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Das „Beettinchen“ im Märkischen Viertel ist ein 7000 Quadratmeter großer Nachbarschaftsgarten mit vierzig Pacht- und Prachtbeeten.

© Gesobau

Wohnkonzepte: Auf gute Nachbarschaft

In Berlin leben immer mehr Singles. In Wohnkonzepten wird das Gemeinsame gesucht.

Im Mai wurde das Richtfest gefeiert, und im nächsten Frühjahr werden die Bewohnerinnen ihre neuen Wohnungen in der Pankower Florastraße beziehen können. Jawohl, Bewohnerinnen – denn die 20 Eigentumswohnungen im Florahof verkauft der Bauträger Kondor Wessels nur an Frauen. Als „Hausgemeinschaft engagierter Frauen, die gerne in einer eigenen Wohnung leben, aber sich gegenseitig unterstützen und inspirieren möchten“, bezeichnet das Unternehmen sein Projekt, das er zusammen mit dem Verein Beginenwerk entwickelt hat. Um diesen Ansatz des Miteinanders zu fördern, sind ein Gemeinschaftsraum und eine gemeinschaftlich nutzbare Dachterrasse vorgesehen.

Solche Konzepte, die über die einzelne Wohnung hinausreichen und auf Gemeinschaft setzen, werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen. „Allein, aber in einem engmaschigen sozialen Verbund zusammenzuleben, wird die Wohnungsnachfrage in Zukunft stärker prägen“, schreiben Experten der Forschungsinstitute Inwis und Analyse & Konzepte in ihrem Bericht „Wohntrends 2030“, den sie im Auftrag des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen verfasst haben. Dabei spiele das Quartier eine zentrale Rolle, heißt es in der Studie weiter: „Im Zuge sich verändernder Familienstrukturen in entwickelten Gesellschaften erlangen die Quartiere und damit die Beziehungen in der Nachbarschaft heute immer größere Bedeutung.“

Ganz besonders gilt dies für Berlin, wo bereits 54 Prozent aller Haushalte aus einer Person bestehen. Entsprechend beschäftigen sich auch Projektentwickler und Bauträger mit der Frage, wie sie den gesellschaftlichen Trends Rechnung tragen können. „Veränderte Familienstrukturen, die Zunahme von Einpersonen- Haushalten und das damit einhergehende Bedürfnis nach vermehrtem Angebot für Kommunikation und Gemeinschaftlichkeit in Wohnquartieren fließen schon seit vielen Jahren in unsere Planung ein“, sagt Alexander Happ, Geschäftsführer des Unternehmens Buwog-Meermann, das in Berlin mehrere große Projekte – darunter den Westendpark mit 120 Wohnungen – entwickelt.

Ein großer Park im Innenhof

Happ zufolge legt Buwog-Meermann viel Wert auf stimmige Außenflächen und auf die Integration von Kunstprojekten, da Kunst die Kommunikation unter den Bewohnern anrege. Bei einem Wohnprojekt in Wien habe die Muttergesellschaft Buwog Group zudem die Möglichkeit zum Urban Farming geschaffen, also zum Gärtnern in der Stadt.

Umweltfreundlich: Ecohaus in Friedrichshain, ein Mehrgenerationenhaus.
Umweltfreundlich: Ecohaus in Friedrichshain, ein Mehrgenerationenhaus.

