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Hochpreisige Wohnungen im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg.

© dpa

Immobilienmarkt: Ein Quadratmeter für den Preis eines Kleinwagens

Bezahlbarer Zugang zum Stadtzentrum ist in Berlin Vergangenheit. Luxusimmobilien ziehen Investoren aus aller Welt an – in einigen Lagen wie in Mitte und Prenzlauer Berg läuft der Markt heiß.

Luxus sieht anders aus. Das unverputzte Mauerwerk ist grob geweißt, an den Wänden hängen Computeranimationen von schicken Appartements, daneben Duschköpfe, Küchenarmaturen und Bodenbeläge – wie im Baumarkt. Hinter Glas, in einer Vitrine, das Modell eines der spektakulärsten Immobilienprojekte Berlins: „Lux“. Aus der Vogelperspektive kann man hier schon einmal einen Blick auf die Dachterrassen im Miniaturformat werfen.

Oder man hat beim Besuch des kargen Showrooms des Maklers Ziegert-Immobilien gleich eine halbe Million dabei – für 70 Quadratmeter. „Es gab Käufer, die sich hier sofort entschieden und bezahlt haben“, sagt Nikolaus Ziegert, „500 000 Euro – ohne Finanzierung.“

Fantasie und ein volles Konto sind vonnöten, wenn man sich hier am Neustädtischen Kirchplatz, zwischen Spree und Linden, die Zukunft vorstellen will. „Das Gebäude wird mit seiner aufwendigen Fassadenstruktur aus hochwertigen Materialien als ein Unikat, eine Gesamtskulptur wahrnehmbar“, verspricht das „Lux“-Exposé.

 Am Neustädtischen Kirchplatz in Mitte entstehen Luxuswohnungen mit einem Preis von bis zu 10 500 Euro pro Quadratmeter.
Am Neustädtischen Kirchplatz in Mitte entstehen Luxuswohnungen mit einem Preis von bis zu 10 500 Euro pro Quadratmeter.

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Mehr als 30 Investoren haben sich vom derzeit wahrnehmbaren Grau-in- Grau des Areals nicht abschrecken lassen. Die Hälfte der 64 Eigentumswohnungen, die ein wohnliches Schlaraffenland versprechen – mit Kamin, Doorman und Fußbodenheizung, die im Sommer kühlt – ist schon verkauft. Für 4500 bis 10 500 Euro pro Quadratmeter. Zu haben ist unter anderem noch das größte Penthouse mit 312 Quadratmetern und ausladender Dachterrasse für 3,2 Millionen Euro.

Nikolaus Ziegert hat keine Eile. Auch der spanische Investor Triple A, der das Quartier für 45 Millionen Euro baut, darf sich sicher fühlen, dass es nach der geplanten Fertigstellung Ende 2014 keinen Leerstand im „Lux“ geben wird. Denn Berlin ist die neue Immobilien-Boomtown, ein Dorado für Projektentwickler und Investoren aus aller Welt. Und für Käufer, die in gefragten Lagen inzwischen fast jeden Preis für eine Luxuswohnung bezahlen.

Ziegert spricht von einer „Geburtsstunde des Eigentums“ in der deutschen Hauptstadt. Eben noch galt Berlin als preiswert und – verglichen mit anderen europäischen Metropolen – als Immobilienrefugium mit bezahlbarem Zugang zum Stadtzentrum. Vorbei, Vergangenheit. Statt von Schnäppchen sprechen Marktbeobachter inzwischen schon von den Gefahren einer Überhitzung. In sehr begehrten Bezirken wie Mitte und Prenzlauer Berg (Pankow) ist von Blasenbildung bei hochwertigen Eigentumswohnungen die Rede.

"Es ist Geld ohne Ende am Markt."

Der Berliner Niederlassungsleiter des Marktforschungsunternehmens Bulwien-Gesa sagt: „2012 war ein fantastisches Jahr. Viele Investoren haben entschieden, sich Berlin noch stärker zu widmen.“ Beschleunigt werde der Run auf die Stadt von den geradezu idealen Rahmenbedingungen: Die Hypothekenzinsen sind immer noch extrem niedrig, die Immobilienpreise und Mieten steigen, die Nachfrage ist groß. Verständlich, dass auch aus den südeuropäischen Schuldenkrisenländern Kapital in den sicheren Hafen an der Spree fließt. „Das Geld der Krisenflüchtlinge wird in Betongold angelegt“, sagt Adami.

Das Bild von den griechischen Millionären, die scharenweise mit prall gefüllten Geldkoffern Wohnungen in Berlin kaufen, hält er allerdings für übertrieben. „Die Käufer kommen aus allen Regionen der Welt.“

Bei den Projektentwicklern auf dem Berliner Markt stammten 70 Prozent aus der Region, 20 Prozent aus dem übrigen Deutschland und nur etwa zehn Prozent aus dem Ausland. Hinter Triple A, dem „Lux“-Entwickler, stehen zwei spanische Vermögensverwalter.

