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Begehrter Finanzplatz. Seit Monaten verhandeln Berlin und Bern über die Behandlung der 220 Milliarden Euro, die deutsche Anleger in der Schweiz angelegt haben. Foto: p-a/Sodapix

© picture alliance / Sodapix AG

Wirtschaft: In der Steuerfalle

Zwei Drittel der in Deutschland erhältlichen Fonds sind im Ausland aufgelegt Wer dabei nicht aufpasst, lässt den Fiskus doppelt zugreifen

Es ist das alte Problem: Geldströme und Geldanlagen arbeiten international, aber der Einfluss der Finanzämter reicht nur bis an die nationalen Grenzen. Um die komplette Besteuerung deutscher Gelder auch im Ausland sicherzustellen, ist ein engmaschiges Netz von Verträgen, Gesetzen und Bestimmungen entstanden, das nur Fachleute durchschauen – aber auch ein Gutteil der Anleger kennen sollte.

Denn viele legen im Ausland an, ohne es zu wissen: Fast zwei Drittel der in Deutschland erhältlichen Fonds sind im Ausland aufgelegt, darunter auch viele Papiere deutscher Fondsgesellschaften wie Deka oder DWS. „Hier sind einige bürokratische Steuerfallen zu beachten, die schlimmstenfalls zu einer Doppelbesteuerung führen können“, weiß Wolfgang Wawro, Sprecher des Steuerberaterverbandes Berlin-Brandenburg.

ANLEGER MÜSSEN AKTIV WERDEN

Der Hintergrund: Die meisten Fonds schütten ihre Erträge nicht aus, sondern schlagen sie dem Fondsvermögen zu. Zwei Drittel der Auslandsfonds sind solche „thesaurierenden“ Produkte. Doch obwohl der deutsche Anleger keine laufenden Zahlungen erhält, muss er sie in Deutschland versteuern. Zuflussfiktion nennen dies die Steuerexperten: Der Finanzminister fingiert einen jährlichen Zufluss an den Steuerbürger und verlangt dafür Abgeltungsteuern. Da der deutsche Fiskus jedoch die ausländischen Gesellschaften nicht zur Abführung der Steuer verpflichten könne, so Wawro, müsse der Anleger selbst aktiv werden und die – eigentlich nicht geflossenen – Einnahmen in der Steuererklärung angeben.

Komplizierter noch wird es, wenn der Anleger sein Fondspaket wieder verkauft. Dann führt die deutsche Depotbank dafür erneut Abgeltungsteuer vom Gewinn ab. Zunächst hat der Investor also doppelt bezahlt. Bei der Rückzahlung via Steuererklärung zeigten die Finanzämter jedoch häufig „ein sehr robustes Verhalten“, weiß Wawro. Wer die Nachweise über bereits gezahlte Steuer nicht lückenlos erbringen könne, gehe leer aus. Dies gilt übrigens auch für Erben von Fondspaketen, die Belege der Vorbesitzer erbringen müssen.

Der Steuerberaterverband rät daher, die Nachweise über thesaurierte Beträge wie über die Steuerzahlungen konsequent über die gesamte Haltedauer des Fonds zu sammeln – falls nötig auch über Generationen. Für den normalen Privatanleger sei die Regelung „eine Zumutung“, die klar belege, dass die Abgeltungsteuer nicht die versprochene Steuervereinfachung gebracht habe, kritisiert der Steuerexperte.

ZINSEN, DIVIDENDEN, KURSE

Steuerpflichtig wird natürlich auch, wer reale Erträge einer Auslandsanlage auf seinem Konto verbucht, seien es Zinserträge, Dividenden oder Kursgewinne. Doch auch hier ist die Lage vertrackt: Zwar bemühen sich EU und OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit, seit der Finanzkrise verstärkt darum, Steueroasen auszutrocknen und gewisse Mindeststandards beim Datenaustausch einzuführen. Doch sind der Kampf gegen Steuerhinterziehung einerseits und das Recht des Auslands, Steuergesetze und Datenschutz nach eigenem Gutdünken zu gestalten, nur schwer auf einen Nenner zu bringen.

