relativ gut besetzter Parkplatz dahinter. Durch das dichte Grün hoher Bäume ist tiefer im Grundstück ein Kirchenschiff zu erkennen. Der zugehörige Turm steht scheinbar frei, doch er ist angebaut. Gesungen und gelobpreist wird in der Schöneberger Feurigstraße 21 allerdings nicht mehr. Die Evangelisch-methodistische Gemeinde hat das Gotteshaus aufgegeben, inklusive Grundstück verkauft. Als neue Eigentümerin will die Bürgerstadt AG hier nun eine „Wohnkirche“ gestalten sowie zusätzlich ein schmales, mehrgeschossiges „Lofthaus“ errichten. Bis die künftigen Bewohner, Mitglieder einer Baugemeinschaft mit dem sinnigen Namen „Amen“, jubilieren, sprich einziehen können, wird es jedoch noch dauern.

Die Evangelisch-methodistische Kirche hatte um 1920 – zu jener Zeit noch unter dem Namen Bischöfliche Methodistenkirche – das Grundstück erworben. 1922 wurde die Christuskirche geweiht. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde das Gotteshaus in etwas schlichterer Form wieder aufgebaut. Ab 1952 wurde hier wieder gemeinsam gebetet. Genau 50 Jahre später war die Schöneberger Gemeinde dann allerdings so klein geworden, dass nur ein Zusammenschluss mit der benachbarten Friedenauer Gemeinde blieb.

Der Kirchenbau in der Feurigstraße verwaiste hingegen nicht. Lange Jahre wurde er von einer koreanischen methodistischen Gemeinde und anderen Christen genutzt. „Da wir das Gebäude nicht mehr benötigten und ein geplanter Verkauf der Immobilie an die koreanische Gemeinde nicht realisiert werden konnte, wurde im vergangenen Jahr das Grundstück mit der Kirche an die Bürgerstadt AG veräußert“, bestätigt Gabriel Straka, Superintendent des Berliner Distrikts der Kirche mit ihren 14 Gemeinden. Zum erzielten Verkaufspreis mag er keine Angaben machen.

Kirchenbau soll erhalten werden

Nun also die Berliner Bürgerstadt AG, die seit Gründung im Jahr 2000 private Bauherren dabei unterstützt, jeweils gemeinschaftliche Wohnprojekte umzusetzen. Die Gesellschaft mit dem Stadtsoziologen Winfried Hammann an der Spitze sitzt in der Regel mit den Bauwilligen von Beginn an in einem Boot, übernimmt die Projektsteuerung vom Grundstückskauf bis zur Erstellung der Schlussrechnung. Im Gegensatz zu den meisten Bauträgern, die mit möglichst geringem Aufwand ein Maximum an Wohnraum erstellen und kernigen Profit erwirtschaften wollen, sieht die Bürgerstadt AG ihr Betätigungsfeld vielmehr in der Umsetzung von besonderen Grundrissen, die den Bedürfnissen und Wünschen der Nutzer angepasst sind, wobei das Projekt gleichzeitig preislich im Rahmen bleibt.

Auf die Kirche wurde die Bürgerstadt AG durch das Architektenbüro Bundschuh aufmerksam. Gemeinsam hatten sie schon andere Projekte umgesetzt. „Wir haben dann 2015 einen bestimmten Betrag für die Immobilie geboten – und verloren“, sagt Winfried Hammann. Es habe sehr viele interessierte Bauträger gegeben. Doch ein Jahr später nahm die Gemeinde erneut Kontakt auf. Der Gewinner des Bieterverfahrens hatte die Kirche abreißen und das etwa 2000 Quadratmeter große Grundstück mit den „üblichen Bauten“ bepflastern wollen. Den Kirchenverantwortlichen war hingegen daran gelegen, das Gotteshaus zumindest als Umriss erkennbar zu erhalten. „Und das war ja unser Konzept“, so Hammann.

Die Baugemeinschaft „Amen“ hat das Konzept für ein Gebäudeensemble aus „Wohnkirche“ und Lofthaus entwickelt.
Die Baugemeinschaft „Amen“ hat das Konzept für ein Gebäudeensemble aus „Wohnkirche“ und Lofthaus entwickelt.

© Bundschuh Architekten

Auf der langen Liste derjenigen, die am Bauen mit der Bürgerstadt interessiert sind, fanden sich relativ rasch Mitglieder für die gegründete Baugemeinschaft „Amen“. Das Konzept einer Wohnkirche auf Grundlage der Planung von Bundschuh Architekten fand großen Zuspruch. In dem Kirchengebäude entstehen jetzt „acht außergewöhnliche Wohnszenarien für höchst individuelle Ansprüche mit Größen zwischen 83 m² und 204 m²“. Das Exposé zeigt Wohnungen mit eigenem Garten, einige mit Galerie oder über drei Geschosse gehend, und gar ein großzügiges Penthaus mit Ausguck im Kirchturm sowie zwei Dachterrassen. Auf etwas müssen die künftigen Bewohner allerdings künftig verzichten: die noch installierte Orgel. „Wir wollen das Instrument einer Kirche in Brandenburg spenden und sind mit den entsprechenden Stellen im Gespräch“, versichert Winfried Hammann.

4800 Euro pro Quadratmeter

Die Preise, die für die neu entstehenden Kirchwohnungen aufgerufen werden, dürfen als inzwischen „marktüblich“ bezeichnet werden, sind demnach nicht ganz ohne. Immerhin, der Käufer bekommt für sein Geld auch weit mehr als nur die übliche Stangenware. Derzeit ist lediglich eine Einheit als „frei“ annonciert, im Gartengeschoss. Die drei Zimmer auf knapp 84 Quadratmetern inklusive zwei kleiner Terrassen sollen 403 955 Euro kosten, also gut 4800 Euro pro Quadratmeter. Als Einzugstermin wird online derzeit noch 2018 inseriert, allein, dieser fromme Wunsch werde „in den kommenden Tagen korrigiert“, heißt es.

Das straßenseitig geplante moderne „Lofthaus“ wird über sechs Geschosse an der Brandwand des Nachbarhauses hochgezogen. Hier soll auf jeder Etage eine Wohnung entstehen, mit Flächen zwischen 83 und 134 Quadratmetern. Einen Bauantrag hat die Bürgerstadt AG im Dezember 2016 gestellt. Die Bauherren sind zuversichtlich, dass eine Genehmigung so zeitig vorliegt, dass die ersten Arbeiten Anfang des kommenden Jahres beginnen können. Den Fertigstellungstermin sehen sie realistisch im Sommer 2019.

Der Schaukasten am Zaun wird verschwinden, Parkplätze auf dem Grundstück fallen weg. Stattdessen dürfen sich die Bewohner auf eine parkähnliche Grünanlage freuen. Ein großer Garten im Kiez – ein zusätzlicher Grund, im Schatten des alten Gotteshauses wieder zu frohlocken.

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