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Wirtschaft: In Hongkong haben die Reichen das Sagen

Die Industrieländer drücken eine weitere Liberalisierung des Kapitalverkehrs durchVON TOM WEINGÄRTNER, HONGKONGMahathir Mohamad fand starke Worte."Unnötig, unproduktiv und vollkommen unmoralisch" sei es, mit fremden Währungen zu handeln, sagte der malaysische Premier ausgerechnet den in Hongkong versammelten Bankiers.

Die Industrieländer drücken eine weitere Liberalisierung des Kapitalverkehrs durchVON TOM WEINGÄRTNER, HONGKONG

Mahathir Mohamad fand starke Worte."Unnötig, unproduktiv und vollkommen unmoralisch" sei es, mit fremden Währungen zu handeln, sagte der malaysische Premier ausgerechnet den in Hongkong versammelten Bankiers.Die Herren in den Nadelstreifen nehmen dieses gelassen.Die Entrüstung der schlapp gewordenen Tigerstaaten beeindruckt weder sie noch die Finanzminister der G-7-Staaten. In Hongkong ist Theo Waigel noch unangefochten.Er und seine sechs Kollegen aus den USA, Großbritannien, Japan, Frankreich, Italien und Kanada sagen, wo es langgeht.Sie kontrollieren nahezu die Hälfte des Kapitals von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank, und weil sie sich nach jahrelangem Hin und Her darüber einig geworden sind, den Fondsmanagern etwas mehr Geld anzuvertrauen, dürfen die anderen Mitglieder des IWF das in dieser Woche beschließen.Die Thailand-Krise vom August hat zu dieser Einigung beigetragen.17 Mrd.Dollar mußten der IWF und die Nachbarn Thailands aufbringen, um das Schlimmste abzuwenden.Aber in Hongkong zweifelt niemand daran: Das war erst der Anfang.In den nächsten Jahren wird der Fonds noch viele Milliarden Dollar brauchen, um andere Brandherde in Südostasien auszutreten.Malaysia ist einer von ihnen.Die nationale Währung, der Ringgit, hat in wenigen Wochen ein Fünftel seines Wertes eingebüßt, nachdem die Anleger gemerkt haben, daß der Boom der letzten Jahre auf einem zu schwachen Fundament steht.Noch kommt die Regierung von Mahathir Mohamad ohne den IWF aus, aber in Hongkong fragen sich alle: Wie lange noch? Während die Banken ihre Wunden lecken, allen voran die japanischen, versuchen die Finanzminister und die Fondsmanager, aus dem Debakel in Thailand Lehren zu ziehen.Dabei kommt jeder zu anderen Ergebnissen.Die Fondsmanager wollen die Gelegenheit nutzen, ein bißchen mehr Macht an Land zu ziehen.Die G-10-Gruppe führender Industrieländer befürwortete am Sonntag, den IWF ausdrücklich mit der Liberalisierung des Kapitalverkehrs zu beauftragen und dessen Statuten entsprechend zu ändern.Entsprechend einigte man sich bei der Sitzung des Interimsausschusses, des politischen Leitungsgremiums des IWF, daß der Fonds eine geordnete Liberalisierung der internationalen Kapitalbewegungen fördern solle.Diese von IWF-Generaldirektor Michel Camdessus vorgebrachte Forderung sieht jedoch auch Sicherungsmaßnahmen und Übergangsbestimmungen für Entwicklungsländer vor.Selbst die Franzosen, die dem freien Kapitalmarkt eher reserviert gegenüberstehen, sind damit einverstanden, wenn der Fonds künftige Kapitalspritzen mit härteren Auflagen verbindet.Die Briten, erstmals wieder durch eine Labour-Regierung vertreten, profilieren sich mit einer neuen Entschuldungsinitiative für die armen Entwicklungsländer.Den Schwellenländern geben aber auch sie kein Pardon mehr.Neben der Öffnung für privates Kapital sollen sich die Manager des IWF darum kümmern, daß in den Entwicklungsländern ordentlich regiert wird.Pünktlich zur Herbsttagung in Hongkong haben sie ein Programm für "Gutes Regieren" vorgelegt und der Korruption den Kampf angesagt. Was in Thailand passiert ist, soll sich nicht wiederholen.Das haben sich auch die G 7 auf ihre Fahnen geschrieben.Theo Waigel und sein Staatssekretär Jürgen Stark nehmen den IWF ausdrücklich in Schutz gegen den Vorwurf, er habe nicht früh genug gewarnt.Allerdings hätten sich die Angaben der Regierung in Bangkok im Nachhinein als weitgehend falsch erwiesen.An der Krise seien nicht die Anleger schuld, sondern die unproduktive Verwendung, die die geborgten Mittel in zunehmendem Maße gefunden hätten.Die in den letzten Jahren geöffneten Kapitalmärkte jetzt wieder zu schließen, komme gar nicht in Frage, sagt Stark.Gerade die Tigerstaaten hätten davon am meisten profitiert. Die Betroffenen sehen das anders.Die Entwicklungsländer wollen sich von den Fondsmanagern nicht vorschreiben lassen, wie sie ihre Wirtschaft sanieren, auch wenn sie das Geld des Fonds brauchen.Eine Verbindung zwischen den Hilfen des IWF und der Öffnung der Kapitalmärkte dürfe es nicht geben, sagt die Gruppe der 24, in der die bessersituierten Entwicklungsländer zusammenarbeiten.Grundsätzlich sind sie bereit, gegen die Korruption in ihren Ländern und die organisierte Kriminalität vorzugehen, was man unter einer ordentlichen Regierung zu verstehen habe, müsse aber noch im Einzelnen besprochen werden, sagt Antonio Casas-Conzales, der Sprecher der G-24.Und er weist darauf hin, daß diese Maßstäbe dann auch in den Industrieländern angelegt werden müßten.Der Entlastungsangriff zielt auf solche Länder, denen aufgrund laxer Gesetze oder Finanzämter Steuern entgehen.Auch die Deutschen könnten sich nach diesen Maßstäben eines Tages auf der Anklagebank des IWF wiederfinden.

TOM WEINGÄRTNER[HONGKONG]

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