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Ich bin dann mal weg. Früher war die Ferne oft zweite Wahl für gescheiterte Manager. Heute schätzen viele die Möglichkeiten, die sich dort bieten. Foto: dpa

© picture-alliance/ dpa

Wirtschaft: In eine Richtung

Es gibt im Ausland nur wenige Vorstandschefs mit deutschem Pass. Doch immer mehr Top-Talente beginnen ihre Karriere dort – und kommen nicht wieder zurück

Als der gebürtige Aachener Léo Apotheker vor neun Monaten zum Vorstandschef des Technologiekonzerns Hewlett Packard (HP) berufen wurde, war das in den USA eine absolute Überraschung. „Leo Who?“ fragten die amerikanischen Medien. Kein Wunder: Nach Deutschland blicken ausländische Konzerne eher selten, wenn sie ihre Chefposten neu besetzen.

Abgesehen von der Schweiz, wo fast 40 Prozent der Konzernchefs aus Deutschland stammen, haben deutsche Manager auf den Chefsesseln im Ausland Seltenheitswert. Internationale Karrieren deutscher Top-Manager sind bisher selten.

Doch wenn man führenden Personalberatern glauben darf, könnte sich das bald ändern. Denn die junge deutsche Managergeneration zieht es vor allem zu Beginn ihrer Karriere verstärkt ins Ausland. Immer mehr deutsche Top-Talente machen dort Karriere, kommen aber nicht mehr zurück. Personalexperten befürchten daher einen Exodus deutscher Leistungsträgern. „Durch diese Abwanderung wird es auf dem Markt für Top-Manager hierzulande relativ eng“, prophezeit der Personalberater Steffen Gräff, Leiter der deutschen Industriepraxis der weltgrößten Personalberatung Korn/Ferry.

Es gibt bisher einige wenige deutsche Top-Manager im Ausland wie Klaus Kleinfeld etwa, den früheren Siemens-Chef, der heute den Aluminiumriesen Alcoa führt. Oder den Heidelberger Bernd Beetz, der Chef des weltgrößten Parfum- und Kosmetikhersteller Coty in New York ist.

Vor allem in der Automobilbranche, eigentlich doch die deutsche Paradedisziplin, haben sich einige an die internationale Spitze hochgearbeitet: Der frühere Amerika-Chef von Volkswagen etwa, Stefan Jacoby, leitet seit einem Jahr den schwedisch-chinesischen Volvo-Konzern. Der frühere BMW- und Daewoo-Manager Ulrich Bez lenkt seit elf Jahren den britischen Sportwagenhersteller Aston Martin und Opel-Urgestein Carl-Peter Forster führt seit 2010 den indischen Autobauer Tata.

Tatsache ist jedoch: Noch geht so mancher deutsche Top-Manager nur deshalb ins Ausland, weil er in der Heimat nicht weiterkommt. Wo hätte ein Manager vom Format eines Klaus Kleinfelds hier so schnell eine vergleichbare Herausforderung wie den Siemens-Chefposten gefunden? Kleinfeld wurde von der Personalberatung Heidrick & Struggles in den Alcoa-Aufsichtsrat vermittelt. Von dort wechselte er 2008 auf den Chefsessel.

Personalberater berichten von Managern, für die das Ausland eine Art Zuflucht war. Das liegt auch daran, dass Manager im angelsächsischen Kulturraum scheitern dürfen. „Dort bekommen Manager eine zweite Chance“, sagt die Deutschlandchefin von Heidrick & Struggles, Christine Stimpel.

Doch das Ausland wird statt zweiter Chance immer öfter zur ersten Wahl – weil sich die Karrierewege ändern. Immer mehr Top-Talente aus Deutschland beginnen ihre berufliche Laufbahn in anderen Ländern und sehen keinen Grund zurückzukommen. Denn wer einmal eine längere Zeit international gearbeitet hat, findet nur schwer zurück.

Zumal die Rückkehr viele auch gar nicht reizt, weil auch die Gehälter im Ausland höher sind. „In den USA zum Beispiel verdienen Manager so viel mehr als in Deutschland. Warum sollten sie zurückkehren?“, fragt Headhunterin Stimpel. Sie machen im Ausland Karriere. „Kommt diese Generation in das Alter um die 40 Jahre, werden wir noch mehr Deutsche auf Chefsesseln im Ausland sehen“, so Stimpel.

Noch sieht man die neue Vielfalt vor allem im Aufsichtsrat. Der oberste Chef allerdings hat eine herausragende Rolle, muss oft enge Kontakte zur Politik pflegen, das erfordert viel Verständnis für nationale Befindlichkeiten. Deshalb bestimmen laut Stimpel Unternehmen bisher nur selten einen Ausländer zum Vorstandsvorsitzenden.

Wenn Headhunter einen Chefposten besetzen sollen, heißt es zwar nach außen oft, Nationalität sei zweitrangig. „40 Prozent unserer Suchen sind heute international“, sagt auch Berater Gräff von Korn/Ferry. Die Realität aber sieht anders aus: „Bei zwei geeigneten Kandidaten ziehen Amerikaner oder Franzosen meist doch einen Landsmann vor.“ Geschäftsgepflogenheiten und Kultur seien doch etwas anders. Da komme es viel auf die richtigen Zwischentöne an.

Doch diese Zwischentöne lernt die junge Managerriege heute schon während des Schuljahrs im Ausland oder dem Studium in Übersee. „Nationalität und Geschlecht spielen in Zukunft eine immer geringere Rolle“, ist Hans-Paul Bürkner, Weltchef der Boston Consulting Group (BCG) überzeugt. Der Friese wurde 2003 als erster Nicht-Amerikaner an die Spitze der zweitgrößten Strategieberatung der Welt gewählt.

Jetzt ist Bürkner in seiner dritten Amtszeit. „Deutsche Manager haben oft eine sehr direkte Art und machen klare Ansagen. Zuweilen bin ich vielleicht auch etwas zu direkt“, sagt er. Angelsachsen überrasche es, wenn die Deutschen sehr deutliche Worte finden – und danach trotzdem zusammen ein Bier trinken gingen. (HB)

Katrin Terpitz

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