Bis 2007 war der Investor ausschließlich auf der iberischen Halbinsel im Wohnungsbau tätig – dann kam die Krise. „In Berlin lassen sich offensichtlich die interessantesten Renditen erzielen, sonst wären sie nicht hier“, sagt Nikolaus Ziegert. „Es ist Geld ohne Ende im Markt“, bestätigt der Geschäftsführer einer großen Berliner Maklerfirma, der nicht genannt werden möchte.

Die Nachfrage nach Eigentumswohnungen in Berlin, da sind sich alle in der Branche einig, wird weiter steigen. Laut Bulwien-Gesa gibt es rund 390 000 Berliner Haushalte, die sich eine Eigentumswohnung leisten könnten, aber noch zur Miete wohnen. 21 334 Eigentumswohnungen wurden 2011 für zusammen rund 3,24 Milliarden Euro in Berlin verkauft.

Im laufenden Jahr dürfte die Investitionssumme nach Schätzungen von Bulwien-Gesa weiter gestiegen sein. Auch der Preissprung bei Eigentumswohnungen von zwölf Prozent im vergangenen Jahr dürfte sich 2012 wiederholt haben. Erst für 2013 sagt Bulwien-Gesa eine leichte Beruhigung mit einem Preisanstieg von fünf bis sechs Prozent voraus.

Experten halten den Markt in einigen Lagen für ausgereizt.

Ungebrochen ist der Optimismus der Projektentwickler im gehobenen und Luxussegment. Selbst bei Top-Preisen von mehr als 10 000 Euro pro Quadratmeter sehen Makler noch Luft nach oben. 2011 wurden in ganz Berlin nur fünf Wohnungen mit fünfstelligen Quadratmeterpreisen verkauft, allein im ersten Halbjahr 2012 waren es schon sechs, 20 dürften es im Gesamtjahr werden.

Sieben Top-Projekte mit insgesamt 300 Luxuswohnungen sind derzeit in Arbeit. Darunter das 85-Millionen-Euro-Vorhaben „Kronprinzengärten“ am Werderschen Markt mit allein 50 Wohnungen zwischen 400 000 und vier Millionen Euro. Oder das von Stardesigner Philippe Starck gestaltete „Yoo“ neben dem Berliner Ensemble mit 95 Wohnungen, die bis zu 3,6 Millionen Euro kosten. Dafür gibt es einen eigenen Pool mit Wellnesszone, Concierge und Fitnessraum.

„Mit einem Ende des Booms ist in den nächsten Jahren nicht zu rechnen“, heißt es etwa bei Stofanel. „Berlin hat im Vergleich zu anderen europäischen Großstädten sein Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft.“ Das börsennotierte Unternehmen mit Sitz am Pariser Platz versucht, in Berlin die im Ausland bekanntere Wohnform des Urban Village, des städtischen Dorfes, zu etablieren.

So realisierte Stofanel im vergangenen Jahr in Prenzlauer Berg das umstrittene Projekt „Marthashof“, eine ganze Privatstraße mit hochwertigen Eigentumswohnungen. Eines der jüngsten Vorhaben: B.NAU vis-à-vis dem Mauerpark – ein „Urban Home“-Wohnturm mit 20 Einheiten, vom 85-Quadratmeter-Appartement bis zum Maisonette-Penthouse mit Whirlpool auf dem Dach. Der Quadratmeter kostet hier ab 3800 Euro aufwärts. Stofanel spricht von „vielen Käufern aus Spanien und Italien“. 18 von 20 Wohnungen sind verkauft, zwei reserviert.

Ein Engagement in dieser attraktiven Lage ist gleichwohl nicht ohne Risiko. „Trotz des größeren Interesses sehen wir das Preissteigerungspotenzial in Prenzlauer Berg als weitgehend erschöpft“, schreibt Bulwien- Gesa in einem aktuellen Report. Im Trendbezirk scheine „die Schwelle dessen, was die Interessenten für eine Wohnung ausgeben können, erreicht“.

Auch einige Lagen von Mitte, Tiergarten oder Kreuzberg halten Experten für ausgereizt – oder für „spekulativ erwärmt“, wie ein Makler meint. Zumindest die Zutaten für eine Immobilienblase sind hier erkennbar: Die Preise für Wohnungen steigen schneller als die Mieten – und mancher kauft, ohne die Wohnung zu nutzen oder zu vermieten. Gleichzeitig rangeln die Makler um die Objekte. „Das ist ein schwieriger Markt, weil alle gerne ein Stück vom kleinen Kuchen haben wollen“, sagt ein Beteiligter.

Solange freilich das große Geld Berlin entdeckt, macht sich die Immobilienbranche keine Sorgen. „Nach allem, was wir objektiv beurteilen können, wird es 2013 so weitergehen“, heißt es beim Immobilienmakler Engel & Völkers.

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