© Gregor Hohenberg/laif

Und in Berlin? Da fällt es nicht leicht, im Bereich des gehobenen Wohnungsbaus Beispiele zu finden, die diesen Nachbarschafts- und Quartiersgedanken umsetzen. Vielleicht das Projekt „Fünf Morgen Dahlem Urban Village“ der Stofanel-Gruppe, das ja bereits im Namen den Dorfcharakter betont? Lebensqualität, sagte Unternehmensgründerin Giovanna Stefanel-Stoffel 2012 bei der Entgegennahme des „European Property Award“, umfasse auch „ein gemeinschaftliches Leben, welches durch den Zusammenhalt der Nachbarn eine warme und fürsorgliche Atmosphäre schafft“. Die Antwort auf die Nachfrage, wie dieser Zusammenhalt erreicht werden kann, fällt allerdings wenig konkret aus: Nachmittage im Garten mit Blick auf den künstlich angelegten See trügen zur Zufriedenheit bei, erläutert eine Sprecherin. Und „wenn die Menschen entspannt und glücklich sind, kann eine gute Nachbarschaft entstehen und langfristig wachsen“.

Einen Schritt weiter gehen Vorhaben von Genossenschaften und Baugruppen. Ein Beispiel: Beim mittlerweile fertiggestellten Baugruppenprojekt zwischen Columbiadamm und Schwiebusser Straße am Rande des Kreuzberger Bergmannkiezes wurden im Innenhof nicht Einzelgärten angelegt, sondern ein großer Park, der für die Bewohner aller Häuser zugänglich ist und so zu gemeinschaftlichen Aktivitäten einlädt.

Einen solchen Quartiersgedanken verfolgt auch die städtische Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land bei ihrem Projekt Altglienicker Höfe, für das derzeit der Bebauungsplan erarbeitet wird. Zwischen Schönefelder Chaussee und Ortolfstraße soll nach Unternehmensangaben ein „ausgewogenes, sozial gemischtes Quartier für alle Altersgruppen“ mit rund 350 Wohnungen entstehen. Dabei sieht der städtebauliche Entwurf vor, die Zwischenräume teilweise als Gemeinschaftshöfe und -gärten zu nutzen.

"Das gute Viertel": ein schönes Konzept

Andere kommunale Wohnungsunternehmen engagieren sich ebenfalls für ein gutes nachbarschaftliches Miteinander im Quartier. So eröffnete zum Beispiel die Gesobau vor wenigen Wochen im Märkischen Viertel einen 7000 Quadratmeter großen Gemeinschaftsgarten, der neben vierzig Pachtbeeten auch eine zentrale Spiel- und Liegewiese sowie einen Grillplatz umfasst. „Räume wie der Nachbarschaftsgarten sind entscheidende Medien für ein soziales Miteinander und eine gelungene Stadtentwicklung“, lobte Martin Lambert, Reinickendorfer Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, anlässlich der Eröffnung des Nachbarschaftsgartens.

Einen Platz im Grünen verbindet wohl jeder mit einem idealen Zuhause.
Einen Platz im Grünen verbindet wohl jeder mit einem idealen Zuhause.

© Interessenverband Mieterschutz e.V.

Kommt der Nachbarschaftsgedanke also möglicherweise vor allem in Stadtquartieren zum Tragen, in denen – wie im Märkischen Viertel – eher einkommensschwächere Mieter wohnen, während besser bis gut verdienende Wohnungseigentümer sich lieber abschotten?

Das muss nicht so sein, glaubt Benjamin Röhrborn, Berliner Niederlassungsleiter des zum Hochtief-Konzern gehörenden Bauträgers Formart. Röhrborn entwickelte schon vor einigen Jahren ein Konzept, das er „Das gute Viertel“ nannte. „Ziel war es, ein Quartier mit unterschiedlichen Nachbarschafts- und Pflegeangeboten zu schaffen“, sagt er. Das Konzept richtete sich auch, aber nicht nur an ältere Menschen, die die Gewissheit haben sollten, ihr Quartier auch dann nicht mehr verlassen zu müssen, wenn es ihnen gesundheitlich einmal nicht mehr gut gehen sollte.

Realisiert worden ist dieses „gute Viertel“ bisher allerdings nicht. „Wir bleiben jedoch dran“, verspricht Benjamin Röhrborn. Und er bleibt überzeugt: „Ein gutes Viertel funktioniert in erster Linie durch gute Nachbarschaft.“

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