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„Das Finanzielle ist lösbar.“ Utz Claassen (rechts) mit seinem Anwalt. Foto: dpa

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Wirtschaft: „In der Ehre angegangen“

Am Nürnberger Landgericht hat der Prozess von Utz Claassen gegen Solar Millennium begonnen

Nürnberg - Im Western sind das die Augenblicke kurz vor dem Showdown. Die Kontrahenten stehen einander mit ihren Anhängern gegenüber, mustern sich aus den Augenwinkeln heraus mit dunklen Blicken, machen immer mal wieder witzig gemeinte Bemerkungen. So ähnlich haben sie sich um 9.30 Uhr im Saal 296 des Nürnberger Landgerichts postiert, kurz vor Verhandlungsbeginn: Aufgerufen ist der Millionenstreit zwischen dem Top-Manager Utz Claassen und dem Erlanger Mittelständler Solar Millennium. Rechts ist das Claassen-Lager, links sind die Solar-Leute.

Utz Claassen mustert die Gegenseite ernst und stumm. Seit eineinhalb Jahren liegen sie erbittert im Streit – seit Claassen am 15. März 2010 den Posten des Vorstandsvorsitzenden bei Solar Millennium überraschend hinschmiss, nur 74 Tage nach seinem Arbeitsbeginn. Dafür nahm er die „Antrittsprämie“ in Höhe von 9,2 Millionen Euro mit und pocht auf weitere sieben Millionen Euro als Abfindung anstelle eines ihm damals zusätzlich zugesagten Aktienpaketes.

Das Unternehmen fühlt sich hintergangen von dem ebenso schillernden wie umstrittenen Star-Manager, der 48-jährige Claassen sieht sich im Recht. Er wirft der einstigen Vorzeigefirma auf dem Gebiet der Solarthermie vor, ihn grob hinters Licht geführt und ihm in einer Finanzplanung völlig falsche und geschönte Zahlen zum Zustand des Unternehmens geliefert zu haben.

Werner Meyer, der Vorsitzende Richter der Handelskammer am Landgericht, macht zu Beginn des Prozesses klar, dass er vorerst nicht gewillt ist, sich auf diesen Streit einzulassen, der in den vergangenen Tagen immer härtere, brutalere Züge angenommen hat. Meyer appelliert an die Parteien: Das Gericht wolle eine gütliche Einigung erzielen, „auch unter Zähneknirschen“, bevor verhandelt werde. Denn bis man da die 6000 Seiten Akten und alle Instanzen durch habe, könne es „fünf, sechs oder sieben Jahre dauern“.

Utz Claassen, einst Vorstandschef des baden-württembergischen Energieversorgers ENBW, bittet um das Wort. Er hat ein Statement vorbereitet. Die Frage nach einer gütlichen Einigung sei „berechtigt“, sagt er. Doch dann will er loswerden, was ihn seit der Trennung zutiefst beschäftigt und schmerzt: Der Aufsichtsrat von Solar Millennium habe ihn „belogen, hintergangen und betrogen“. Das Finanzielle sei lösbar, sagt Claassen. „Wahrheit und Rechtmäßigkeit kann man aber nicht teilen.“ Er fordert eine Entschuldigung von dem anwesenden Aufsichtsratsvorsitzenden Helmut Pflaumer, denn er sei „in der Ehre angegangen“ worden. Außerdem bestehe er darauf, dass die von ihm ausgesprochene Kündigung rechtmäßig gewesen sei.

Pflaumer erhält das Wort. Er sagt, es tue ihm leid, wenn Claassen sich beleidigt fühle – „ich entschuldige mich, wenn dies geschehen ist“. Claassen nimmt die Entschuldigung an.

Bis Ende November möchte Richter Meyer mit den Parteien einen Vergleich ausarbeiten. Er bittet darum, dass sich die Streitenden in der Öffentlichkeit „bedeckt“ halten. Sonst drifte das Verfahren ab „in den Bereich von Nachbarschaftsstreitigkeiten“, und er verlange „ein höheres Niveau“. So trennt man sich. Sowohl Claassen als auch die Firmenvertreter zeigen sich optimistisch, dass eine Einigung erzielt werden kann.Patrick Guyton

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