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Nur keine Kochnische! Drei Viertel der Deutschen sind nach einer Umfrage im Auftrag der Wohnungswirtschaft mit ihrer Wohnung zufrieden.

© dpa

„Wohntrends 2030“: Das Zuhause als grüne Oase im Großstadttrubel

Wohntrends 2030: Repräsentative Studie sieht wachsende Bedeutung des Wohnumfeldes.

„Ich will alles, Ich will alles/und zwar sofort/eh der letzte Traum in mir zu Staub verdorrt.“ Was in diesen Liedzeilen von Gitte Haenning 1983 noch keineswegs selbstverständliche Lebensmaxime war, ist heute selbstverständlich. So denken die meisten, auch beim Thema Wohnen. Und hier hängt alles mit allem zusammen, wie die Trendforscher Bettina Harms-Goldt und Michael Neitzel vom Wohnungsforschungsinstitut Inwis in ihrer Studie „Wohntrends 2030“ herausstellen, die vom GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen in Auftrag gegeben wurde.

„Die Menschen wollen Naturnähe, aber auch im Zentrum der Städte wohnen, der Trend zur Nachhaltigkeit und Gesundheit nimmt zu – außerdem müssen Arbeitsmarkt und Demografie gemeinsam betrachtet werden“, sagte Neitzel anlässlich der Vorstellung der Studie in dieser Woche in Berlin. Das Haus, respektive die Wohnung im passenden Umfeld – das ist für Mieter (und Eigennutzer) das entscheidende Kriterium. Wohnungen und Häuser sind langlebige Güter, doch die Anforderungen an das perfekte Zuhause ändern sich alle acht bis zehn Jahre. Wohnungen müssen also flexibler werden. Das stellt die Wohnungswirtschaft vor Herausforderungen.

Aber der Reihe nach: „Die Zeiten der einheitlichen Standardwohnung sind lange vorbei“, sagt Michael Neitzel. Die Bevölkerungsgruppen definieren sich einerseits über ihre Einkommen, andererseits über ihre Ansprüche. Die Mieter werden bei der Wohnungssuche immer anspruchsvoller, das gilt generell und nicht nur für die, die es sich leisten können. Die Gruppe der Unzufriedenen, so ermittelten die Forscher, macht nur zwei Prozent der Mieter und Eigentümer aus – es sind diejenigen, die sich nicht die Wohnung leisten können, die sie gerne hätten.

Mieter legen heute Wert auf individuelle Lösungen, auf ökologische Materialien und die energetisch wertvolle Fußbodenheizung im Bad, gerne auch auf eine Gästetoilette. Wenn sie keinen eigenen Garten haben können, das wünschen sich immerhin 30 Prozent, hätten sie gerne zumindest eine Terrasse oder einen Balkon (25 Prozent). Einfach einmal raustreten und durchatmen – wenn das in der Wohnung aus Kosten- oder anderen Gründen nicht möglich ist, betreiben Mieter gerne Urban Gardening, Gärtnern im öffentlichen Raum. Das Smartphone steuert Heizung oder Waschmaschine, das Bad wird zur Wellnessoase. Diese Zielvorstellungen formulierten viele der Befragten in der repräsentativen Studie (3000 Haushalte wurden befragt).

Die Zahl der Menschen mit so einem anspruchsvollem Wohnkonzept nehme jedenfalls zu, sagt Marktforscherin Bettina Harms-Goldt. Auch jetzt lebe schon ein Viertel der Leute diesen Stil. Die eigene Wohnung ist in stressigen Zeiten ein Ruhepol.

Vor allem beim Thema Bad möchten viele Mieter gerne mitbestimmen. Bei den Fliesen im Bad möchte jeder Zweite am liebsten gefragt werden. Einig sind sich auch viele, wenn es um die Küche geht: Die Kochnische geht gar nicht mehr. Nicht einmal finanziell klamme Studenten fühlen sich in Kleinstwohnungen mit Kochnische wohl. Eine große Küche wünschen sich viele, eine offene eher wenige: Das sind vor allem diejenigen, die sich einen großen Wohnraum leisten können.

Immer mehr Menschen aber, auch das belegt die Studie, können nur noch funktional leben – auch wenn sie sich mehr wünschen. Da ist Energiesparen wichtig, der Zusammenhalt in der Nachbarschaft und dass der wenige Platz in der Wohnung optimal genutzt wird. „Immer mehr Mieter können bei den Wohnkosten nichts mehr drauflegen“, sagt der Geschäftsführer des Deutschen Mieterbunds, Ulrich Ropertz. „Diese Haushalte drohen, unter die Räder zu kommen.“ Ropertz hat eine Zweiteilung beobachtet: Einen Trend zu größeren Eigentums-, aber zugleich kleineren Mietwohnungen.

Grundsätzlich, so urteilen die Autoren der Studie, sei Wohnen in Deutschland mit einer Nettokaltmiete von durchschnittlich 6,26 Euro nicht zu teuer. Die Mietbelastung ohne Heizung und Betriebskosten liege im Schnitt bei 24 Prozent des Haushaltseinkommens. Nicht aber in Ballungsräumen und bei den Senioren. Ältere Menschen müssen im Schnitt ein Drittel ihrer Rente allein für die Kaltmiete einplanen. Axel Gedaschko, der Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, will das so nicht stehen lassen: Das echte Problem sei die Warmmiete, die Kostenexplosion bei Heiz- und Stromkosten. „Das trifft jeden“, sagt er. Und viele Menschen wollten auch, dass ihre Wohnung saniert werde – und seien auch bereit, dafür mehr zu zahlen.

Vor allem für Menschen mit immer schnellerem Lebenstempo – mit stressigem Job, Schichtdienst, großem Freundeskreis und wenig Schlaf – wird die Wohnung zunehmend zu einem wichtigen Ort der Ruhe. „Die Menschen wollen zu Hause eine grüne Oase und vor der Haustür den Trubel“, fasst Neitzel zusammen. Das Leben in städtischen Zusammenhängen hat eine hohe Attraktivität. Teure Wohnungen dürfen da gern auch mal voll eingerichtet und entsprechend gestylt sein. Oder, um es mit Gitte Haenning zu sagen: „Ich will alles/Ich will alles/Sperr’ mich nicht ein/Ich will nie mehr/Zu früh zufrieden sein.“

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