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Wirtschaft: „In Deutschland ist der Knoten geplatzt“

Maschinenbau-Präsident Dieter Brucklacher über volle Auftragsbücher, den Fachkräftemangel und die Fehler der Regierung

Herr Brucklacher, wann haben Sie zuletzt ein so gutes Jahr für den Maschinenbau erlebt wie 2006?

Das war kurz nach der Wiedervereinigung, als es im ganzen Land eine Euphorie und Aufbruchstimmung gab.

Heute erwirtschaften die deutschen Maschinenbauer 70 Prozent ihres Umsatzes im Ausland und profitieren entsprechend von der Dynamik in Asien und Osteuropa. Geht es auch im nächsten Jahr so weiter?

Wir gehen von einem weiteren Wachstum aus. In diesem Jahr steigt unser Produktionsvolumen um fünf Prozent auf ein neues Rekordniveau. 2007 rechnen wir mit weiterem Wachstum, aber einer etwas geringeren Rate.

Wie ist derzeit die Auftragslage?

Alles in allem sehr gut. In diesem Jahr gibt es zum Beispiel hohe Auftragseingänge aus vielen Rohstoffförderländern wie Russland, Australien, Chile, Argentinien, aber auch aus Indien. Doch auch mit den Bestellungen aus den hochentwickelten Industrieländern im Ausland und aus dem Inland sind wir sehr zufrieden.

Die Binnenkonjunktur kommt endlich in Schwung?

Ja. In den ersten sechs Monaten haben wir 19 Prozent mehr Bestellungen aus dem Inland bekommen. In Deutschland ist der Knoten offenbar geplatzt. Der Investitionsstau löst sich auf, wozu sicherlich auch die verbesserten Abschreibungsbedingungen beigetragen haben.

Wie viele Arbeitsplätze bringt der Auftragsschub?

Das ist im Augenblick schwer zu sagen. Seit Mai letzten Jahres haben wir schon 8000 zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt, und ich gehe davon aus, dass es bis zum Jahresende noch mehr sein werden. Wir suchen ja allein 7000 Ingenieure!

Personalberater meinen, viele Firmen hätten die letzten Jahre verschlafen und sich zu wenig um den Nachwuchs, auch den Ingenieurnachwuchs, gekümmert.

Solche Aussagen sollte man nicht allzu ernst nehmen. Zwischen 1995 und 2005 sind in Deutschland die Ingenieurstellen im Maschinenbau von 102 000 auf 140 000 aufgestockt worden. Wir haben also eine Veränderung in der Beschäftigtenstruktur, jeder sechste Mitarbeiter im Maschinenbau ist Ingenieur.

Und Ihre Firmen tun genug für den Nachwuchs?

Wir werben permanent für technische Berufe in den Schulen und Hochschulen. Der Maschinenbau ist eine Zukunfts- und Wachstumsbranche mit einer großen Faszination, die von der Technik ausgeht. Und wir haben Erfolg: Seit 2002 gibt es wieder mehr als 30000 Studienanfänger pro Jahr. In Deutschland leben wir von der Innovation, und das setzt die starke Ingenieurorientierung voraus. Alles in allem geht der Trend bei uns in die richtige Richtung. Wenn dann noch die Rahmenbedingungen stimmen, können wir an der Weltspitze bleiben.

Die Rahmenbedingungen setzt vor allem die Politik. Sind Sie zufrieden mit der großen Koalition?

Das eine oder andere wurde von der Regierung angepackt. In der Gesamtbewertung der Regierungsarbeit fällt nach knapp einem Jahr das Ergebnis jedoch mäßig aus. Wir haben nicht in dem Umfang, den wir erwarten durften, wirtschaftsfreundliche Reformen bekommen.

Egal wer regiert und was passiert – geklagt wird immer von den Wirtschaftsvertretern.

Sie haben mich nicht sehr oft klagen hören. Ich habe immer gesagt, dass wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen und in unseren Unternehmen anpacken müssen. Wir können nicht auf die Konjunktur und die Politik hoffen. Aber ohne entsprechende Rahmenbedingungen geht es nicht.

Die Körperschaftsteuer als wichtigste Unternehmensteuer wird deutlich gesenkt.

Ja, die nominalen Sätze. Aber man muss das Gesamttableau sehen. Wenn wir vergleichen, was uns versprochen worden ist und was sich nun abzeichnet, dann muss ich sagen, lasst besser alles so wie es ist. Denn gerade unsere mittelständischen Unternehmen müssen mit Mehrbelastungen rechnen. Und zwar ausgerechnet in den Phasen, in denen es nicht gut läuft, weil die steuerliche Verrechnung von Zinsen deutlich eingeschränkt wird.