Seit Monaten etwa verhandeln Finanzexperten aus Berlin und Bern über die Behandlung jener geschätzten 220 Milliarden Euro, die deutsche Anleger in der Schweiz angelegt haben. Im Gespräch ist offenbar, den Vermögenszuwachs der letzten zehn Jahre pauschal mit einer Art Strafsteuer zu belegen, die 25 bis 35 Prozent ausmachen könnte. Je nach Ertrag könnte das Geld damit auf einen Schlag um ein Fünftel bis ein Viertel schrumpfen.

Ungeklärt ist bisher zudem, wie die Gelder in Zukunft besteuert werden. Wie Österreich und Luxemburg weigert sich auch das Nicht-EU-Land Schweiz, Informationen über Kontoeröffnungen, Kapitalanlagen und Erträge automatisch an die Finanzämter in der Heimat der Anleger weiterzuleiten, wie es 25 der 27 EU-Mitglieder tun. Die Vereinbarungen der neuen Doppelbesteuerungsabkommen mit Österreich und der Schweiz vom Herbst 2010 erlauben auch nur dann die Weitergabe von Daten, wenn sie „zur Vollstreckung des innerstaatlichen Rechts voraussichtlich erheblich sind.“

Breite Fischzüge der Steuerbehörden ohne konkreten Anlass, wie von Deutschland gefordert, lehnen alle drei Länder ab. Ihre Devise lautet stattdessen: Geld statt Daten. Denn im Gegenzug knöpfen sie den ausländischen Anlegern anonym eine Quellensteuer ab, die laut EU-Zinsrechtlinie derzeit bei 20 Prozent liegt, ab 1. Juli auf 35 Prozent steigt. Allerdings: Betroffen hiervon sind bisher nur Zinserträge, etwa aus Festgeldern oder Anleihen, nicht aber andere Einkünfte wie Kursgewinne.

KALTE PROGRESSION

Damit der Steuerzahler durch Auslandsgelder nicht unzulässigerweise Steuern sparen kann, hat der Finanzminister daher den Progressionsvorbehalt ersonnen. Er besagt, dass die Steuerschuld auch durch Zahlungen an ausländische Steuerbehörden – Schweiz und Österreich überweisen 75 Prozent der Quellensteuer nach Berlin – keineswegs abgegolten ist. Vielmehr werden die Einkünfte auf das deutsche Einkommen geschlagen und können damit zu einer höheren Steuerschuld führen, von der die gezahlte Quellensteuer jedoch abgezogen werden kann. Dennoch könne dies erhebliche finanzielle Auswirkungen haben, weiß Pascal Seppelfricke, Vorstand der gleichnamigen Vermögensberatung in Köln. Denn bereits kleine Erträge könnten den Anleger über die kalte Progression in einen höheren Steuersatz treiben, der dann für das ganze Einkommen gelte.

In den laufenden Steuergesprächen zwischen Berlin und Bern, die nach Schweizer Angaben noch im Juni abgeschlossen sein könnten, ist auch diese Quellensteuer ein Thema. Die Schweiz setzt sich für eine Besteuerung aller Erträge aus allen Geldanlagen direkt an der Quelle ein, will dafür im Gegenzug von weiteren Forderungen nach automatischem Informationsaustausch verschont bleiben. Im Gespräch ist ein Satz in Höhe der deutschen Abgeltungsteuer von 25 Prozent. Dennoch gilt ganz grundsätzlich: Alle im Ausland liegenden Gelder sind, ob bereits versteuert oder nicht, in jedem Fall in der Steuererklärung zu benennen.

GESCHLOSSENE FONDS

Dies gilt auch für eine letzte Steuersparlücke, die der Gesetzgeber für Auslandsanlagen offenlassen musste: Geschlossene Immobilien-Fonds aus dem EU-Ausland. Sie werden als Geldanlage mit unternehmerischem Risiko direkt im Ausland besteuert, dort aber oft zu besseren Konditionen als in Deutschland, häufig auch mit höheren Freibeträgen. Den Progressionsvorbehalt hat Deutschland hier komplett gestrichen, der Anleger muss den Fiskus zwar über die Anlagen informieren, die Erträge aber nicht in Deutschland versteuern.

Fazit: Wer im Ausland investiert, ist mit einer hochkomplexen Steuergesetzgebung konfrontiert, die meist nur Fachleute vollends durchschauen. Wer sicher sein wolle, alles beachtet, dem Finanzamt auf die Finger geschaut und eine Doppelbesteuerung vermieden zu haben, tue gut daran, einen spezialisierten Steuerberater zu engagieren, sagt Wawro.

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