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Günstige Wohnungen sind in Berlin kaum noch zu finden. Um die Kosten zu reduzieren, sollten Projektentwickler Neubauwohnungen mit kleineren Zimmern und geringerem Ausstattungsstandard planen.

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Wohnungsknappheit in Berlin: Wie Wohnen wieder bezahlbar wird

Tiefgarage? Verzichten! Balkone? Nur auf Ständern! Deckhöhe? Senken! Experten beklagen Grundstücksspekulation und plädieren für Senkung der Ausstattungsstandards.

Es ist eine Frage, die Wohnungssuchende genauso umtreibt wie Stadtverwaltungen und Immobilienunternehmen: Wie lässt es sich erreichen, dass in Berlin und anderen von Wohnungsknappheit geplagten Großstädten nicht nur Eigentumswohnungen und hochwertige Mietwohnungen gebaut werden, sondern auch Wohnungen, die sich Menschen mit geringem und mittlerem Einkommen leisten können?

Eine ebenso klare wie einfache Antwort hat jüngst ein Bündnis aus Deutschem Mieterbund, Industriegewerkschaft BAU und fünf Verbänden der Bau- und Immobilienwirtschaft gegeben: Es liege, so die zentrale These des Bündnisses, einzig und allein in der Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen, die Grundlagen für den Bau von günstigen Mietwohnungen zu schaffen. Die öffentliche Hand müsse lediglich die steuerliche Abschreibung verdoppeln, Grundstücke vergünstigt zur Verfügung stellen und zinsvergünstigte Darlehen ausreichen – und schon sei das Problem gelöst. Grundlage für diese These ist eine Studie des Pestel-Instituts aus Hannover, wonach sich durch dieses Maßnahmenbündel die durchschnittliche Kaltmiete von zehn Euro pro Quadratmeter, die Investoren heute für Neubauwohnungen verlangen müssen, um gut vier Euro senken lässt.

Differenzierter fällt die Antwort in einer anderen Studie aus, die das Beratungsunternehmen Bulwiengesa ebenfalls in dieser Woche vorgestellt hat. Die Untersuchung, die im Auftrag von zehn Immobilienunternehmen erstellt wurde, nimmt zwar ebenfalls Politik und Verwaltung in die Pflicht, sieht aber auch Handlungsmöglichkeiten auf Seiten der Immobilienwirtschaft.

„Wir brauchen eine Bodenerwerbskostenbremse“

Eine zentrale Ursache für die stark gestiegenen Baukosten ist laut der Studie nämlich die Preissteigerung bei den Grundstücken – und zwar keineswegs in erster Linie bei den Bauarealen in öffentlicher Hand. Bulwiengesa-Vorstand Andreas Schulten nennt das Beispiel eines Grundstücks in Berlin-Mitte, das in den vergangenen Jahren dreimal den Eigentümer wechselte, wobei der Preis von acht Millionen Euro auf 36 Millionen Euro in die Höhe geschraubt wurde. „Kostengünstiger Wohnungsbau ist bei solch einem Grundstücksmarkt schnell nicht mehr möglich“, heißt es in der Untersuchung. Nicht selten beantragen demnach Grundstückseigentümer eine Baugenehmigung nicht etwa mit der Absicht, tatsächlich Wohnungen zu bauen, sondern allein deswegen, um das Grundstück wesentlich teurer weiterverkaufen zu können.

Um eine solche Grundstücksspekulation zu verhindern, schlagen die Experten von Bulwiengesa vor, die Erteilung einer Baugenehmigung mit der Verpflichtung zum Baubeginn innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu verbinden. „Sollte dies nicht geschehen, wird eine Sonderabgabe im Sinne einer Strafgebühr fällig“, empfehlen die Autoren. Sie stehen mit ihrer Einschätzung nicht allein da: Auch Axel Gedaschko, Präsident des wohnungswirtschaftlichen Dachverbandes GdW, sieht in der Baulandpreisentwicklung ein zentrales Problem. „Wir brauchen eine Bodenerwerbskostenbremse zur Begrenzung des Preisanstiegs von Bauland“, sagt Gedaschko.

Einsparmöglichkeiten erkennen die Experten von Bulwiengesa jedoch auch bei der Bauweise von Wohnungen. Um die Kosten zu reduzieren, sollten Projektentwickler Wohnungen mit kleineren Zimmern und geringerem Ausstattungsstandard planen. Dies bedeute beispielsweise niedrigere Deckenhöhen, aufgeständerte Balkone und den Verzicht auf eine Tiefgarage. Den Einwand, dass solche Wohnungen zu einem späteren Zeitpunkt als Erste von Leerstand bedroht sein könnten, lässt Andreas Schulten nicht gelten: Schließlich hätten auch die Bauhaus-Architekten in der Zwischenkriegszeit sehr kostenbewusst gebaut und trotzdem Siedlungen geschaffen, die bis heute geschätzt würden.

Investoren reagieren auf das Berliner Modell zur kooperativen Baulandentwicklung zurückhaltend

An Politik und Verwaltung appellieren die Fachleute, bei kleineren innerstädtischen Arealen auf die – zeitaufwendige und teure – Aufstellung eines Bebauungsplanes zu verzichten. Allerdings verläuft die Entwicklung genau umgekehrt, wie der Studie zu entnehmen ist: „Im Zuge der Renaissance der sozialen Wohnraumförderung und geringerer Mittel in den Haushaltskassen stellen Kommunen vermehrt Bebauungspläne auf.“ Dann können sie nämlich durch städtebauliche Verträge Investoren zu Beiträgen an die Infrastruktur verpflichten.

Genau das plant auch das Land Berlin: Kürzlich stellte Stadtentwicklungssenator Michael Müller das Berliner Modell zur kooperativen Baulandentwicklung vor. Dieses verpflichtet Investoren grundsätzlich dazu, im Rahmen von Bebauungsplänen die Kosten für die Erschließung sowie für die Schul- und Kitaplätze zu übernehmen, die wegen der neuen Wohnungen erforderlich sind. Zudem soll der Vorhabenträger Mietpreis- und Belegungsbindungen für zehn bis 33 Prozent der geplanten Wohnungen eingehen.

Ist das nun ein Beitrag zum Bau günstiger Wohnungen? Die Meinungen in der Immobilienwirtschaft sind geteilt. Zurückhaltend äußert sich Gordon Gorski, Leiter der Niederlassung Berlin-Brandenburg von Hochtief Projektentwicklung: Die Politik sollte seiner Ansicht nach „mit Augenmaß“ entscheiden, welche Infrastrukturleistungen der Bauträger übernehmen müsse. Positiv sei, dass die neuen Berliner Leitlinien einen Ermessensspielraum vorsähen, sagt auch Maren Kern, Vorstand des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen.

Grundsätzlich ablehnend gegenüber solchen Ansätzen äußert sich hingegen Mathias Düsterdick, Geschäftsführer der Düsseldorfer Immobilienfirma PDI. Düsterdick ist zwar nicht in Berlin tätig, verfolgt aber die Entwicklung in Stuttgart, wo mit dem Stuttgarter Innenentwicklungsmodell (SIM) ein ähnliches Konzept existiert. Dieses wirke abschreckend auf Investoren, erklärt Düsterdick: „Das SIM hat zu einer Stagnation der Wohnungsproduktion geführt.“

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