Gegenwärtig läuft es doch so: Gewinne werden zu Tochterfirmen ins Ausland transferiert, um in Deutschland nicht besteuert zu werden. Da dieses Geld aber jetzt hier für den laufenden Betrieb oder für Investitionen fehlt, muss ein Kredit aufgenommen werden. Die Kreditkosten wiederum schmälern den Gewinn und damit die Steuerbelastung. Diesen Kreislauf will der Gesetzgeber erschweren. Im Ergebnis würde weniger Kapital ins Ausland transferiert und die Firmen zahlen endlich wieder Gewinnsteuern hierzulande.

Wir brauchen die Internationalisierung, weil wir nahe beim Kunden sein müssen. Dafür müssen wir auch draußen investieren. Ohne unser Auslandsengagement wären wir nicht in der Lage, so viele Mitarbeiter in Deutschland zu beschäftigen. Das Geld fließt nicht ab, sondern sichert zu Hause die Arbeitsplätze unserer Mitarbeiter.

An Ihrem Heimatstandort in Oberkochen müssen die Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze sichern, indem sie ohne zusätzliche Bezahlung länger arbeiten.

Ich habe ein Bündnis für Arbeit geschlossen, und zwar ein präventives Bündnis und kein Sanierungsbündnis, um Arbeitsplätze zu sichern und die Ausbildungsquote bei zehn Prozent zu halten. Wenn wir Aufträge aus Preisgründen nicht bekommen, müssen wir uns etwas überlegen.

Warum nicht bessere Produkte mit noch mehr Service, die gut bezahlt werden?

Wir sind Technologieführer und haben das richtige Produktionsprogramm. Unsere Mitarbeiter in Service und Vertrieb strengen sich in 32 Ländern an, damit wir in Deutschland die Mitarbeiter in der Produktion halten können. Aber in der Tat ist es so, dass wir Aufträge auf Grund der Preise verlieren. Deshalb habe ich mit unseren Mitarbeitern ein Bündnis geschlossen: Wenn sie mehr Leistung erbringen, indem sie 37,5 statt 35 Stunden in der Woche ohne zusätzliche Bezahlung arbeiten, dann nehme ich diese Leistung und kaufe dafür Arbeit. Ich nehme das nicht, um die Bilanz zu verschönern oder mir die Taschen zu füllen, sondern um Aufträge zu akquirieren.

Und die IG Metall hat das genehmigt?

In meinem Fall war die Belegschaft bereit, die Strategie der Standortsicherung mitzugehen. Dadurch war die IG Metall bereit, eine entsprechende Regelung zu unterschreiben.

Im letzten Tarifvertrag hat sich die IG Metall erstmals auf eine ertragsabhängige Einmalzahlung geeinigt. Eine alte Forderung von Ihnen wird umgesetzt.

Es ist in der Tat so, dass Dinge in Bewegung kommen. Leider werden solche Regelungen immer wieder von Menschen getroffen, die nicht den richtigen Sinn für das praktische Leben haben. Mir wäre sympathischer gewesen, wenn man die Löhne für alle etwas erhöht hätte und darauf eine stärkere ertragsabhängige Komponente gesetzt würde. Also: Mindestbedingungen für alle festlegen und dann den einzelnen Unternehmen Spielraum geben. Das funktioniert, das motiviert die Belegschaft, wenn es bei der Erreichung eines bestimmten Ziels eine Prämie gibt.

Prämien können jetzt auch schon ausgelobt werden.

Wir dürfen nicht vergessen, dass sich trotz guter Konjunkturaussichten zwanzig bis dreißig Prozent unserer Unternehmen in oder nahe der Verlustzone befinden. Wenn man hier nicht zusätzlich Arbeitsplätze gefährden will, darf der Sockel durch die Tariferhöhungen nicht zu hoch ausfallen.

Wenn Firmen zu viele Spielräume für eigene Abmachungen bekommen, befürchtet die IG Metall allerdings einen Unterbietungswettkampf zu Lasten der Beschäftigten.

Das Unternehmerbild, das viele haben, ist korrekturbedürftig. Ich freue mich, wenn es meiner Belegschaft gut geht. Ich versuche doch nicht, auf Kosten unserer Belegschaft zu leben. Es geht darum, erfolgreich Werkzeuge herzustellen und sie in einer partnerschaftlichen Beziehung zu den Kunden zu verkaufen. Dann geht es der Belegschaft gut.

Warum haben viele ein schlechtes Bild vom Unternehmer?

Wir müssen unterscheiden von dem öffentlichen Unternehmerbild und dem Bild jedes einzelnen Menschen von seinem Unternehmer. Der Mitarbeiter sieht doch den Unternehmer, der sich für das Unternehmen einsetzt, Arbeitsplätze sichert und ihnen eine berufliche Entwicklung ermöglicht. Ein Unternehmer gibt doch den Mitarbeitern Verantwortung und Chancen. Das macht doch die Freude eines Unternehmers aus, und nicht das „Abkochen“ der Mitarbeiter. In der Öffentlichkeit wird das Bild eines Unternehmers vermittelt, das stark geprägt ist von einzelnen Vorkommnissen bei größeren Unternehmen. Und das wird dann leider generalisiert.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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